Hepcidin ist eine hormonartige Verbindung, die im Eisenstoffwechsel des Körpers eine Schlüsselfunktion einnimmt. Es verhindert die Aufnahme von Eisen aus der Nahrung in den Körper. Bei Eisenmangel wird die Hepcidinbildung vermindert, sodass der Eisentransporter der Darmzellen (Ferroportin) wieder aktiver werden kann. So kann der Eisenspiegel nach einer Blutung rasch wieder ausgeglichen werden. Bei chronischen Infektionen dagegen kann Hepcidin vermehrt gebildet werden und dadurch zu der Entwicklung einer parainfektiösen Eisenmangelanämie beitragen. 1 2 Serum-Hepcidin ist (verglichen mit Serum-Ferritin) ein guter Prädiktor für eine Eisenüberladung 3.
Bedeutung im Eisenstoffwechsel
Hepcidin kommt eine zentrale Rolle im Eisenstoffwechsel und in Eisenspeicherkrankheiten (siehe unter Hämochromatose) zu 4 5. Es ist ein Oligopeptidhormon (25 Aminosäuren), welches in der Leber aus Prohepcidin gebildet wird, und welches die Aktivität von Ferroportin, dem Eisentransporter in den Zellmembranen verschiedener Zelltypen des Körpers herabsetzt. Es bewirkt seine Internalisierung und Degradierung.
Hepcidin fördert durch seine negative Wirkung auf den Eisentransporter die Eisensequestrierung im Körper. Es bewirkt, dass Körperzellen aufgenommenes Eisen nicht wieder ausschleusen können. Sie sammeln Eisen an. Betroffen sind vor allem die Enterozyten des Darms (Darmepithelzellen), die Leberzellen (Hepatozyten), Zellen der Milz und die Makrophagen. 6
Bei Eisenmangel (z. B. bei einer Blutungsanämie) wird die Synthese von Prohepcidin gehemmt 7, wodurch Ferroportin geringer inaktiviert wird (negative Rückkopplung) und damit mehr für die Eisenresorption zur Verfügung steht.
Eisenmobilisierung bei einer Anämie
Bei einer Anämie wird Erythropoetin (Epo) vermehrt in den Nieren gebildet. Epo fördert in den Vorstufen der Erythrozyten (Erythroblasten) die Bildung von Erythroferron. Dieses wiederum unterdrückt die Hepcidinsynthese in der Leber. Wenn weniger Hepcidin zur Verfügung steht, kann gespeichertes Eisen vermehrt mobilisiert werden. Über diesen Weg fördert damit Erythropoetin die Bildung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) und die Reifung der roter Blutkörperchen (Erythropoese). 8
Hepcidin als Marker für den Eisenspiegel
Bei einer Thalassämie (Erkrankung der Hämoglobin-Synthese, durch Transfusionen erworbene Eisenüberladung) kommt es nach der Behandlung mit einem Eisenchelator zur Veränderung des Ferritinspiegels. In einer Untersuchung sank er bei 44 Patienten (48,4 %) und stieg er bei 47 Patienten (51,6 %). Der Hepcidin-Serumspiegel sank dagegen bei allen Patienten (100 %) 9.
Wirkung am Darm
Hepcidin bindet an die Plasmamembranen der Mukosazellen der Dünndarmschleimhaut. Bindungspartner ist Ferroportin, welches an der basolateralen Seite der Zelle für den Austransport von Eisen in Richtung Blut verantwortlich ist. Durch die Bindung verliere die Zellen ihre Fähigkeit, Eisen ans Plasma (Transferrin) abzugeben.
Regulation
Die Hepcidin-Bildung wird durch Entzündungsmediatoren hochreguliert. Vermittelt wird dies durch Interleukin 6 (Il6) 10, ebenso wie durch Eisen selbst 11. Es wird dagegen gegenregulatorisch durch Eisenmangel herunterreguliert, ebenso durch eine ineffektive Erythropoese (Bildung roter Blutkörperchen) und durch Sauerstoffuntersättigung des Bluts (Hypoxie). Auch bei der chronischen Hepatitis C und vermehrtem Alkoholgenuss findet sich eine erniedrigte Hepcidin-Synthese, was die vermehrte Eisenakkumulation im Körper, speziell in der Leber erklärt 12. Hepcidin findet sich auch bei der Porphyria cutanea tarda erniedrigt. 2
Zusammengefasst können folgende Faktoren für eine verminderte Hepcidinbildung und damit für eine vermehrte Eisenspeicherung im Körper verantwortlich sein:
- chronische Entzündungen,
- chronische Hepatitis C,
- vermehrter Alkoholgenuss,
- Porphyria cutanea tarda.
Daneben gibt es einen seltenen genetischen Defekt der Hepcidinbildung (s.u.).
Genetischer Defekt
Ein genetischer Defekt der Bildung von Hepcidin führt zur Eisenüberladung des Körpers bereits in der Jugend (juvenile Hämochromatose, siehe hier). 13
Menschen mit Mutationen des HFE-Gens, von Hämojuvelin (HJV) und des Transferrinrezeptors 2 (TfR2) weisen niedrige Spiegel von Hepcidin auf.
Bakterizides Prinzip
Ursprünglich war Hepcidin als bakterizides Prinzip im Urin entdeckt worden. Möglicherweise reagieren manche Bakterien, deren Wachstum von Eisen abhängig ist, besonders empfindlich auf eine Erniedrigung des Eisenspiegels. In solchen Fällen wäre ein niedriger Eisenspiegel „schlecht“ für eine bakterielle Ausbreitung, jedoch „gut“ für die Körperabwehr. So könnte sich erklären, dass der Körper bei entzündlichen Prozesses sein verfügbares Eisen herunterreguliert, wie er es durch vermehrte Produktion von Hepcidin über den Effekt einer vermehrten Inaktivierung von Ferroportin tut (u. a. Eisensequestrierung in Makrophagen).
Hepcidin als therapeutischer Angriffspunkt
Folgende Ansätze werden verfolgt 2:
Senkung des Eisenspiegels: Es wird nach Medikamenten gesucht, die über einen hepcidinähnlichen Effekt (Hepcidinagonisten) helfen können, bei Krankheiten mit einer Eisenüberladung den Eisenspiegel zu senken. Ein Ansatz verfolgt ein „gene silencing“ von TMPRSS6 (ein negativer Regulator von Hepcidin).
SLN124: Es wurden „kurze, störende RNA“ (mer siRNA: SLN124) zur Behandlung von Eisenladeanämien (einschließlich Beta-Thalassämie und myelodysplastischen Syndromen) und myeloproliferativen Neoplasien (Polyzythämie vera) entwickelt, welche die endogene Hepcidinsynthese erhöhen. In einer Untersuchung an Menschen (Phase-1-Studie) führte SLN124 zu erhöhten Plasma-Hepcidin-Spiegeln, die etwa am 29. Tag ihren Höhepunkt erreichten. Es fand sich dosisabhängig eine anhaltende Verminderung der Plasma-Eisen- und Transferrinsättigung und eine verminderte Retikulozytenproduktion. Die Wirkungsdauer betrug bis zu 56 Tage nach einer Einzeldosis 14.
Rusfertid: Dies ist ein wirksames Peptid-Mimetikum von Hepcidin, das zur Behandlung der Polyzythämie vera entwickelt wurde. Eine Studie untersuchte den Effekt von Einzel- und wiederholten subkutanen Dosen bei gesunden erwachsenen Männern. Einzeldosen von 1 bis 80 mg wurden gut vertragen und führten zu einer dosisabhängigen Abnahme des Serumeisens und der Transferrin-Eisen-Sättigung 15.
Erhöhung des Eisenspiegels: Durch Hemmung der Hepcidinwirkung soll eine Behandlung von therapierefraktären Anämien ermöglicht werden. Ansätze beinhalten Antikörper gegen Hepcidin bzw. Ferroportin.
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Verweise
Referenzen
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- Trends Pharmacol Sci. 2014 Mar;35(3):155-61. doi: 10.1016/j.tips.2014.01.004. Epub 2014 Feb 17. PMID: 24552640; PMCID: PMC3978192.[↩][↩][↩]
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