Therapie von Leberkrebs

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Die Therapie von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC) richtet sich nach seiner Ausdehnung, Lokalisation, Metastasierung und nach Art und Stadium der Lebergrunderkrankung. Es sind erhebliche Fortschritte erzielt worden.

Therapieoptionen

Interventionelle Therapieansätze sind hauptsächlich folgende:

  • Operative Resektion
  • Lebertransplantation (LTX)
    • Lebertransplantation bei Leberkrebs (HCC)
  • Embolisation durch Kathetertechnik (selektive Angiographie),
  • Alkoholinjektion (PEI) bzw. Kombination PEI-TACE
  • Radiofrequenzablation
  • SIRT („Selective Internal Radiation Therapy“)

Eine effektive Behandlung der zugrunde liegenden Leberkrankheit (vor allem einer chronischen Hepatitis und einer Hämochromatose) senkt das HCC-Risiko. Patienten mit milder Leberfibrose (F2) auf dem Boden einer Hepatitis C scheinen zu profitieren, nicht oder kaum dagegen Patienten mit einer bereits vorliegenden Leberzirrhose. 1

Die medikamentöse Behandlung des HCC in nicht heilbaren Stadien war lange Zeit kaum erfolgversprechend. Vor einigen Jahren haben die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) und neuen Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs) wesentliche Fortschritte gebracht. Jetzt sind insbesondere die Kombinationstherapien (Multi-ICIs oder die Kombination von ICIs mit antiangiogenen Medikamenten) neue erfolgversprechende Strategien. 2

Leberkrebs – einfach erklärt

Operative Therapie

Eine Leberteilresektion ist beim HCC in einer nicht zirrhotischen Leber die Therapie der Wahl.

Beim HCC in einer zirrhotischen Leber muss abgeschätzt werden, ob eine Resektion eine noch ausreichend funktionsfähige Restleber übrig lassen kann. Wenn dies als nicht wahrscheinlich angesehen wird (z. B. bei Leberzirrhose Child B oder C), kommt eine Lebertransplantation (LTX) in Frage. Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach LTX wegen HCC ist abhängig von der Tumorgröße (Überleben nach 1, 3, 5 Jahren bei einer Tumorgröße von > 5 cm etwa 70 %, 40 %, 30 %). 3 Nach LTX treten in 20% Rezidive auf, nach Teilresektion in >80%. 4 Eine deutlich verminderte Prognose nach Transplantation liegt vor, wenn vorher AFP-Werte über 1000 ng/ml gemessen worden waren. Dies war mit einer mikrovaskulären Invasion und Entdifferenzierung des Tumors verbunden. Besonders hohe präoperative AFP-Werte verschlechtern damit die postoperative Prognose. 5

Bei nicht operablen Tumoren kann die Möglichkeiten einer Embolisation oder (neuerdings in mehreren Sitzungen bevorzugt) einer Alkoholinjektion diskutiert werden.

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Therapie nicht kurativ behandelbarer Tumore

Großer Lebertumor (Ultraschallbild). Histologisch Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).

Für nicht kurativ behandelbare HCC kommen verschiedene therapeutische Verfahren in Betracht. Zur derzeitigen Standardtherapie gehören Sorafenib und eine transarterielle Chemoembolisation. 6 7

PEI

Bei der perkutanen Ethanolinjektion (PEI) werden durch eine dünne Nadel (22-G-Nadel) ultraschallgezielt 2 – 10 ml 96 % Ethanol pro Sitzung in der Herd injiziert. Die Sitzungen werden je nach Erfolg wiederholt. Der Erfolg wird durch bildgebende Verfahren (z.B. Angio-CT, Ultraschall mit Kontrastmittel, Ultraschallangiographie) und durch Biopsie kontrolliert. Die PEI führt zu einer Verbesserung der Lebenserwartung bei Child-A- und Child-B-Patienten. Besonders effektiv können kleine HCCs behandelt werden. Patienten mit solitären Knoten unter 3 cm Durchmesser können mit einem 5-Jahresüberleben von etwa 60% rechnen. 8 Bei kleinen Tumoren ist die Vaskularisierung ein wichtiger Prädiktor für das Überleben nach PEI. 9 Hypervaskularisierte Tumore kommen für eine zusätzliche Behandlung mit TACE (s.u.) in Frage.

One-Shot-PEI (Single-Session-PEI)

Für ein großes hepatozelluläres Karzinom (> 5 cm) benötigt man eine große Äthanolmenge. Sie ist in der Regel nur in Allgemeinnarkose applizierbar. Die Erfolge sind jedoch hinsichtlich Überleben und Rezidive gut (5-Jahresüberlebensrate an die 60 %). 10 Die Komplikationsrate ist jedoch ebenfalls relativ hoch (u.a. ca. 2% latale Ausgänge). Die Anwendung der One-shot-PEI auf Knoten < 5cm Durchmesser zeigt Ergebnisse, die denen der herkömmlichen Multiple-Session-PEI überlegen zu sein scheinen (4-Jahrensüberlebensrate 82%). 11

Transarterielle Chemoembolisation (TACE)

Für ein hepatozelluläres Karzinom gab es früher kaum effektive Behandlungsmöglichkeiten. Die Entwicklung einer Kathetertechnik zur gezielten Abtötung von Tumorbereichen hat eine große Bereicherung gebracht.  Die transarterielle Chemoembolisation (TACE) wird dann in Erwägung gezogen, wenn eine Resektion nicht durchführbar ist oder eine PEI wegen ungünstiger Lokalisation (Nähe zu großen Gefäßen oder zur subphrenischen Leberkapsel, multiple Herde) oder Größe nicht in Frage kommt. Es wird meist ein Zytostatikum (Epirubicin, Carboplatin o.ä.) mit Lipiodol gemischt injiziert und nachfolgend das arterielle Gefäß (superselektive Katheterisierung) mit Gelatineschwamm verschlossen. Das Chemotherapeutikum wird dadurch nur verzögert ausgewaschen. Kontraindikation ist eine fortgeschrittene Leberzirrhose (Child C). Eine vollständige Tumornekrose ist wegen der zusätzlichen Blutversorgung durch die Pfortader nicht erreichbar.

Studien zum Vergleich einer TACE mit einer Leberresektion zeigen einen leichten Vorteil der Resektion, obwohl die Komplikationen des Eingriffs bei einer Resektion höher sind. 12 13

TACE-PEI-Kombination

Für ein hepatozelluläres Karzinom bringt die Kombination von TACE und PEI eine deutliche Verbesserung des Überlebens 14 bzw. des Wiederautretens lokaler und auch entfernter HCC´s. 15 Es profitieren davon besonders Patienten mit kleinen Tumoren. Eine TACE-PEI-Vorbehandlung vor geplanter Lebertransplantation (LTX) scheint sich positiv auf das rezidivfreie Überleben nach LTX auszuwirken. 16

Radiofrequenzablation (RFA)

Kleine Herde werden durch RF-Thermoablation sehr gut zerstört. Dabei wird unter sonographischer Sicht eine Sonde mit ausfahrbarer Spitze eingeführt, die über einen 500-kHz-RF-Generator lokal Hitze und damit eine Nekrose mit einem Durchmesser von etwa 2,5 cm erzeugt. Eine komplette Nekrose kann in 90% der Fälle erreicht werden (vs. 80% nach Äthanolinjektion). 17

TACE-RFA-Kombination

Auch die Kombination von TACE mit RFA ist den einzelnen Methoden überlegen. Das 3-Jahresüberleben war in der Kombinationsgruppe deutlich höher als in der TACE- und in der RFA-Gruppe (45 % vs. 26,5 % bzw. 27,9 %) 18.

Medikamentöse Therapie

Für ein hepatozelluläres Karzinom gab es bisher keine effektive Chemotherapie. Interferon alpha schien eine Therapiemöglichkeit darzustellen. Rationale Grundlage könnte der wachstumshemmende Effekt von Interferon sein, der an HCC-Zell-Linien festgestellt wurde. 19 20 Heute wird diese Option kaum noch genutzt, da es mit Tyrosinkinasehemmern, wie Sorafenib oder Cabozantinib, und vor allem mit Immun-Checkpointinhibitoren, wie Pembrolizumab oder Nivolumab, und ihren Kombinationen deutlich effektivere Alternativen gibt. Auch Antikörper gegen „cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4“ (CTLA4), wie Tremelimumab und Ipilimumab zeigen bemerkenswerte Wirksamkeit.

  • Sorafenib ist ein Tyrosinkinaseinhibitor, der beim HCC Wirksamkeit bewiesen hat. Studien zeigen für Sorafenib (400 mg 2x täglich 21 22) eine angiostatische und wachstumshemmende Wirkung, was selbst in fortgeschrittenen Stadien eine Verlängerung des Überlebens (von 7,9 auf 10,7 Monate) bewirkte 23 24. Sorafenib gilt inzwischen als Standardtherapie in fortgeschrittenen Stadien.
  • Cabozantinib, ebenfalls ein Tyrosinkinasehemmer, führt im Fall einer Sorafenib-Resistenz laut einer Studie zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (ohne Fortschreiten der Erkrankung), von 1,9 auf 5,2 Monate. 25
  • Laut Tierversuchen kann eine Resistenz von Sorafenib auch durch Kombination mit Valproinsäure überwunden werden 26 (siehe hier).
    • Auch andere Thyrosinkinasehemmer wie Erlotinib (EGF-Rezeptor) oder Sunitinib (c-KIT, VEGF- und PDGF-Rezeptor) und Antikörper wie Bevacizumab (Anti-VEGF) oder Cetuximab (Anti-EGF-Rezeptor) haben in Studien Wirksamkeit gezeigt. 22 27
  • Die Kombination Atezolizumab (Anti-PD-L1)/Bevacicumab (Antiangiogenese) gilt (Stand 2022) vielfach als die erste Wahl für die HCC-Erstbehandlung. Atezo/Bev beeinträchtigt die Leberfunktion nicht Wenn unter Atezo/Bev das HCC fortschreitet, wird eine Kombinationstherapie mit Durvalumab (Anti-PD-L1) und Tremelimumab (Anti-CTLA4) favorisiert. 28

Tamoxifen

Bei großen Tumoren versprach man sich vor wenigen Jahren am meisten von einer Tamoxifentherapie (10-60 mg/d), von der man annahm, dass sie in einigen Fällen zu einer Verzögerung führen könnte (möglicherweise unabhängig von den Anwesenheit von Östrogenrezeptoren). Eine große Studie hat jedoch keine positive Wirkung auf das Überleben zeigen können. 29 Heute wird Tamoxifen nicht mehr empfohlen.

Immuntherapie des HCC

Immuncheckpoint-Inhibitoren: Eine neue Option für die Behandlung des fortgeschrittenen HCC stellen Immuncheckpoint-Inhibitoren dar. Die Antikörper Nivolumab und Pembolizumab, beides PD-1-Blocker (Hemmer einer Immunantwort des Körpers), sind monoklonale Antikörper gegen den inhibitorischen T-Zell-Rezeptor PD-1 (programmed cell death protein-1, siehe hier). Für Nivolumab wurde eine nicht unbedeutende Nebenwirkungsrate registriert, die aber als akzeptabel eingeordnet wurde. Es traten einige Fälle von Leberschädigung, Pemphigoid und Nebenniereninsuffizienz auf. Ein objektives Ansprechen wurde in 20 % (bei kleiner Patientenzahl) festgestellt. 30 Inzwischen sind weitere PD-1-Blocker entwickelt worden.

Es werden individuelle Faktoren gesucht, die ein Ansprechen der Immuncheckpoint-Inhibitoren  fördern bzw. hemmen und für Nebenwirkungen verantwortlich sind. Auf diese Weise werden wirkungsvolle Kombinationstherapien gesucht. 31

Eine Doppelblockade von PD-L1 durch Atezolizumab (anti-PD-L1) und VEGF (epithelialer Wachstumsfaktor) durch Bevacizumab (anti-VEGF) erbrachte in einer Studie an nicht resektablen HCC-Patienten während einer relativ kurzen Beobachtungszeit einen leichten Überlebensvorteil von etwa 3 Monaten gegenüber der Atezulizumab-Gruppe. 32

Eine Doppelblockade durch Anti-PD-L1-Antikörper und Anti-CTLA4-Antikörper kommt als Zweittherapie nach Therapieversagen der bisherigen Standardtherapie infrage. 33 2

Eine Metaanalyse verglich die Wirksamkeit und Sicherheit von Atezolizumab plus Bevacizumab versus den Tyrosinkinasehemmer Lenvatinib. Das progressionsfreie Überleben war im A- plus B-Arm signifikant verbessert (MD: -4,96). 34

Atezolizumab in Kombination mit Bevacizumab und transarterieller Chemoembolisation kann laut Berichten zu einer signifikanten Tumorverkleinerung führen. 35


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Verweise

Referenzen

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