Feinstaub gefährdet die Gesundheit. Er entfaltet Sofort- und Langzeitwirkungen. Dies ist schon lange bekannt. Überall auf der Welt besteht jedoch ein erheblicher Mangel an Kompetenz bezüglich Umweltgesundheit 1. Diese Gesundheitsgefährdung politisch in den Griff zu bekommen, ist ein langwieriger Prozess.
Definition von Feinstaub
Als Feinstaub (airborne particulate matter (PM)) werden Schwebepartikel mit einem Durchmesser im µm-Bereich bezeichnet, die durch Einatmung in die Lungenbläschen (Alveolen) und in den Körper gelangen und dort Krankheiten verursachen und verstärken können 2.
→ Allgemeines zu Feinstaub siehe hier.
Einfluss der Teilchengröße
Die biologische Wirksamkeit der eingeatmeten Teilchen hängt von folgenden Faktoren ab:
- von ihrer Größe und Oberfläche: je kleiner die Partikel, desto gefährlicher der Feinstaub. 3 Eine Teilchengröße unter 2,5 μm ist besonders schädlich.
- von ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften (z. B. transportierte biologisch aktive Substanzen, Metalle mit Redox-Potential).
Biologische Wirkungen
Feinstaub transportiert je nach Herkunft verschiedene biologisch aktive Substanzen, so beispielsweise Metalle, organische Verbindungen, inklusive Allergene und andere Substanzen biologischen Ursprungs, Minerale, reaktive Gase und Radikale.
Feinstaubpartikel können als Partikel und über die mit ihnen transportierten Stoffe folgende Wirkungen entfalten:
- Lipidperoxidation: die Fettzusammensetzung biologischer Membranen und zirkulierender Blutfette wird verändert (oxLDL, das von Makrophagen aufgenommen wird),
- Zytotoxizität: die Zellen werden geschädigt,
- kardiovaskuläre Toxizität: Förderung von Komplikationen der Arterioklerose und Koronarsklerose 6.
- Induktion von Entzündungen: in Organen und Geweben wird die Entzündungsbereitschaft erhöht.
- beschleunigte Zellalterung 6.
- Verminderung des Geburtsgewichts schon bei relativ geringen Mengen an Feinstaub (PM2,5) 7.
In Städten kommt Feinstaub meist überwiegend durch den Straßenverkehr, auf dem Lande durch Landwirtschaft und natürliche Quellen zustande.
- In einer brasilianischen Studie von Feinstaub in der Nähe großer Straßen wurden polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, inkl. Benzpyrene, identifiziert, die an einem Bakterienmodell mutagen wirkten (d. h. Mutationen = Erbgutveränderungen auslösen) 8.
- Eine Studie befasst sich mit Atem- und Herz-Kreislauf-Reaktionen beim Betreten einer verkehrsbelasteten Straße (Oxford Street) im Vergleich zu einem Fußgängerbereich (Hyde Park). Teilnehmer ab 60 Jahren mit chronischen Lungen- oder Herzerkrankungen reagierten im Vergleich mit altersentsprechenden gesunden Kontrollpersonen mit deutlich mehr Symptomen. Menschen mit COPD reagierten mit mehr Husten (OR 1,95), Sputumproduktion (OR 3,15), Keuchen (OR 4,0) und Kurzatmigkeit (Dyspnoe) (OR 1,86). Durch den Hyde-Park spazieren dagegen bewirkte eine messbare Verbesserung der Lungenfunktion. Neben einer hohen Belastung mit NO waren auch ultrafeine Feinstaubpartikel (PM2.5) damit assoziiert. Verantwortlich dafür sind Dieselabgase, Reifenabrieb und Bremsen. 9.
Ursachen erhöhter Feinstaubbelastung
Feinstaub, der von Rauchen, Verkehr, Industrie und Haushalt ausgeht, belastet die Gesundheit erheblich. Natürliche Quellen für Feinstaub spielen in Städten eine geringere Rolle, dagegen überwiegen sie in der Landwirtschaft.
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Auswirkung auf Lungen und Atemwege
Durch Feinstaub wird das Flimmerepithel der Bronchien geschädigt. Es entwickelt sich eine chronische Entzündung, die umso leichter auftritt, je mehr die Schleimhaut vorgeschädigt und die Selbstreinigung der Schleimhaut behindert ist. Dies ist beispielsweise bei einer chronischen Bronchitis der Fall. Je nach Veranlagung können durch Feinstaubinhalation akut asthmatische Reaktionen mit Atemnot entstehen.
Bronchitis: Feinstaub mit einer Partikelgröße unter 10 µm ist besonders schädlich. Je kleiner die Partikelgröße ist, desto größer ist die Eindringtiefe ins Bronchialsystem. Die Endothelbarriere der Lungen wird lokal zerstört. Die ausgelösten Entzündungsreaktionen werden durch oxidativem Stress verursacht, wobei vermehrt gebildete proinflammatorische Zytokine eine vermittelnde Rolle spielen. Sie führen dazu, dass Entzündungszellen in die Bronchialwandung einwandern, um die Fremdstoffe zu eliminieren. Der Entzündungsprozess kann chronifizieren 10 und den Weg zur Entstehung eines Bronchialkarzinoms ebnen 11.
Asthma: Patienten mit Bereitschaft zu Asthma leiden unter einer erhöhten Anfallsbereitschaft; mit der Feinstaubbelastung steigt die Asthmaprävalenz 12. Aktives Tabakrauchen und ähnlich auch das passive Mitrauchen verschlechtern die Asthmakontrolle. Luftverschmutzung, die durch Heizquellen und Schimmelpilze in Innenräumen zustande kommt, beeinflusst ebenfalls Asthma nachweislich negativ. 13
Lungenkrebs: Feinstaub ist mit einer erhöhten Inzidenz an Lungenkrebs assoziiert, wobei die Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr eine nachweisbare Rolle spielt 14.
Systemische Auswirkungen
Arteriosklerose: Es wird angenommen, dass Feinstaub eine systemische Erhöhung von Reaktionen freier Radikale und entzündlicher Reaktionsbereitschaft bewirkt und darüber die Entwicklung auch arteriosklerotischer Läsionen fördert. Eine Assoziation mit der Arteriosklerose ist sehr wahrscheinlich 15. Eine entsprechende Assoziation wurde für Mikroplastik und Nanoplastik definitiv nachgewiesen. 16
Leberkrebs: Es besteht eine schwache Assoziation zwischen Airpollution (gemessen an der NO-Konzentration) und Leberkrebs. 17
Brustkrebs: Die Assoziation von erhöhter Luftverschmutzung (gemessen an der NO-Konzentration) mit Brustkrebs ist schwach, aber eindeutig positiv. 18
Diabetes: Luftverschmutzung kann zu in unterschiedlichem Ausmaß zu einem erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes beitragen. In einer Untersuchung stieg das Risiko bei einer Feinstaubgröße von PM2,5 pro Erhöhung des Interquartilbereichs um 63%. Zudem wurden signifikante Zusammenhänge zwischen vier Luftschadstoffen und dem Sterblichkeitsrisiko aufgrund von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefunden 19.
Demenz: Die Bereitschaft zur Entwicklung einer Alzheimer-Demenz wird im Tierversuch durch Langzeit-Exposition mit Feinstaub erhöht 20. Eine große Kanadische Studie belegt, dass das Risiko einer Demenz in der Nähe von großen Durchfahrtsstraßen gering (Hazardratio 1,07) erhöht ist, was Feinstaub zugeschrieben wird 21. Verkehrsstaub erhöht laut einer Zusammenschau vorliegender Erkenntnisse die Inzidenz einer Demenz um über 50%. Studien haben die lokale verkehrsbedingte Luftverschmutzung wiederholt mit Demenzerkrankungen in Verbindung gebracht. Etwa 20 % dieses Effekts wird durch einen Typ-2-Diabetes vermittelt, dessen Häufigkeit ebenfalls mit Feinstaub assoziiert ist. Luftverschmutzung kann das Gehirn damit sowohl direkt als auch indirekt schädigen. 22
Feinstaub durch Zigarettenrauch
Rauchen von Zigaretten wirkt schädigend auf die Lungen speziell durch den Feinstaub. Die Feinstaubbelastung pro inhalierter Zigarette beträgt zwischen 15000 and 40000 μg. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Kohlenstoffprodukte. Die Auswirkungen sind sind vielfältig und gravierend:
- erhöhte Reagibilität des Bronchialsystems mit erhöhter Neigung zu asthmoider Reaktion,
- Entwicklung eines Emphysems,
- Entwicklung einer COPD
- Entwicklung von Fibrosierungen in der Lunge,
- Folge- und Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz und Krebs.
Feinstaub und Lungenkrebs
Feinstaub erhöht das Risiko für Lungenkrebs, wobei die Gefährdung durch individuelle Faktoren modifiziert wird. Statistisch ist nicht nur der Feinstaub des Zigarettenrauchs sondern auch der des Straßenverkehrs mit einem signifikant erhöhten Risiko für Lungenkrebs assoziiert 23.
Rauchpartikel schädigen nicht nur das Epithel der Lungen und erhöhen die Entzündungsbereitschaft, sondern sie stimulieren auch die Besiedlung der unteren Atemwege mit Bakterien, wie es für Pneumokokken nachgewiesen wurde 24 25. Damit üben die Feinstaubpartikel des Zigarettenrauchs vielfache und sich gegenseitig potenzierende schädigende Einflüsse aus.
Unter dem Blickwinkel, dass es die Feinstaubpartikel sind, die die Lungenschädigung bei Rauchern hervorrufen, wird angenommen, dass eine Beendigung des Rauchens nicht gleich auch das Risiko für Lungenkrebs beendet. Vielmehr persistiert es über lange Zeit, da die Feinstaubpartikel die Lungen nach ihrer Aufnahme in Fresszellen nicht wieder verlassen 26.
Feinstaub durch Dieselpartikel
Dieselpartikel gehören zu den Nanopartikeln, die vollständig in die Lungenalveolen gelangen. Sie führen analog zu Zigarettenrauch zu folgenden Reaktionen:
- Lungenschädigung,
- erhöhte Entzündungsreaktionen,
- erhöhte Blutgerinnbarkeit und
- erhöhter Blutdruck.
Dabei spielt der Entzündungsvermittler TNF-alpha eine zentrale vermittelnde Rolle. Interessanterweise vermindert Curcumin im Tierversuch an Mäusen die TNF-alpha-Produktion; es schützt offenbar in geringem Maße vor den kardiovaskulären Folgen der Dieselabgase 27.
Eine Assoziation von Dieselpartikeln mit Lungenkrebs konnte in einer Analyse von Studien nicht gefunden werden. Dafür finden sich Hinweise darauf, dass sie für das Gefäßsystem schädlich sind 28 29. Sie gehören zu den Partikeln, die für eine Erhöhung des Herzinfarktrisikos verantwortlich gemacht werden 30 31 32.
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Verweise
Referenzen
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