Allgemeines
Als Lipodystrophie wird eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, bei der es lokal oder generalisiert an Fettgewebe mangelt. Es werden verschiedene Formen unterschieden. Mit einer Lipodystrophie sind meistens eine Insulinresistenz, eine Zuckerkranheit (Diabetes mellitus) und eine Fettstoffwechselstörung mit Dyslipidämie (Störung der Blutfettzusammensetzung, speziell Hypertriglyzeridämie) verbunden. Leberverfettung und koronare Herzkrankheit (Koronarsklerose) sind entsprechend häufige Komplikationen. Ist der Verlust an Fettzellen generalisiert, so wird dies auch als Lipoatrophie bezeichnet. 1 Die Lipodystrophie ist häufig mit dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) assoziiert. In einer Schwangerschaft ist mit gehäuften mütterlichen und kindlichen Komplikationen zu rechnen. 2 3 Der Mangel an Fettgewebe bedingt häufig einen Rückgang des Leptinspiegels, wodurch häufig eine Hyperphagie („Fresssucht“) resultiert.
→ Leptin
Einteilung
Die Einteilung der Lipodystrophien berücksichtigt
- die Verteilung des Fettverlusts: generalisiert – partiell – lokal
- die Genetik: vererblich – nicht vererblich.
Generalisierte Formen
- Kongenitale generalisierte Lipodystrophie (CGL): Diese sehr seltene genetisch bedingte Form ist auch als Berardinelli-Seip-Syndrom bekannt. Fettzellen fehlen bei ihr fast vollständig oder sind unfähig, Triglyceride zu speichern. Der Spiegel an Chylomikronen ist stark erhöht. Der Leptinspiegel ist deutlich vermindert, was zu Heißhunger führt. Es besteht eine periphere Insulinresistenz mit den Folgen einer Fettleber, eines Diabetes, einer Endothelzelldysfunktion und der Neigung zu einer Pankreatitis. Auch werden Herzmanifestationen mit Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathie und frühzeitiger Arteriosklerose beschrieben 4. Der Defekt betrifft verschiedene Gene; beteiligt sind AGPAT2, BSCL2, Caveolin 1 (CAV1) und das Gen für den Polymerase-I-und-Transcriptrelease Factor (PTRF). Metreleptin verspricht nach ersten Erfahrungen einen guten therapeutischen Erfolg 5 6 7. Mehr dazu hier.
- Erworbene generalisierte Lipodystrophie (AGL): Diese als Lawrence-Syndrom bekannte Lipodystrophie ist ebenfalls mit einer Insulinresistenz, Diabetes mellitus, erhöhten Blutfetten (Hypertriglyceridämie), einem Leptinmangel und mit einem Mangel an Adiponectin verbunden. Die Diagnose wird meist in der Jugend gestellt. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. Als Ursachen werden in 25 % eine Pannikulitis (Hautentzündung), in 25 % Autoimmunmechanismen und in 50 % keine Auslöser gefunden. Gelegentlich wird eine Assoziation mit anderen Autoimmunkrankheiten gefunden 8 9
- HIV-assoziierte Lipodystrophie: Bei einer unter intensiver Therapie stehenden HIV-Erkrankung wird gelegentlich ein generalisierter Abbau von Fettgewebe beobachtet (HAART-assoziiertes Lipodystrophie-Syndrom). 10
Lokalisierte Formen
Partielle Lipodystrophien haben mit 1 Fall auf 7000 eine höhere Prävalenz als bisher angenommen 11.
- Familiäre partielle Lipodystrophie: Sie ist der häufigste Typ der insgesamt seltenen partiellen Form und wird als Dunnigan-Varietät (FPLD Typ 2) bezeichnet. Zugrunde liegt eine LMNA-Genvatiante auf Chromosom 1q21-22, die autosomal dominant vererbt wird 2. Typisch ist der Fettverlust der Haut an den Extremitäten, wodurch die Muskulatur besonders hervorsticht; Frauen sind schwerer betroffen als Männer; die Betroffenen erscheinen besonders muskulös. Andere Körperregionen, wie Gesicht, Kinn, Nacken und innerer Bauchraum sind dagegen fettreich 12.
- Autoimmun bedingte Lipodystrophie: Autoimmunmechanismen werden bei der „acquired partial lipodystrophy“ (APL) (Barraquer-Simons-Syndrom) und beim AGL-Lawrence-Syndrom angenommen 13.
- Erworbene lokalisierte Formen: Eine Lipodystrophie findet sich gelegentlich als Auswirkung von
- einer lokalen Medikamentenapplikation, so nach Behandlung mit Kortikosteroiden (vor allem Kortisonpräparate als Kristallsuspension) 14 15 oder nach einer Gentamycin-Injektion 16 Behandlungserfolge werden mit lokaler intraläsionaler Injektion einer Salzlösungberichtet (zur Auflösung und Verbesserung des Abtransports der dort verbliebenen Kortikoids, speziell von Kortikoidkristallen) 17 18
Therapie
Zur Behandlung der Lipodystrophie kommen verschiedene Maßnahmen in Betracht; sie werden bei der Beschreibung der einzelnen Typen (s. o.) bereits angegeben. Grundlegend sind bei der Feststellung einer Insulinresistenz und eines Diabetes mellitus sowie einer Fettstoffwechselstörung angemessene diätetische Maßnahmen (fettarme und zuckerarme Kost, medikamentöse Behandlung je nach Schweregrad). Bei Nachweis eines Leptinmangels kommt Metreleptin als wirksame Option hinzu. 22 Als Vorbedingung für eine Metreleptin-Therapie wurde in einer Studie ein Leptin-Wert unter 8 ng/mL für männliche Personen oder unter 12 ng/mL für weibliche Personen angesetzt 23.
Lipodystropie und Schwangerschaft
Einzelfallbericht: Ein Bericht über eine Schwangerschaft bei erworbener partieller Lipodystrophie (Dunnigan-Lipodystrophie) im Zusammenhang mit einer allogenen Knochenmarktransplantation im Kindesalter (wegen einer lymphozytischen Leukämie, in deren Verlauf vorübergehend eine Linksherzinsuffizienz aufgetreten war) zeigt die Notwendigkeit einer häufigen Leptin-Kontrolle. Der Leptinspiegels zeigte einen progressiven Anstieg mit einem Maximum im dritten Trimester (41,53 ng/ml). Nach der Geburt (eine Frühgeburt) kam es zu einem schnellen Rückgang mit einem erniedrigen Basalspiegel. In der 33. Schwangerschaftswoche entwickelte die Patientin ein akutes Lungenödem, wodurch ein Kaiserschnitt erforderlich wurde. Während der Geburt traten Herzkomplikationen bei der Mutter ein. Es wurde vermutet, dass der Anstieg des Leptinspiegels im mütterlichen Blut fötalen oder plazentaren Ursprungs war. 24
Komplikationsträchtigkeit: Eine andere Publikation weist auf eine hohe Häufigkeit fetaler Komplikationen bei Frauen mit Dunnigan-Lipodystrophie (FPLD2) hin. Es wird auf die Bedeutung wirksamer Verhütungsstrategien hingewiesen, um es zu ermöglichen, Schwangerschaften zu optimalen Zeitpunkten zu planen. 2
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Verweise
Referenzen
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