Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Der Morbus Waldenstöm (auch als Makroglobulinämie Waldenström bezeichnet) ist eine bösartige Bluterkrankung, die meistens ältere Menschen betrifft.
Entstehung: Sie kommt durch eine Wucherung entarteter Lymphozyten (maligne B-Zellen) zustande und ist durch große Mengen an hochmolekularen Eiweißen (Makroglobuline) im Blut gekennzeichnet. Durch Ausbreitung von entarteten Zellen des Immunsystems (Plasmazellen) schwellen Lymphknoten und Milz an; durch Verdrängung des normalen Knochenmarks entsteht eine Blutarmut (Anämie). Die Zellen bilden vermehrt sehr große Eiweiße, die in das Blut abgegeben werden (IgM) und durch ihre Zähigkeit den Blutfluss beeinträchtigen (Hyperviskositätssyndrom). Dies kann zu Durchblutungsstörungen in verschiedenen Geweben und Organen führen. Klinisch können eine Vergrößerung von Lymphknoten, Milz und Leber auffallen. Die Nierenwerte können erhöht sein. Gelegentlich finden sich „Kryoglobuline“ (Eiweiße, die bei niedriger Temperatur ausfallen). Diagnostisch weisen Laborwerte auf die Erkrankung: Erster Hinweis kann eine Sturzsenkung (maximal erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit) sein. Das Gesamteiweiß im Blut ist vermehrt; in der Elektrophorese finden sich besonders große (funktionslose) Immunglobuline (IgM). In einer Knochenmarkuntersuchung kann die Verdrängung des normalen blutbildenden Marks durch die Ausbreitung der tumorartig wachsenden Plasmazellen festgestellt werden. Der Nachweis einer bestimmten Mutation (von MYD88L265P) ist manchmal ausschlaggebend. Die Behandlung beinhaltet meist Rituximab (ein Antikörper gegen die Tumorzellen. Die Kombination mit Ibrutinib (einem Hemmer der Bruton’s Tyrosinkinase) ist besonders erfolgreich. Wenn ein Hyperviskositätssyndrom vorliegt, kommt ein Plasmaaustausch infrage. |
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Entstehung
Bei der Makroglobulinämie handelt sich um eine Proliferation von Zellen, die funktionsunfähige monoklonale (durch einen einzigen krankhaften Zellklon gebildete) Immunglobuline vom IgM-Typ bilden. Die Erkrankung ist eng mit dem multiplen Myelom (Plasmozytom) verwandt, da beide durch eine Entartung von Plasmazellen bedingt sind. Die Erkrankung schreitet nur langsam fort. (1)Klin Onkol. 2021 Fall;34(6):428-433. English. DOI: 10.48095/ccko2021428
Die Entstehung eines Morbus Waldenström verläuft ganz analog zu der eines multiplen Myeloms (siehe hier). Als Ursache werden genetische Mutationen angenommen. Es finden sich Polymorphismen von MYD88(L265P) und CXCR4(WHIM)). (2)Blood. 2014 May 1;123(18):2791-6 (3)Blood. 2014 Mar 13;123(11):1637-46 MYD88(L265P) triggert das Tumorzellwachstum über Bruton’s Tyrosinkinase und ist Ziel neuerer Therapieansätze (s. u.). (4)N Engl J Med. 2015 Apr 9;372(15):1430-40
Symptomatik
Die Symptomatik hängt von der Ausprägung der Plasmazellproliferation (Vermehrung) und der Menge an Makroglobulinen im Blut ab. Lange Zeit, oft viele Jahre lang, können Patienten mit einem Morbus Waldenström symptomlos bleiben.
- Klinische Befunde: Bei der körperlichen Untersuchung findet man anfangs keine besonderen Befunde. Später jedoch können vergrößerte Lymphknoten (Lymphadenopathie), eine leichte Vergrößerung von Leber und Milz (Hepatosplenomegalie) und eine Purpura (kleine Blutpunkte in der Haut) entwickeln.
- Anämie: Kommt es zu einer Verdrängung der normales Blutbildung im Knochenmark, so kann sich eine Anämie mit Müdigkeit und Abgeschlagenheit ausbilden.
- Glomerulonephritis: eine Mitbeteiligung der Nieren im Sinne einer kryoglobulinämischen Glomerulonephritis ist eine seltene Komplikation. Mikroskopisch ist eine endokapilläre Glomerulonephritis mit hyalinen Ablagerungen zu erkennen, was sich auf die Bildung des Primärharns auswirkt. Im Urin finden sich Bluteiweiße und rote Blutkörperchen.
- Hyperviskositätssyndrom (HVS): Steigt die Konzentration an Makroglubulinen im Blut an, so nimmt die Fließfähigkeit ab, das Blut wird visköser, und es kommt zu Durchblutungsstörungen in den kleinsten Blutgefäßen, den Kapillaren. Sie können Sehstörungen, Nervenstörungen (Neuropathie), eine Enzephalopathie, ein Raynaud-Syndrom und eine Herzinsuffizienz bewirken. Es kann zu Blutungen aus kleinen Venolen kommen; eine Epistaxis(Nasenbluten) ist häufig, ebenso Netzhautblutungen. Lassen sich solche Symptome auf die hohe Konzentration hochmolekularer Immunglobuline zurückführen, wird von einem “Hyperviskositätssyndrom” gesprochen. IgM-Spiegel über 6 g/dl sind mit der Entwicklung eines HVS verbunden, über 3g/dl sind bereits Komplikationen möglich. (5)Front Oncol. 2020 May 19;10:815. DOI: 10.3389/fonc.2020.00815
- Amyloidose: Im Laufe der Entwicklung kann eine sekundäre Amyloidose eintreten, eine eher seltene Komplikation (siehe hier).
Diagnostik
Meist fürht eine Anämie mit Abbgeschlagenheit und Müdigkeit zu einer ausführlichen Diagnostik. Folgende Befunde sind typisch:
- Sturzsenkung: Eine maximale Blutsenkungsgeschwindigkeit ist oft der erste Hinweis auf eine schwerwiegende Störung der Immunglobuline des Bluts.
- Typische Bande in der Elektrophorese: Die Diagnose wird durch die Elektrophorese von Serum nahe gelegt, in der eine schmalbasige Bande großer Eiweißmoleküle, die nahe am der Auftragungslinie verbleiben, erkennbar ist. Es handelt sich um (funktionslose) monoklonale Immunglobuline der Klasse M (IgM).
- Plasmazellvermehrung im Knochenmark: Eine Knochenmarkpunktion ergibt den zytologischen und histologischen Nachweis einer unkontrollierten Vermehrung von Plasmazellen. Eine Immuntypisierung der atypischen Zellen führt zur weitern Charakterisierung.
- Genetischer Nachweis einer somatischen Mutation von MYD88L265P, MYD88WT oder CXCR4WHIM: Er kann in Zweifelsfällen entscheiden. (6)Curr Hematol Malig Rep. 2020 Feb;15(1):31-43. doi: 10.1007/s11899-020-00559-4. (7)Cancer Treat Res Commun. 2022;31:100527. DOI: 10.1016/j.ctarc.2022.100527.
Therapie
Die Behandlung erfolgt nach den gleichen Prinzipien, wie die des Plasmozytoms (siehe hier). Sie basiert auf Anti-CD-20-Antikörpern und BTK-Hemmern. (8)Blood. 2019 Dec 5;134(23):2022-2035. DOI: 10.1182/blood.2019000725.
- Bei einem Hyperviskositätssyndrom ist ein therapeutischer Plasmaaustausch indiziert. Ein einziger Austausch kann die Viskosität um bis zu 30% reduzieren. (9) Ann Ist Super Sanita. (2007) 43:171–5 (10)Ann Ist Super Sanita. 2007;43(2):171-5. PMID: 17634666. (11)Front Oncol. 2020 May 19;10:815. DOI: 10.3389/fonc.2020.00815.
- Das Mayo-Klinik-Therapieschema beinhaltet Rituximab (ein Antikörper gegen ein Oberflächenantigen auf besonderen Lymphozyten, CD20), Cyclophosphamid und Dexamethason. Auf dieser Basis sind verschiedene Therapieregime im Einsatz. (12)Am J Hematol. 2015 Apr;90(4):346-54. doi: 10.1002/ajh.23922. Für Patienten mit MYD88WT-Genotyp wird eine Chemo-Immuntherapie wie BR (Bendamustine-Rituximab) bevorzugt. (13)Cancer Treat Res Commun. 2022;31:100527. DOI: 10.1016/j.ctarc.2022.100527 .
- Ibrutinib: Eine Erfolg versprechende Therapiemöglichkeit besteht in der Hemmung von Bruton’s Tyrosinkinase durch Ibrutinib. In einer Studie an 63 symptomatischen Patienten mit Waldenström’s Makroglobulinämie wurde nach täglicher oraler Gabe von 420 mg Ibrutinib eine Reduktion des Immunglobulin-Spiegels im Blut von im Mittel 3520 mg/dl auf 880 mg/dl erreicht. Die Knochenmarkbeteiligung sank von 60 % auf 25 %. Die mittlere Zeit bis zum ersten Ansprechen lag bei 4 Wochen. Die geschätzten Raten an Progressionsfreiheit und Überlebensrate nach 2 Jahren lag bei 70% und 95%. Toxische Effekte betrafen eine Neutropenie (22 %) und eine Thrombozytopenie (14%), Nasenbluten und in seltenen Fällen ein Vorhofflimmern. (14)N Engl J Med. 2015 Apr 9;372(15):1430-40 Weitere Erfahrungen bestätigen den günstigen Effekt auch bei sonst schwer therapierbarem Verlauf. (15)Br J Haematol. 2018 Mar;180(6):821-830. doi: 10.1111/bjh.15058. Zu Ibrutinib siehe hier. Eine Weiterentwicklung ist Zanubrutinib, welches besser wirkt und mit weniger Nebenwirkungen behaftet ist als Ibrutinib. (16)Expert Rev Hematol. 2020 Dec;13(12):1303-1310. DOI: 10.1080/17474086.2020.1851184 Nachfolgepräparat ist Zanubrutinb, ein BTK-Inhibitor der zweiten Generation, der weniger Nebenwirkungen auslöst. (17)Cancer Treat Res Commun. 2022;31:100527. DOI: 10.1016/j.ctarc.2022.100527.
- Rituximab plus Ibrutinib ist erfolgreicher als Rituximab alleine: Rituximab ist therapeutisch wirksam und verlangsamt das Fortschreiten (s. o.). Der Zusatz von Ibrutinib erhöht seine Wirksamkeit bei einen Krankheitsrelaps erheblich. Ein gutes Ansprechen wurde bei 72 % (vs. 32 % bei Zusatz von Placebo) erreicht. Das progressionsfreie Überleben nach 30 Monaten lag bei 82 % (vs. 28 %). (18)N Engl J Med 2018; 378:2399-2410 DOI: 10.1056/NEJMoa1802917
- Stammzelltransplantation: in schweren, auch therapierefraktären Fällen kommt eine Stammzelltransplantation in Betracht. Nach 5 Jahren war das Gesamtüberleben 52% und das progressionsfreie Überleben 46 %, wobei eine Chemosensitivität der Krankheit vor der Transplantation ein besseres Überleben voraussagte (19)Biol Blood Marrow Transplant. 2017 Jan;23(1):60-66. DOI: 10.1016/j.bbmt.2016.10.010.
- In einem Fall einer assoziierten Glomerulonephritis war folgendes Schema erfolgreich: vier Zyklen Rituximab gefolgt von vier Zyklen R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon) zusammen mit einer Cryofiltration (Entfernung der Cryoglobuline). Im Anschluss daran erfolgte eine Hochdosischemotherapie mit Melphalan mit anschließender autologer Stammzelltransplantation. (20)Int J Hematol. 2010 Sep;92(2):391-7. doi: 10.1007/s12185-010-0638-1.
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Verweise
Literatur