Das Komplementsystem besteht aus einer Reihe kleiner Proteine im Blut, die dem Abwehrsystem des Körpers zugehören und helfen, ihn vor Krankheiten zu schützen. Sie bereiten Krankheitserreger für einen Angriff des Abwehrsystems vor.
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Inhaltsverzeichnis
Funktionen
Proteine des Komplementsystems werden in der Leber und in Immun- und Entzündungszellen gebildet und ins Blut abgegeben. Die Komplementbildung steht unter der Kontrolle von Komplement-Kontrollproteinen. Einige von ihnen befinden sich auch auf Körperzellen und verhindern einen pathologischen Komplementangriff.
Im Blut koppeln Komplementfaktoren unspezifisch an Krankheitserreger und machen sie so für Phagozyten und Immunzellen erkennbar und angreifbar. Auch greifen sie direkt Bakterien an und bewirken ihre Zerstörung. Eine weitere Funktion betrifft den Abraum von durch Apoptose zugrunde gegangenen körpereigenen Zellen. Ein Komplementfaktor scheint einen Selbstangriff des Immunsystems verhindern zu helfen.
Ein Komplementmangel erhöht das Risiko bakterieller Infektionen. Ein Mangel an bestimmten Komplementfaktoren (C1q und C4) erhöht das Risiko eines Lupus erythematodes wesentlich.
Im Folgenden seien einige besonders wichtige Aspekte des Komplementsystems hervorgehoben, der Membrane Attack Complex (MAC), C1q, C3 und der C1-Esterase-Inhibitor:
Membrane Attack Complex (MAC)
Bestandteile des Komplementsystems sind die Komplementfaktoren C1 bis C9, die in unterschiedlicher Weise modifiziert werden und sich zusammenlagern können. Zusammenlagerungsprodukte sind beispielsweise Anaphylatoxine und der „Membrane Attack Complex“ (MAC). MAC ist das Ergebnis einer Aktivierung der Komplementkaskade, an der C5b, C6, C7, C8 und polymeres C9 beteiligt sind. Es greift die Membranen von Bakterien an und fügt Kanäle ein, und es kommt zur osmotischen Bakteriolyse. Auf diese Weise trägt MAC zur direkten Zerstörung von Bakterien im Blut bei (1)Mol Immunol. 2015 Jun;65(2):328-35.
Die MAC-Konzentration im Blut steigt mit dem Alter an und ebenso bei der altersbedingten Makuladegeneration des Auges (2)Am J Pathol. 2014 Nov;184(11):3142-53.
C1q
Das Komplement C1q ist eine Untereinheit des C1-Komplexes und fungiert als Erkennungsmolekül auf Monozyten und B-Lymphozyten (3)Front Immunol. 2015 Jun 29;6:317. doi: 10.3389/fimmu.2015.00317. Es besitzt die Fähigkeit, über verschiedenartige Muster von Liganden an Strukturen auf Zelloberflächen und Bakterien zu binden. Unter anderem bindet es auch an Immunglobulin G (IgG) und M (IgM), CRP, HIV-1 und andere Viren (4)Immunol Lett. 2004 Sep; 95(2):113-28. Auf diese Weise können Makrophagen sowohl Bakterien und Viren als auch Immunkomplexe im Blut erkennen, binden und phagozytieren, ebenso Detritus, der bei der Apoptose körpereigener Zellen anfällt. Die C1q-Funktion bei B-Zellen scheint mit der physiologischen Unterdrückung autoimmuner Angriffe in Verbindung zu stehen (5)Front Immunol. 2015 Jun 29;6:317. doi: 10.3389/fimmu.2015.00317.
Ist die Klärungsfunktion der Makrophagen bezüglich der Apoptoseprodukte auf Grund eines C1q-Mangels gestört, kann es zu einer autoimmunen Sensibilisierung kommen. Dies kann erklären, dass ein Mangel an C1q nicht nur das Risiko von Infektionen erhöht (6)Front Immunol. 2012 Mar 5;3:38. doi: 10.3389/fimmu.2012.00038, wie das einer Meningitis oder einer Pneumonie, sondern auch das eines Lupus erythematodes (LE). Der seltene angeborene C1q-Mangel ist zu 90% mit dem LE assoziiert (7)Front Immunol. 2015 Jun 29;6:317. doi: 10.3389/fimmu.2015.00317.
C1q gelangt von Entzündungsarealen ins Blut, gebunden in einem C1-Komplex, und dient auch hier als Erkennungsmolekül, das in der klassischen Komplement-Kaskade eine Startfunktion übernimmt und zum MAC (s. o.) führt, der direkt antibakteriell wirkt (s. o.).
C1q beeinflusst die Krebsentwicklung und die Alterungsprozesse im Körper (8)Front Immunol. 2015 Jun 29;6:317. doi: 10.3389/fimmu.2015.00317.
C3
Der Komplementfaktor C3 ist Ausgangspunkt für die Aktivierung der Komplementkaskade. Bei der Aktivierung von C3 durch eine C3-Konvertase entstehen die Spaltprodukte C3a und C3b, die wiederum nachfolgende kaskadenartige Reaktionen initiieren. C3a stimuliert Entzündungsreaktionen. C3a (und C5a) bewirken an Mastzellen eine Degranulation und Freisetzung von Histamin, das gefäßerweiternd wirkt und Juckreiz und eine Urtikaria auslösen kann. C3b bindet an Bakterien und ermöglicht ihre Phagozytose durch Makrophagen.
C1-Esterase-Inhibitor
Ein bedeutsamer Regulator und Inhibitor der Komplementkaskade ist der C1-Esterase-Inhibitor. Er trägt dazu bei, dass das Komplementsystem nicht spontan aktiviert wird. Ein Mangel an (Typ 1) oder eine Dysfunktion von (Typ 2) funktionsfähigem C1-Esterase-Inhibitor findet sich als Ursache des hereditären angioneurotischen Ödem. Zusammen mit einem Mangel an C3 und C4 tritt er bei Autoimmunkrankheiten auf, wie insbesondere dem Lupus erythematodes, das mit rezidivierenden Mund- und Gesichtsschwellungen auffällt. Ein subkutan injizierbarer C1-Inhibitor (CSL830, 2x pro Woche Selbstinjektionen) vermag es, die Anfallshäufigkeit der Angioödeme signifikant zu senken; die Ansprechrate lag bei 76% (9)N Engl J Med 2017; 376:1131-1140March 23, 2017 DOI: 10.1056/NEJMoa1613627.
Aktivierung des Komplementsystems
Das Komplementsystem kann auf 3 verschiedenen Wegen aktiviert werden (10)Nephrol Dial Transplant. 2013 Feb;28(2):282-8.
- Der klassische Weg wird durch Antikörper initiiert, die an Antigene binden.
- Der Lektin-Weg wird durch Lektine initiiert, die an Oberflächen von Bakterien binden.
Beide Wege führen über eine Kaskade zur Bildung von C3b.
- Der alternative Weg wird durch einen Enzymkomplex, der auch C3b beinhaltet, initiiert. Er stellt einen positiven Verstärkungsweg dar.
Im Endeffekt kommt es zur Bildung von C3a und C5a, die bei der Auslösung einer Entzündungsreaktion eine Rolle spielen, und des “Membrane-Attack-Komplexes” (C5b–9), der Bakterien lysiert (s. o.).
Immunkomplexkrankheiten
Bei verschiedenen Krankheiten bilden sich Immunkomplexe, die sich unter Vermittlung von Komplementfaktoren an verschiedenen Stellen im Körper ablagern und zu Krankheiten führen können. Die Immunkomplexnephritis ist ein Beispiel.
Der Lupus erythematodes ist besonders stark mit einer C1q- und C4-Verminderung sowie mit Anti-C1q-Antikörpern assoziiert (11)Immunobiology. 1998 Aug;199(2):265-85. (12)Front Immunol. 2015 Jun 29;6:317. doi: 10.3389/fimmu.2015.00317.
Immunkomplex-Vaskulitiden sind Entzündungen kleiner Blutgefäße durch Ablagerungen von Immunkomplexen. Ablagerungen ebenfalls von Komplement finden sich bei Kollagenosen (inkl. dem Lupus erythematodes), der Purpura Schönlein-Henoch, der essenziellen Kryoglobulinämie und der leukozytoklastischen Vaskulitis.
C3-Glomerulopathie
Die C3-Glomerulopathie ist eine Erkrankung der Nieren, bei der typischerweise C3-Ablagerungen in den Glomerula ohne Immunglobuline gefunden werden (13)Contrib Nephrol. 2013;181:185-93. Sie scheint eine genetische Grundlage zu haben und kann zur terminalen Niereninsuffizienz fortschreiten. Eculizumab ist eine Therapieoption (siehe hier).
Hämolytisch-urämisches Syndrom
Etwa 10% der Fälle mit hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) sind nicht durch eine bakterielle Infektion (z. B. mit Shiga-Toxin bildende Colibakterien und Shigellen) verursacht, sondern durch einen angeborenen Mangel an funktionsfähigem Faktor H. Faktor H, der in der Leber gebildet wird, bremst den alternativen Weg der Komplementkaskade (siehe hier), der zum bakterientötenden Membrane Attack Complex (MAC, s. o.) führt. Auch im Tierexperiment führt ein kompletter Faktor H-Mangel zu einer C3-Glomerulopathie und einer thrombotischen Mikroangiopathie, wie sie für ein HUS typisch sind (14)J Am Soc Nephrol. 2015 Sep 15. pii: ASN.2015030295. Eine Plasmapherese oder ein Plasmaaustausch vermögen, MAC zu entfernen und Faktor H zuzuführen, was bei einem HUS zu einer Besserung führen kann (siehe hier).
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Verweise
Literatur