Helicobacter pylori

Helicobacter pylori (H.p.) ist ein Bakterium, welches in der Magenschleimhaut entdeckt wurde und der häufigste Auslöser einer Gastritis ist. Es fördert die Entstehung einer peptischen Ulkuskrankheit, des Magenkarzinoms und des MALT-Lymphoms.


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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Der Keim: Helicobacter pylori ist als Magenkeim bekannt und für die Entstehung einer Magenschleimhautentzündung (Helicobacter-Gastritis) verantwortlich. Bakterielle Wirkstoffe fördern die Entstehung von bösartigen Tumoren (Magenkrebs und Magenlymphom). Vor allem die in Ostasien vorkommenden Helicobacter-Stämme erhöhen das Magenkrebsrisiko stark.

Infektion des Magens: Die Infektion erfolgt meist über infektiösen Stuhl (fekal-oral), aber auch durch Speichel (oral-oral). Einige Tage nach der Infektion kommt es meist zu heftiger Übelkeit und Brechreiz. Der Körper vermag nicht, die Infektion aus eigener Kraft zu beherrschen; ohne Behandlung verbleibt der Keim das gesamte Leben in der Magenschleimhaut. Einige Menschen werden im Laufe der Zeit symptomfrei, andere entwickeln ein dauerhaftes unspezifisches Missempfinden im Magen, eine „Dyspepsie“, andere wiederum Komplikationen, wie Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre.

Therapie: Wegen der Komplikationen und dem Magenkrebsrisiko wird in der Regel empfohlen, die Bakterien durch ein Gemisch aus Antibiotika und Säureblockern zu entfernen („eradizieren“) (siehe hier). Dazu ist ein sicherer Helicobacter-Nachweis erforderlich: am besten durch die Untersuchung einer Probe der Magenschleimhaut unter dem Mikroskop, die durch eine Magenspiegelung (Gastroskopie) gewonnen wird. Aber es gibt auch nicht invasive Nachweismethoden (s. u.).

Befall innerer Organe: Eine Helicobacter-Infektion wird gehäuft bei Krankheiten gefunden, die bisher nicht mit dem Keim in Zusammenhang gebracht wurden. Dazu gehören die Arteriosklerose, das Glaukom, die Prä-Eklapmsie und die Migräne. Auch chronische Leberkrankheiten und die chronische Gallenblasenentzündung sind gehäuft mit Helicobacter assoziiert. Es scheint sinnvoll, bei solchen Krankheiten nach einer Helicobacter-Infektion zu fahnden und sie konsequent zu behandeln.

Das Bakterium

Helicobacter pylori ist ein spiralförmiges, bewegliches, gramnegatives Bakterium mit 3-6 Flagellen an einem Pol der Zelle Bakterium. Es ist schwer kultivierbar und wächst langsam. Charakteristischerweise produziert es exorbitante Mengen an Urease, wodurch es indirekt im Schnelltest nachweisbar ist.

Entdeckung

Die Entdeckung des Magenkeims Helicobacter pylori ist noch recht jung. Erst 1983 wurde der Nachweis veröffentlicht, dass die in der Magenschleimhaut nachweisbaren Bazillen auch zu einer Gastritis führen und infektiös sind. Warren und Marshall haben hierfür den Nobelpreis erhalten. (Mehr zur Geschichte siehe hier)

Afrikanischer Ursprung der Helicobacter-Infektion

Die Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori begleitet den Menschen offenbar seit seinen afrikanischen Anfängen. Die Muster der geographischen Verteilung der verschiedenen genetisch unterschiedlichen Helicobacterstämme lassen sich durch die Wanderungs- und Siedlungsgeschichte des Menschen gut erklären. (1)Nature. 2007 February 22; 445(7130): 915–918

Epidemiologie

Der Mensch gilt als das einzige Reservoir für Helicobacter pylori. Es wird angenommen dass 50 – 75% der Weltbevölkerung mit Helicobacter pylori infiziert ist (2)World J Gastroenterol. 2015 Feb 28; 21(8):2522-33.

Die Prävalenz einer Helicobacter-Infektion ist abhängig von ethnischer Zugehörigkeit, sozioökonomischem Status und Alter, möglicherweise auch von genetischer Empfänglichkeit und von bakteriellen, speziesspezifischen Virulenzfaktoren.

Übertragungswege

Eine Übertragung erfolgt nach heutiger Meinung vor allem auf fekal-oralem, aber auch auf oral-oralem Weg. Infektiöse Bakterien sind sowohl im Stuhl als auch im Speichel nachweisbar. Oft finden sich Besiedlungen mit mehr als einem Helicobacter-Genotyp. (3)World J Gastroenterol. 2012 May 7;18(17):2105-11 Kinder sind für eine Infektion empfänglicher als Erwachsene, so dass die Infektion meist bereits in der Kindheit stattfindet.

Der Hauptrisikofaktor für eine Infektion ist ein niedriger sozioökonomischer Status (wahrscheinlich wegen mangelhafter Hygiene). Es werden zudem genetische Faktoren bezüglich einer Empfänglichkeit für eine Infektion diskutiert. Eine Infektion durch unzureichend gesäuberte Endoskope ist offenbar möglich, wenn auch sehr selten. (4)Langenberg W et al J Infect Dis 1990; 161: 507-511

Pathogenität von Helicobacter pylori

Die Pathogenität von Helicobacter pylori ist einerseits von der Empfänglichkeit des Wirts und andererseits von Virulenzfaktoren (Gefährlichkeit, Angriffslustigkeit) des Bakteriums abhängig.

Bakterielle Faktoren

Virulenzfaktoren: Die Hauptvirulenzfaktoren sind VacA und cagA. VacA ist ein multifunktionelles Toxin, welches zu Zelluntergängen der Magenschleimhaut führt und die T-Zell-Abwehr hemmt. (5)Nat Rev Microbiol. 2005 Apr;3(4):320-32 CagA (cytotoxin-associated gene A) greift an verschiedenen Signalwegen an und fördert die Krebsentstehung im Magen („bakterielles Onkoprotein“).

Helicobacterstämme in Ostasien produzieren unterscheiden sich bezüglich der Isoformen der beiden Faktoren von denen in anderen Teilen der Welt, was als Grund für die dort besonders hohe Magenkrebsrate angesehen wird. (6)PLoS One. 2013;8(1):e55120. doi: 10.1371/journal.pone.0055120

Urease: Helicobacter pylori produziert exzessive Mengen an Urease. Sie ist für eine Kolonisierung der Schleimhaut erforderlich, möglicherweise indem das durch Spaltung von Harnstoff entstehende Ammonium zur pH-Neutralisation im sauren Milieu benötigt wird. Die Ureasebildung wird diagnostisch ausgenutzt (s.u.).

Erhöhung des Gastrinspiegels: Eine Helicobacter pylori-Infektion führt zur Erhöhung des Gastrinspiegels um ca. 40% (7)Tarnasky PR et al. Dig Dis Sci 1993; 38: 1681-1697 und zu einer verstärkten Gastrinproduktion nach Mahlzeiten. Eine Eradikationstherapie führt zur Normalisierung der Nüchternwerte und postprandialen Werte für Gastrin und damit auch des BAO (basic acid outputs) und des PAO (peak acid output). Der Gewebetropismus von H.p. wird durch Adhäsionsfaktoren bewirkt.

Induktion der Bildung von Entzündungsmediatoren: Lokal werden durch die Toxine Leukozytentaxine freigesetzt, die zur Entzündung der Schleimhaut führen. Jede Infektion ruft eine akute Gastritis hervor. Sie geht in eine chronische Infektion über. Die chronische Helicobacter-pylori-Gastritis prädisponiert zu peptischen Ulzera sowie zum Magenkarzinom und B-Zell-Lymphom des Magens. Dabei spielen die Induktion einer Überexpression der Cyclooxigenase-2 und der induzierbaren NO-Synthase und damit die Bildung von exzessivem Prostaglandin E2 (PGE2) und Stickoxid (NO) eine entscheidende Rolle (8)World J Hepatol. 2015 Aug 28;7(18):2136-46.

Wirtsfaktoren

Die Reaktionsbereitschaft des Wirts bestimmt mit, wie ausgeprägt die durch Helicobacter ausgelöste Gastritis ausfällt und wie gut die Symptomatik überwunden werden kann und wie stark das Magenkrebsrisiko durch die Infektion erhöht ist. (9)Mutat Res. 2013 Sep 25. pii: S1383-5742(13)00071-9. doi: 10.1016/j.mrrev.2013.09.002


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Diagnostik einer Infektion mit Helicobacter pylori

Tests, die eine Biopsie (Probeexzisionen, PE) benötigen:

  • Direkter Helicobacter pylori-Nachweis im Biopsat (Goldstandard, von einigen Untersuchern werden 3 Biopsien gefordert); Färbung mit HE + Silber + Alcian Blau (Genta-Färbung).
  • Urease-Schnelltest; er beruht auf der pH-Erhöhung (und damit einem Farbumschlag) in einem Agar-Gelplättchen durch die Urease-Reaktion (Bildung von Ammonium und CO2 aus Harnstoff) im Biopsat. Antibiotika oder PPI (Protonenpumpenblocker) können den Test falsch negativ ausfallen lassen. Trotzdem liegt die Sensitivität über 90%, die Spezifität bei 100%.

Tests, die keine Biopsie benötigen:

  • Nachweis zirkulierender IgG-Antikörper über ELISA-Test (IgA- oder IgM-AK sind unzuverlässig). Der Test ist nützlich zur Erstfeststellung einer H.p.-Infektion, er kann keine Heilung (Eradikation) nachweisen. Allerdings kann ein Titerabfall, der Monate nach einer Eradikationstherapie nachweisbar sein kann, auf eine erfolgreiche Eradikation hinweisen.
  • Harnstoff-Atemtest; er reflektiert die aktuell durch die Urease gebildete CO2-Menge. Benötigt wird 13C-markierter Harnstoff und ein Massenspektrometer (aufwendige Methode); die Sensitivität ist um so geringer, je geringer die Ureaseaktivität ist. Sie liegt durchschnittlich bei 90%.
  • Stuhl-Antigen-Test
  • Endoskopischer Aspekt; er ist nur im Falle eines Ulkus prädiktiv auf einen H.p.-Befall der Schleimhaut.

Symptomatik einer Infektion mit Helicobacter pylori

Einige Tage nach der Erstinfektion kommt es meist zu einer akuten Gastritis mit Übelkeit, Brechreiz und Durchfall. Übelkeit und Völlegefühl können wochen- und monatelang anhalten. Aber auch eine völlige Normalisierung des Befindens ist möglich (siehe hier). Da Menschen mit einer funktionellen Dyspepsie gehäuft Helicobacter-positiv sind, wird auch sie meist als Indikation für eine Therapie (Helicobacter-Eradikation) angesehen.

Einfluss von Helicobacter pylori auf den Körper

Das Bakterium siedelt sich lokal in der Schleimhaut des Magens an und gelangt i.d.R. nicht in die Blutbahn. Jedoch können Zytokine für Fernwirkungen sorgen, so auch für Auswirkungen auf Entzündungsreaktionen und den Stoffwechsel.

In manchen Menschen führt eine Helicobacter-Infektion zu einem Anstieg des LDL und damit des Arteriosklerose-Risikos. Auch soll sie zu einer peripheren Insulinresistenz beitragen können (10)World J Gastroenterol. 2014 May 14;20(18):5226-34.

Assoziation mit Magenkrebs

Ein Befall der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori ist ein Risikofaktor für das Magenkarzinom sowie für das hochsitzende Karzinom am ösophagogastralen Übergang. Das Bakterium wurde von der WHO als Klasse-1-Karzinogen eingestuft (11)IARC Monogr Eval Carcinog Risks Hum. 1994; 61():177-240. Das relative Risiko für das Magenkarzinom steigt durch Helicobacter  2,8-fach (12)Cancer Causes Control. 2011 Mar; 22(3):375-87.

Assoziation mit anderen Krankheiten

Inzwischen wird es als möglich oder wahrscheinlich angesehen, dass Helicobacter pylori nicht nur eine Gastritis und ein Magenkarzinom hervorrufen kann, sondern dass der Keim auch mit anderen Krankheiten assoziiert ist, so mit

  • der Arteriosklerose, (13)He C. J Atheroscler Thromb. 2014
  • einem Glaukom, (14)Glob J Health Sci. 2014 Sep 18;6(7 Spec No):38263
  • der Migräne, (15)World J Gastroenterol. 2014 Oct 28;20(40):14965-72
  • der Präeklampsie (16)Front Immunol. 2014 Oct 9;5:484 der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP) (17)World J Gastroenterol. 2014 Jan 21;20(3):714-23,

Wird bei solchen Krankheiten nach Helicobacter gefahndet und ein positiver Befund im Magen erhoben, so ist eine Eradikation sehr wahrscheinlich sinnvoll. Die ITP gilt inzwischen als sichere Therapie-Indikation in vielen Leitlinien (18)S2k-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit der DGVS 2016.

Helicobacter-Vorkommen außerhalb des Magens

Helicobacter-Spezies werden auch außerhalb des Magens gefunden (19) 2015 Dec 28;7(30):2968-79. doi: 10.4254/wjh.v7.i30.2968., so gehäuft in Proben

  • einer chronischen Cholezystitis (20) 2017 Dec 20. doi: 10.1111/hel.12457.,
  • eines Cholangiokarzinoms (21) 2016;17(1):37-44.
  • eines primären Leberkarzinoms (22) 2000 Oct 1;89(7):1431-9.,
  • einer Leberzirrhose (in etwa 50%! – häufiger in einer Zirrhose durch Hepatitisviren als durch Alkohol) (23) 2017 Oct;29(10):1161-1165. doi: 10.1097/MEG.0000000000000928.

Bei chronischen Leberkrankheiten wird es daher sinnvoll sein, bereits in frühen Stadien nach Helicobacter zu suchen und den Keim konsequent zu eradizieren, wie es auch für die Vermeidung eines erhöhten Arterioskleroserisikos empfohlen wurde (24) 2014;21(12):1229-42..

Therapie: Eradikation

Die Eradikation von H pylori wird (u. a. laut „Maastricht III Consensus“ (25)Gut. 2007 Jun;56(6):772-81 und Leitlinie der DGVS (26)S2k-Leitlinie “Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit”, 2016 bei folgenden Bedingungen empfohlen:

Eradikations-Regime

Die Eradikation von Helicobacter pylori erfordert eine Kombination von Antibiotika und Protonenpumpenblocker (PPI). Übliche Antibiotika sind Amoxicillin, Tetracycline, Metronidazol und Clarithromycin. Eine übliche Tripeltherapie besteht aus 2×20 mg Omeprazol, 2×500 mg Clarithromycin und 2×400 mg Metronidazol über 7 bis 10 Tage. Allerdings weisen die Bakterien eine zunehmende Resistenz gegen bisher wirksame Antibiotika auf, so dass immer wieder neue Kombinationen empfohlen werden, auch wieder solche, die, wie ursprünglich, Wismutsalze enthalten (siehe hier). (Dosierung nicht ungeprüft übernehmen!)

Es wird empfohlen, die Eradikation so früh wie möglich zu beginnen, da ein Fortschreiten der Gastritis zur Entstehung einer Schleimhautatrophie und zu intestinalen Metaplasien führt, die beide selbst nach Eradikation von Helicobacter ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko bedeuten. (27)Scand J Gastroenterol. 2013 Nov;48(11):1249-56

Mehr zur Helicobacter-Eradikation siehe hier.

Resistenzentwicklung

Die Ansprechrate bei Therapie-Regimen mit Clarithromycin und Amoxicillin oder Metronidazol ist wegen Resistenzentwicklung (bis zu über 90%) auf inzwischen etwa 80% gesunken. Dies ist hauptsächlich auf eine zunehmende Resistenz Clarithromycin gegenüber zurückzuführen, die wiederum dem zunehmenden Einsatz bei Atemwegs- und Lungenkrankheiten zugeschrieben wird. (28)Recent Patents Anti-Infect Drug Disc. 2007 Nov;2(3):197-205 Wegen der zunhemenden Clarithromycin-Reistenz ist inzwischen die Metronidazol-basierte Tripeltherapie etwas wirkungsvoller geworden (29) 2017;93 Suppl 1:15-19. doi: 10.1159/000481224. In Fällen einer Resistenz scheint eine Bismuth-enthaltende Quadrupeltherapie am erfolgversprechendsten (30) 2017 Dec 20. doi: 10.1007/s10620-017-4880-8..

Eradikation und Gewichtsentwicklung

Durch die Eradikation kommt es zu einem Anstieg der Ghrelin-Produktion in der Magenschleimhaut, was einen Gewichtsanstieg zur Folge haben kann (siehe auch unter Adipositas). (31)Curr Opin Clin Nutr Metab Care. 2009 Sep;12(5):522-5

Perspektive: Impfung gegen Helicobacter pylori?

Versuche zur Prophylaxe und Therapie einer Helicobacter-Infektion durch Impfung mit verschiedenen Antigenen und Adjuvanzien hat an Versuchstieren lediglich zu einer Reduktion der Kolonisierung der Magenschleimhaut geführt, kaum jedoch zu einer „sterilisierenden“ Immunität. (32)Helicobacter. 2011 Sep;16 Suppl 1:26-32


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Verweise

 

Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)

Literatur[+]