Oxidativer Stress

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Das Wichtigste verständlich

Oxidativer Stress bedeutet eine Belastung des Körpers durch hochreaktiven Sauerstoff (reactive oxigen species: ROS). Solche ROS haben die Eigenschaft, körpereigene Moleküle zu oxidieren und damit unwirksam zu machen. Wenn oxidativer Stress durch Entgiftungsreaktionen des Körpers nicht austariert werden kann, wird er zu einem Krankheitsrisiko. Das Risiko für Entzündungen, Arteriosklerose, Herzkreislaufkrankheiten, Leberverfettung oder Tumore wird durch ROS erhöht.

Der Körper wehrt sich durch Gegenmaßnahmen, um mit ihm fertig zu werden. Im Übermaß führt oxidativer Stress zu schwerwiegenden zellulären Funktionsstörungen, zum Absterben von Zellorganellen (Mitochondrien!) und von Zellen. Die frei werdenden Substanzen fördern Entzündungen und Tumorwachstum. Eine große Reihe von Krankheiten hängen mit oxidativem Stress zusammen.

Entstehung von oxidativem Stress:

  • Er entsteht natürlicherweise im Körper bei jeder körperlichen Anstrengung durch eine Leckage der Atmungskette in Mitochondrien. Die hier frei werdenden Radiale rufen eine Reaktion des Körpers hervor, die ihm hilft, die durch die Anstrengungen vermehrt auftretenden geschädigten Zellen zu entfernen und die Abwehr zu stärken, s. o.).
    • im Körper entstehende, interne Ursachen. Zu ihnen gehören
    • eine Störung der Atmungskette in den Mitochondrien, sowie
    • eine Störung der körpereigenen ROS-Entgiftung.
  • Oxidativer Stress durch Einwirkungen von außen entsteht z. B. durch Peroxide, Medikamente, Bestrahlung. Bei normaler Belastung kann der Körper die entstehenden ROS entgiften. Wenn die Belastung jedoch zu hoch wird oder die Entgiftungsfunktion unzureichend ist, kommt es zu einem hohen Krankheitsrisiko. Die entstehenden ROS verändern (durch zumeist nichtenzymatische Oxidation) wichtige Zellbestandteile, so Zellmembranen, Zellorganellen und die  Erbsubstanz. Damit fördern sie ganz wesentlich Alterungs- und Krankheitsprozesse, Entzündungen, Arteriosklerose (mit Herzinfarkt und Schlaganfall) und die Bereitschaft für einige Krebsarten.

Genetische Grundlagen: Einem Teil der Ursachen einer intern im Körper vermehrten ROS-Bildung liegen genetische Veränderungen zugrunde. So führen Mutationen von Enzymen des ROS-Stoffwechsels zu Krankheiten durch oxidativen Stress.

Gleichgewicht von ROS-Bildung und -Abbau: Unter gesunden Bedingungen stehen Bildung und Entgiftung von ROS in einem fein austarierten Gleichgewicht. Überwiegt jedoch die ROS-Konzentration, ablesbar beispielsweise am Glutathion-Redoxverhältnis GSH zu GSSG, so entsteht ein krankheitsfördernder oxidativer Stress.

Die Kapazität zur ROS-Entgiftung ist offenbar sehr hoch und wird durch die Anpassung der Mitochondrien an die Belastung, z. B. bei dauerhaft erhöhten körperlichen Belastungen, in ausreichender Höhe gehalten. Akute extreme Belastungen können jedoch die Kapazität überschreiten und zu krankhaften Schädigungen führen. Wo die Grenze zur Überschreitung liegt, scheint individuell unterschiedlich zu sein und vom Training abzuhängen. Weitere Forschungsergebnisse dazu sind noch abzuwarten.

Günstige Wirkung von ROS: ROS bewirken eine Reihe von Reaktionen im Körper, die auf die Bewältigung der Ursachen ihrer Bildung gerichtet sind. Zu ihnen gehören

  • die Förderung eines geordneten Absterbens geschädigter Zellen (Apoptose) und
  • die Erhöhung einer immunologischen Abwehrbereitschaft und
  • eine Steigerung des Abbaus chemisch reaktiver toxischer Verbindungen im Körper inkl. des Abbaus der ROS selbst.

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ROS und RCS

Beteiligt an der Wirkung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) sind reaktive Kohlenstoffmoleküle (RCS: reactive carbonyl species) (1)ScientificWorldJournal. 2014 Jan 21;2014:417842. doi: 10.1155/2014/417842. Sie entstammen zumeist der (nichtenzymatischen) Oxidation von Aminosäuren, Kohlenhydraten und Fettstoffen durch Sauerstoffradikale. Eine erhöhte ROS-Belastung ist damit auch für eine erhöhte RCS-Belastung ausschlaggebend.

Nachweis

Der Nachweis erhöhter Konzentrationen reaktiver Sauerstoffspezies ist in der Diagnostik von oxidativem Stress unerlässlich. In der Forschung gängige empfindliche Methoden sind beispielsweise eine Messung von Superoxid durch HPLC (Hochdruckflüssigkeitschromatographie), die Fluoreszenzmessung von fluoreszierenden Boronat-enthaltenden Proben oder der Einsatz von Hydroxylamin-Spin-Sonden. Einige Methoden erlauben es, den Redox-Status von Zellen und Geweben in vivo zu bestimmen. (2)Nat Commun. 2014 Oct 21;5:5222. doi: 10.1038/ncomms6222 (3)Antioxid Redox Signal. 2016 Oct 1;25(10):577-92. doi: 10.1089/ars.2016.6751. Um eine Übersicht über den oxidativen Stress zu erhalten, wird in Studien oft das GSG/GSSG-Verhältnis (reduziertes zu oxidiertem Glutathion) oder die Glutathion-S-Transferase (4)i 2007;20(2):66-70. zuhilfe genommen oder Malondialdehyd bestimmt (5)Free Radic Res. 2008 Jul;42(7):633-8. doi: 10.1080/10715760802255764.. Eine für die praktische Routine taugliche Bestimmungsmethode wird gesucht (6)Antioxid Redox Signal. 2014 Jan 10;20(2):372-82. doi: 10.1089/ars.2012.4886 (7)Antioxid Redox Signal. 2016 Sep 20;25(9):520-33. doi: 10.1089/ars.2016.6741..

Was oxidativer Stress bewirkt

Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) entstehen durch Ursachen, die Überleben und Funktionsfähigkeit von Zellen und Geweben bedrohen. Sie sind zwar selbst toxisch, dienen jedoch unter physiologischen Bedingungen auch der Regulation der bedrohten lebenswichtigen Prozesse. Sie rufen Schutzreaktionen der Zellen hervor: sie fördern den geordneten Abbau gestörter Zellen (Apoptose), die Immunfunktionen und die Transkription von Genen, die der Gefahrenbewältigung dienen (8)Int J Biochem Cell Biol. 2007; 39(1):44-84. Wenn es allerdings zu einem Ungleichgewicht und einem Überwiegen der schädigenden Mechanismen kommt, so entwickelt sich oxidativer Stress, der Krankheiten fördert. Zu ihnen gehören insbesondere chronische Entzündungen, Arteriosklerose und Krebs. Ein Maß für oxidativen Stress ist der Redox-Status, der aus dem Verhältnis von GSH (Glutathion) zu GSSG abgelesen werden kann (9)Eur J Pharmacol. 2017 Oct 22;818:499-507. doi: 10.1016/j.ejphar.2017.10.048.

Mitochondriale Krankeiten

Eine Folge der hohen ROS-Konzentration in Mitochondrien ist eine relativ hohe Rate an Mutationen der mitochondrialen DNA (mtDNA). Das Mutationsrisiko ist deshalb besonders hoch, weil die mtDNA nicht durch Histone geschützt ist, die es im Zellkern der Fall ist. Die Mutationen können, sofern sie mit dem Leben vereinbar und nicht deletär sind, zu Krankheiten führen.

Mitochondriale Krankheit

Wodurch die ROS-Belastung steigt

Exogene Faktoren

Die Konzentration von ROS in Zellen und Geweben steigt durch viele Faktoren, so durch Rauchen, Alkohol und Drogen. Aber auch uv-Strahlen, Röntgenstrahlung, Höhenstrahlung (in Flugzeugen), therapeutische Bestrahlung, viele Medikamente, insbesondere Krebsmittel, und intensive körperliche Anstrengung (10)Adv Clin Chem. 2008;46:1-50. können den oxidativen Stress der Körperzellen erhöhen (11)Antioxidants (Basel). 2017 Sep 15;6(3). pii: E70. doi: 10.3390/antiox6030070..

Endogene Faktoren

Es gibt eine Reihe von Enzymen, die normalerweise für den ROS-Abbau verantwortlich sind, die jedoch im Fall einer funktionsschädigenden Mutation zu einem Anstieg des oxidativen Stresses führen. Dazu gehören Atmungskettenenzyme und die NADPH-Oxidase (12)Free Radic Biol Med. 2013 Oct;63:446-56. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2013.05.049 (13)Microb Pathog. 2016 Nov;100:163-169. doi: 10.1016/j.micpath.2016.09.020 (14)J Clin Immunol. 2015 Feb;35(2):158-67. doi: 10.1007/s10875-015-0138-4 (15)Circ Res. 2017 Aug 18;121(5):502-511. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.116.309965.

Mitochondrale ROS

Eine besondere Quelle von ROS sind die Mitochondrien (16)Cell Biochem Funct. 2011 Apr;29(3):183-206. doi: 10.1002/cbf.1737..Jede körperliche Anstrengung führt zu einer Erhöhung des LEcks der Atemkette und einer vermehrten ROS-Bildung. Sie sorgt für die Ankurbelung derjenigen Signalwege, die für die Bewältigung der durch Arbeit vermehrt anfallenden geschädigten Zellen und für eine Erhöhung der körpereigenen Abwehrkräfte des Immunsystems sorgen. Damit ist die Leckage der Atmungskette unter körperlicher Anstrengung ein “sinnvoller” Prozess, der sich evolutionär entwickelt hat.

Bei einigen Krankheiten wird ein Leck in der Atmungskette (die in Mitochondrien abläuft) für einen Anstieg mitochondrialer ROS (mROS) und für Zellschäden verantwortlich gemacht.

Mitochondriale ROS durch körperliche Anstrengung: Bei körperlicher Anstrengung soll es neben der vermehrten Bildung von ROS auch zur Bildung reaktiver Nitrogenspezies (reactive oxygen and nitrogen species; RONS) kommen. Daran beteiligt ist die erhöhte Aktivität von Enzymen, die chemische Radikale generieren (wie die Xanthinoxidase), die vermehrte Bildung von Phospholipasen und der Cyclooxigenase sowie einer Leckbildung der Atmungskette in den Mitochondrien mit Bildung von Superoxidradikalen (s. o.). Der erhöhte oxidative Stress wird als Auslöser für eine Hochregulation antioxidativer und immunologischer Abwehrmechanismen angesehen, der unter gesunden Umständen die Ursache (z. B. mechanische Schädigung von Muskelgewebe) zu beherrschen vermag (17)Oxid Med Cell Longev. 2009 Jan-Mar;2(1):43-51. In der Regel wird die Erhöhung der ROS-Konzentration durch gleichzeitige Steigerung ihres Abbaus ausgeglichen.

Wodurch die ROS-Belastung sinkt

Wenn ROS vermehrt gebildet werden, so kommt es in gesunden Organismen gleichzeitig reaktiv zu einer Anregung von Entgiftungsprozessen, d. h. von Mechanismen, die zu ihrem Abbau führen. Das Gleichgewicht zwischen Bildung und Abwehr von oxidativem Stress ist so gut austariert, dass Krankheiten abgewehrt werden können. Überwiegt jedoch die ROS-Bildung die Entgiftungskapazität, so kommt es zu toxischen Konsequenzen. Ein ständiger oxidativer Stress führt zu Krankheiten. Bei der Fettleberhepatitis, der Arteriosklerose und der Hypertonie beispielsweise werden ROS-getriebene chronische Entzündungen als auslösende und unterhaltende Faktoren angenommen (s. u.).

Antioxidative Selbsthilfe der Körpers

Es wird davon ausgegangen, dass das körpereigene antioxidative Abwehrsystem bei gesunden Menschen sehr rasch und wirksam auf oxidativen Stress reagiert und hochgefahren wird.
Der wichtigste Mechanismus des Körpers, den oxidativen Stress zu senken, ist die Induktion (Anregung zur Neubildung) antioxidativ wirkender Enzyme. So wird beispielsweise die Aktivität der mitochondrialen Magnesium-Superoxiddismutase (Mn-SOD) und der Glutathionperoxidase (GPx) durch Östrogen (E2) hochreguliert (18)Aging Cell. 2005 Jun;4(3):113-8. (19)Mol Vis. 2008 May 16;14:898-905..

Weitere antioxidativ wirkenden Enzyme sind die Aldehyddehydrogenase ALDH (entgiftet Aldehyde, die durch Lipidperoxidation entstehen), die Superoxiddismutase (SOD), die Katalase und die Glutathionperoxidase.

In der Leber versorgen Ito-Zellen (hepatic stellate cells, HSC) die Leberzellen (Hepatozyten) mit genügend Sauerstoff für die Aufgabe ihrer Cytochrome bei Entgiftungsprozessen. Der Sauerstoffspeicher der HSC ist Cytoglobin. Er besitzt starke antioxidative Eigenschaften und wirkt gegen eine Fibrosebildung (siehe hier). (20)Sci Rep. 2017 Jan 27;7:41647. doi: 10.1038/srep41647.

Ausdauersport und oxidativer Stress

Ausdauersport ist ein starker Anreiz zur Neubildung von Mitochondrien und der Erhöhung der Kapazität der in ihnen ablaufenden Atmungskette. Krafttraining dagegen fördert eher den Muskelaufbau und nicht so sehr die Adaptation des Körpers an die vermehrte Belastung mit ROS. Eine allmähliche Steigerung des Ausdauertrainings führt zu einer Steigerung des endogenen (körpereigenen) antioxidativen Systems und einer höheren Toleranz den ROS gegenüber. (21)Front Physiol. 2017 Sep 15;8:713. doi: 10.3389/fphys.2017.00713 (22)Sports Med. 2003;33(11):783-93. Unterstützt werden kann dies durch diätetisch zugeführte Thiol-Donoren, wie N-Acetylcystein (NAC), die des Glutathionspiegel erhöhen und die Marker für oxidativen Stress senken. In neuerer Zeit ist Keratin als Thiol-Donor für Ausdauerathleten in den Fokus gerückt (23)J Int Soc Sports Nutr. 2017 Apr 27;14:12. doi: 10.1186/s12970-017-0168-9..

Antioxidanzien in der Nahrung

Eine Zufuhr von Antioxidanzien mit der Nahrung kommt bei der Senkung von überschießendem oxidativem Stress die größte Bedeutung zu. Der Antioxidanzien-Gehalt von Nahrungsmitteln wurde vielfach untersucht; die Ergebnisse sind in einer Datenbank hinterlegt. Sie zeigen, dass pflanzliche Nahrungsmittel die Hauptquellen für die Zufuhr sind und wesentlich mehr Antioxidanzien enthalten als nichtpflanzliche Nahrungsmittel (24)Nutr J. 2010 Jan 22;9:3. doi: 10.1186/1475-2891-9-3.

Pflanzliche Extrakte und Säfte von Früchten, Gemüsen und Gewürzen aus weisen bezüglich ihrer Eisen reduzierenden Kapazität folgende Reihenfolge auf (25)Pak J Pharm Sci. 2017 Nov;30(6):2147-2150:

  • Früchte: Guave > Erdbeere > Granatapfel > Apfel> Melone > Zitrone > Banane.
  • Gemüse: Spinat> Kohl (lila) > Rettich > Paprika > Salat > Karotten > Kohl (weiß) > Zwiebel > Kartoffel > Tomate > Gurke.
  • Kräuter und Gewürze: Gewürznelke > Rosmarin > Thymian > Oregano > Zimt > Kreuzkümmel > Paprika > Fenchel > schwarzes Kardamom > Kurkuma > Koriander > Ingwer > Knoblauch

Um den oxidativen Stress des Körpers zu reduzieren, sind demnach Guave, Erdbeere, Spinat und Gewürznelken besonders geeignet.

Gewürze enthalten eine Reihe antioxidativ wirkender Substanzen. Zu in ihnen gehören Flavonoide, Polyphenole, Tannine, verschiedene Alkaloide und Vitamine. Diese Verbindungen wirken auf unterschiedliche Weise. Flavonoide beispielsweise vermögen freie Radikale zu entfernen, und sie können katalytische Metallionen binden und inaktivieren. (26)Antioxidants (Basel). 2017 Sep 15;6(3). pii: E70. doi: 10.3390/antiox6030070. Die antioxidativ wirkenden Vitamine C und E haben unterschiedliche Wirkorte (siehe jeweils dort).

Pflanzliche Antioxidanzien werden auf ihre Verwendung zur Behandlung von Krankheiten, die durch chronischem oxidativen Stress unterhalten werden, untersucht. Chalcone beispielsweise sind eine Gruppe natürlicher Flavonoidvorstufen, die in Früchten und Gemüsen vorkommen, und in besonderem Maße antioxidativ wirken. Chemisch modifizierte Derivate weisen eine besondere protektive Funktion bezüglich der nicht-alkoholischen Fettleberhepatitis auf (27)Pharmacol Res. 2017 Nov 23. pii: S1043-6618(17)31077-0. doi: 10.1016/j.phrs.2017.11.022.. Auch andere pflanzliche Polyphenole, wie Resveratrol, haben sich als wirksame Antioxidanzien herausgestellt.

Antioxidativ wirkende Medikamente sind therapeutisch von hohem Interesse. N-Acetylcystein ist ein solches Medikament, welches wirksam des oxidativen Stress senkt. Nachgewiesen ist dies durch seine Wirkung gegen eine Schädigung durch Paraquat und Acetaminophen (28)Int J Sci Basic Appl Res. 2016;26(1):26-46.

Rolle von GSH und GSSG

Das Verhältnis von Glutathion in seiner oxidierten und reduzierten Form (GSSG-zu-GSH Quotient) wird als Biomarker für den Redox-Status von Geweben und damit für ihren oxidativen Stress verwendet (29)Toxicol In Vitro. 2014 Aug;28(5):1006-15. doi: 10.1016/j.tiv.2014.04.017. Mit Hilfe dieses Tests lässt sich an Zellkulturen prüfen, ob Medikamente oxidativen Stress verursachen. Auf diese Weise wurde beispielsweise nachgewiesen, dass Paraquat und Acetaminophen den Stress erhöhen (30)Anal Bioanal Chem. 2013 Mar;405(8):2635-42. doi: 10.1007/s00216-012-6661-8., und dass das antioxidativ wirkende N-Acetylcystein ihn senkt (31)Int J Sci Basic Appl Res. 2016;26(1):26-46.

ROS als Krankheitsursache

Oxidativer Stress, der nicht ausreichend von Abwehrmechanismen neutralisiert werden kann, gefährdet auf vielfältige Weise die Gesundheit. Reaktive Sauerstoffspezies (reactive oxigen species: ROS), z. B. Peroxide, sind außerordentlich toxisch; sie verändern durch (zumeist nichtenzymatische) Oxidation wichtige Zellbestandteile, wie Proteine, Lipide und Nukleinsäuren, und beeinflussen dadurch deren Funktion. Zellmembrane, Mitochondrien, viele Enzyme und die DNA der Erbsubstanz werden geschädigt. So fördern freie Radikale bei oxidativem Stress ganz wesentlich Alterungs- und Krankheitsprozesse, wie Entzündungen, Arteriosklerose (mit Herzinfarkt und Schlaganfall) und Krebs.

ROS und Alterung

Eine chronische oxidative Stressbelastung des Körpers fördert Alterungsprozesse. Sie sind jedoch nur ein Puzzlestein im Gesamtzusammenhang der Faktoren, die synergistisch die Lebensspanne beeinflussen (32)Antioxid Redox Signal. 2014 Feb 1;20(4):727-31. doi: 10.1089/ars.2013.5228 (33)J Biol Chem. 2017 Apr 14;292(15):6029-6038. doi: 10.1074/jbc.R116.751164. Epub 2017 Mar 6.

ROS und Hypertonie

Ernährung, die reich an Fruktose und Salz ist, fördert die Entwicklung einer Hypertonie (Bluthochdruck). Es wurde nachgewiesen, dass dabei ein Anstieg der ROS eine Rolle spielt; sie wirkt über eine Aktivierung von „nuclear factor-kappa B“ (NF-κB). (34)Sci Rep. 2017 Apr 11;7:46051. doi: 10.1038/srep46051. Gefördert wird sie durch eine Insulinresistenz mit kompensatorischer Hyperinsulinämie, die die Hypertonie fördert (35)Metabolism. 2004 Oct;53(10):1305-8.

ROS und Diabetes

Die Lipidperoxidation und die Aktivität der Superoxiddismutase (SOD) wurden beim Typ-2-Diabetes erhöht gefunden. Dies gilt als starker Hinweis darauf, dass oxidativer Stress zur Entstehung des Diabetes beiträgt (36)Oxid Med Cell Longev. 2012;2012:819310. doi: 10.1155/2012/819310. Epub 2012 Nov 8.. Eine andere Untersuchung weist nach, dass weiße Blutkörperchen (Leukozyten) von diabetischen Patienten Zeichen von oxidativem Stress aufweisen. Dies soll zu einer verminderten Fähigkeit zur Abwehr von bakterieller Infektion führen (37)Clin Chim Acta. 1996 Jan 31;244(2):221-7.. Medikamente, die zu einer glykämischen Kontrolle führen, bewirken auch einen Anstieg der Aktivität der antioxidativ wirkenden Aldehyddehydrogenase. Sie fördern damit Maßnahmen des Körpers gegen diabetische Komplikationen (38)Eur J Pharmacol. 2017 Apr 5;800:57-62. doi: 10.1016/j.ejphar.2017.02.027..

ROS und Infertilität

Oxidativer Stress führt zu einer verminderten Samenqualität und Geburtenrate. Eine antioxidative Behandlung führt jedoch (laut Studien mit nur eingeschränkter Qualität) nicht zu einem überzeugenden Anstieg, weder beim Mann (39)Cochrane Database Syst Rev. 2014;(12):CD007411. doi: 10.1002/14651858.CD007411.pub3. Epub 2014 Dec … Continue reading noch bei der Frau (40)Cochrane Database Syst Rev. 2017 Jul 28;7:CD007807. doi: 10.1002/14651858.CD007807.pub3..

ROS und Arteriosklerose

Chronischer oxidativer Stress wird als wesentlicher unterhaltender Faktor für das Fortschreiten chronischer Krankheiten und auch der Arteriosklerose angesehen (41)Physiol Rev. 2004 Oct; 84(4):1381-478.

Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) fördern die Bildung von oxidiertem LDL in Intimazellen von Arterien. Oxidiertes LDL wiederum fördert die Bildung von arteriosklerotischen Plaques mit Makrophagen-ähnlichen Schaumzellen. Insbesondere die Makro- und Mikroangiopathie mit Gefäßverengungen beim Diabetes wird durch ROS gefördert. Bei Patienten, deren Superoxiddismutase 2 (SOD2, Enzym zur Reduzierung von ROS, s. o.) durch Mutation funktionsgestört ist, kommt es zu einem raschen Fortschreiten der Gefäßkomplikationen (42)Avicenna J Med Biotechnol. 2016 Apr-Jun;8(2):48-56.

Auch wenn ROS einen fördernden Einfluss auf die Entstehung arteriosklerotischer Plaques ausüben, so konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass Antioxidanzien günstig auf den Verlauf wirken (43)Diseases. 2016 Feb 17;4(1). pii: E11. doi: 10.3390/diseases4010011..

ROS und Fettleber

Besonderes Augenmerk hat der oxidative Stress durch Alkohol erfahren. Es induziert in Mitochondrien die Aktivität von Cytochrom P450-2E1 (CYP2E1). In Tierexperimenten ließ sich nachweisen, dass dies zu einem altersabhängigen erhöhten nitroxidativen Stress mit Anstieg von reaktiven Sauerstoffspecies (ROS) und reaktiven Nitrogenspecies (RNS) beitrug. Dagegen fand sich in Versuchstieren (Mäuse) mit einer Deletion von CYP2E1 (Genaktivität nicht vorhanden) solch ein Anstieg nicht. Und auch die Folgen einer sich entwickelnden Verfettung, vermehrter Apoptose und Fibrose der Leber waren nur im Wildtyp und nicht in den genetisch defizienten Mäusen zu finden. Es wird daraus geschlossen, dass die Aktivität von CYP2E1 ein lohnendes therapeutisches Ziel zur Vorbeugung und Behandlung einer Fettleberhepatitis bei Alkoholabusus sein könne (44)Free Radic Biol Med. 2016 Feb;91:188-202. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2015.12.016.

Auch cholesterinreiche Kost, die auf Dauer zu einer Leberverfettung (nicht-alkoholische Steatohepatitis) führt, entfaltet seine Wirkung über oxidativen Stress (über CYP2E1) (45)Sci Rep. 2017 Jan 4;7:39764. doi: 10.1038/srep39764., ebenso fruktosereiche Ernährung (46)Food Chem Toxicol. 2017 May;103:111-121. doi: 10.1016/j.fct.2017.02.039..

ROS und Nierendegeneration

Bei Versuchstieren konnte festgestellt werden, dass eine hohe CYP2E1-Aktivität zu Zeichen einer altersabhängigen chronischen Nierenschädigung führt (wie bei der Leber, s. o.); Versuchstiere ohne funktionsfähiges CYP2E1 dagegen zeigten die Folgen nicht (47)Food Chem Toxicol. 2017 Nov;109(Pt 1):48-59. doi: 10.1016/j.fct.2017.08.022.

ROS und Linsentrübung

Auch Formen der Linsentrübungen (Katarakt) sollen Untersuchungen zufolge in einer vermehrten Bildung reaktiver Sauerstoffspezies in den Epithelzellen der Linse liegen (48)Cell Biochem Funct. 2011 Apr;29(3):183-206. doi: 10.1002/cbf.1737..

ROS und Krebsentstehung

Eine vermehrte Bildung wie auch ein verminderter Abbau von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) führen zu einem erhöhten Krebsrisiko:

Vermehrte Bildung: Es gilt als gesichert, dass mitochondriale ROS, die durch eine undichte („leaky“) Atmungskette zustande kommen, die DNA schädigen und Onkogene aktivieren kann. Es können Tumorsuppressoren unterdrückt und Signalwege aktiviert werden, die eine Tumorausbreitung fördern (49)Semin Cancer Biol. 2017 Dec;47:57-66. doi: 10.1016/j.semcancer.2017.04.005.

Verminderter ROS-Abbau: Mutationen bestimmter Enzyme (wie der Mangan-Superoxiddismutase (MnSOD)) vermindern die Fähigkeit der Gewebe, reaktive Sauerstoffmoleküle zu entgiften. Sie sind laut einiger Studien mit einem erhöhten Risiko von Lungenkrebs (50)Cancer Genet Cytogenet. 2009 Feb;189(1):1-4. doi: 10.1016/j.cancergencyto.2008.06.017. und Prostatakrebs (51)Cell Biochem Funct. 2008 Oct;26(7):771-7. doi: 10.1002/cbf.1504. assoziiert. Die Auswertung weiterer Studien ergab jedoch widersprüchliche Ergebnisse; so ließ sich beispielsweise die Assoziation mit dem Mammakarzinom nicht erneut nachweisen (52)Int J Clin Exp Med. 2015 Sep 15;8(9):14647-55.. Laut einer Metaanalyse der einschlägigen Studien kann jedoch eine Assoziation mit dem Non-Hodgkin-Lymphom, Lungenkrebs und Darmkrebs konstatiert werden (53)Int J Clin Exp Med. 2015 Sep 15;8(9):14647-55. eCollection 2015..


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Verweise

Literatur[+]