Raynaud-Phänomen

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Kurzgefasst
Das Raynaud-Phänomen (engl.: raynauds phenomenon) ist ein klinisches Symptom blutleerer, blasser Finger. Die primäre Form ist rein funktionell bedingt, die sekundäre basiert auf einer organischen Erkrankung.

Ursachen: Die Blutleere in den Fingern ist auf eine krampfartige Verengung (Spasmus) der kleinen Blutgefäße zurückzuführen, wobei Kälte und psychischer Stress, eine Hypovolämie (zu geringes Blutvolumen) oder auch eine körperliche (somatische) Erkrankung (in über 10 %), z. B. auch eine Entzündung der kleinen Blutgefäße, bei ihrer Auslösung eine Rolle spielen können. In der Mehrzahl (> 80 %) allerdings ist sie ursächlich nicht zu klären (primäres Raynaud-Syndrom). 

Verlauf: Die Gefäßspasmen lösen sich in der Regel nach einiger Zeit auf und münden über eine zyanotische Phase in eine reaktive Hyperämie (vermehrte Blutfülle).

Formen: Das Raynaud-Phänomen tritt in zwei Formen auf, dem primären und dem sekundären Raynaud-Syndrom. (1)Clin Med (Lond). 2020 Nov;20(6):580-587. doi: 10.7861/clinmed.2020-0754. PMID: 33199324; PMCID: … Continue reading

Diagnostik: Zur Diagnostik gehören die Bestimmung von Autoantikörpern im Blut, die die häufig zugrunde liegenden Autoimmunkrankheiten Systemsklerose und Lupus erythematodes erkennen lassen, sowie eine Kapillarmikroskopie (z. B. am Fingernagel). Positive Befunde sprechen für eine sekundäre Form. Die primäre Form des Raynaud-Phänomens ist rein funktionell bedingt und geht nicht mit organischen oder autoimmunen Veränderungen einher.

Therapie: Die Behandlung beinhaltet Wärmeapplikation, Kalziumantagonisten (wie Nifedipin) und im Rahmen einer Systemsklerose oder anderer Grunderkrankungen auch Prostaglandinderivate, Bosentan und Sildenafil sowie ähnliche Präparate.

Das primäre Raynaud-Syndrom

Raynaud-Phänomen durch Hypovolämie und Kälte ausgelöst.

Das Raynaud-Phänomen tritt in etwa 80 % der Fälle sporadisch ohne erkennbare Grunderkrankung auf; es wird auch als primäres Raynaud-Syndrom bezeichnet. Die Blässe der Finger ist symmetrisch an beiden Händen und lässt sich nicht auf eine Gefäßkrankheit zurückführen. Sie spart den Daumen meist aus und dauert meist einige Minuten bis wenige Stunden. Eine Gewebsnekrose tritt durch die Ischämie nicht ein. Selten sind andere Akren (Kinn, Zunge) betroffen.

Diagnostik

Wenn die Entzündungsparameter (wie die Blutsenkungsgeschwindigkeit) nicht erhöht sind, das Alter unter 30 Jahre liegt und bei der körperlichen Untersuchung keine Nekrosen an den Fingerkuppen zu finden sind, dann tritt diese Diagnose in den Vordergrund. Zur Differenzierung von der sekundären Form werden meist auch die Autoimmunparameter ANA, Rheumafaktor und Anti-SLC-70-Antikörper bestimmt, die auf die sekundäre Form hinweisen und bei der primären Form negativ sind.

Die Nagelpfalzmikroskopie ergibt einen Normalbefund; es lassen sich keine pathologischen Kapillaren nachweisen, wie sie beim sekundären Raynaud-Syndrom typisch sind.

Auslöser

Auslöser der sporadischen Fingerblässe sind häufig Kälte oder adrenerger Stress, sei er psychisch oder hypovolämisch bedingt. Die verstärkte vasospastische Reaktionsbereitschaft lässt sich in einigen Fällen auch bei Blutsverwandten nachweisen; sie kann durch Medikamente erhöht werden (Beispiele: Sympathomimetika, Ergotamin-Präparate). In bis zu 20 % der Fälle entwickelt sich aus einer primären im Laufe der Jahre ein sekundäres Raynaud-Syndrom.

Therapie

Die Therapie des primären Raynaud-Syndroms beschränkt sich auf Wärmeapplikation; meistens löst sich die Blässe rasch wieder. In einigen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung mit gefäßerweiternden Prinzipien angebracht; bewährt haben sich Kalziumantagonisten wie Nifedipin.

Das sekundäre Raynaud-Syndrom

Wenn das Raynaud-Phänomen mit einer ernsthaften internistischen Krankheit, speziell einer Kollagenose assoziiert ist, und wenn ischämische Hautnekrosen an den Fingerkuppen zu erkennen sind, liegt der hochgradige Verdacht auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom nahe. Insbesondere muss an eine systemische Sklerose gedacht werden. Auslöser, die beim primären Raynaud-Syndrom eine Rolle spielen, können auch beim sekundären Typ einen Ischämie-Anfall auslösen. Die Ischämie verläuft meist länger und schwerer und ist schmerzhafter als beim primären Typ. Die Blutzufuhr kann so stark und lange unterbrochen sein, dass Gewebe zugrunde geht und Nekrosen, Ulzerationen und eine Gangrän entstehen.

Diagnostik

Beim sekundären Raynaud-Syndrom liegt das Alter meist über 30 Jahren, es finden sich

  • eine besondere Schmerzhaftigkeit der Ischämie-Phasen, gelegentlich mit Parästhesien verbunden,
  • ein asymmetrischer Befall der Finger,
  • kleine apikale (rattenbissartige) Nekrosen an den Fingerkuppen,
  • eine Assoziation mit einer inneren Erkrankung,
  • ein pathologischer Befund bei der Nagelpfalzmikroskopie (Kapillarmikroskopie),
  • meist pathologische Laborwerte (BSG, ANA, Rheumafaktor und Anti-SLC-70-Antikörper).

Ursachen und Auslöser

Beispiele für Krankheiten, in deren Rahmen das Raynaud-Phänomen auftritt, sind:

Therapie

Grundlage der Behandlung ist die Vermeidung von Kälte; die “abgestorbenen Finger” sollten warm gehalten werden. Auch sollte auf Abschirmung vor psychischem Stress und Vermeidung von gefäßverengenden Medikamenten, Koffein und Rauchen geachtet werden. Orale Kontrazeptiva sollten beim Raynaud-Syndrom im Rahmen einer Kollagenose nicht eingesetzt werden.

Die medikamentöse Behandlung des sekundären Raynaud-Syndroms hat zwei Ziele, die Abkürzung der schmerzhaften Ischämiephasen und die Vorbeugung ischämischer Komplikationen wie akraler Nekrosen. Es werden verschiedene Therapieprinzipien angewendet und weiterentwickelt (2)Vasc Health Risk Manag. 2010; 6: 167–177 (3)Clin Med (Lond). 2020 Nov;20(6):580-587. DOI: 10.7861/clinmed.2020-0754. PMID: 33199324; PMCID: … Continue reading:

  • Herkömmlich werden zur Therapie der Gefäßspasmen in den Fingern Kalziumantagonisten (z. B. Nifedipin), ACE-Hemmer, Alpha-1-Blocker oder Pentoxiphyllin eingesetzt. Oft werden vorsorglich Thrombozytenaggregationshemmer zusätzlich gegeben. Nifedipin verlängert das freie Intervall zwischen zwei Attacken um das 2-5-fache; die Attacken verlaufen weniger schmerzhaft.
  • Nitropräparate (oral und transdermal) sowie Prostaglandin-Analoge wie Iloprost (nur parenteral) verbessern ebenfalls die Durchblutung, haben jedoch eine relative hohe Rate an Nebeneffekten. Iloprost beispielsweise wird nur für schwere Komplikationen, wie bei Fingergeschwüren, als indiziert erachtet. (4)Semin Arthritis Rheum. 2019 Feb;48(4):686-693. DOI: 10.1016/j.semarthrit.2018.03.019. Epub 2018 … Continue reading
  • Endothelin-Rezeptorantagonisten wie Bosentan reduzieren die durch Endothelin verursachte Vasokonstriktion; bei Patienten mit progressiver Systemsklerose und sekundärem Raynaud-Syndrom vermindern sie das Risiko der Nekrosebildung an den Fingerkuppen. Als Nebenwirkungen sind Leberschäden zu gewärtigen. Die Kombination von Bosentan und Sildenafil scheint besonders effektiv bezüglich Schweregrad und Befund der Nagelbett-Mikroskopie zu wirken. (5)Clin Rheumatol. 2016 Jan;35(1):127-32. DOI: 10.1007/s10067-015-3119-3. Epub 2015 Dec 3. PMID: … Continue reading
  • Hemmstoffe der Phosphodiesterase-5 (PDE-5-Inhibitoren: Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil) verbessern beim Raynaud-Syndrom im Rahmen einer Sklerodermie die Durchblutung und verlängern die Abstände zwischen den Raynaud-Attacken (6)Int J Rheumatol. 2011;2011:392542. Epub 2011 Nov 2. Tadalafil scheint Pentoxifyllin überlegen zu sein (7)Ann Rheum Dis. 2005;64(Suppl 3):258. In Patienten mit Raynaud-Phänomen wirkt Tadalafil bei kälteinduzierter Vasokonstriktion nicht durchblutungssteigernd (8)Clin Pharmacol Ther. 2007 Apr;81(4):503-9; der Wirkmechanismus ist daher offen.
  • Statine haben einen günstigen Einfluss auf die Gefäße; eine Studie ergab eine signifikante Reduktion digitaler Ulcera unter Atorvastatin 40 mg/Tag für 4 Monate (9)J Rheumatol. 2008 Sep;35(9):1801-8.
  • Behandlung der Grunderkrankung (z. B. der Systemsklerose oder des Lupus erythematodes).

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Verweise

Literatur[+]