EAEC ist das Akronym für EnteroAggregative Escherichia Coli. Dieser Stamm kann eine akute infektiöse Durchfallkrankheit auslösen und für endemische Ausbrüche verantwortlich sein, die vor allem in Entwicklungsländern immer wieder vorkommen.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Der EAEC-Stamm wird hauptsächlich durch verunreinigte Nahrungsmittel verbreitet und löst beim Menschen häufig wässrige Durchfälle aus. Einige Infektionen verlaufen asymptomatisch. Auch asymptomatische Carrier (Träger) können die Infektion weitergeben. In Zellkulturen (HEp-2 Zellen) formen aufgeimpfte EAEC miteinander Bakterienhaufen („Aggregate“), daher die Bezeichnung “enteroaggregativ”. Sie gehören zu den Diarrhö auslösenden E. coli-Stämmen (DEC, Diarrhö-erzeugende E. coli). Die wässrigen oder wässrig-schleimigen Durchfälle können mit etwas Blut vermischt und von Übelkeit und geringem Fieber begleitet sein. Häufig sind sie selbstlimitierend, gelegentlich halten sie aber auch länger als 14 Tage an. (1)Braz J Microbiol. 2016 Dec;47 Suppl 1(Suppl 1):3-30. DOI: 10.1016/j.bjm.2016.10.015. (2)Curr Opin Infect Dis. 2020 Oct;33(5):372-380
→Vgl. EHEC
EAEC als Auslöser von Darminfektionen mit Diarrhö
EAEC gehören zu einer Gruppe Durchfall-erzeugender E. coli-Stämme (DEC, diarrheagenic Escherichia coli). Zu ihnen gehören auch enterotoxische E. coli (ETEC), enteropathogene E. coli (EPEC), Shiga-Toxin produzierende E. coli (STEC, auch enterohämorrhagische E. coli, EHEC), enteroinvasive E. coli (EIEC), enteroaggregative E. coli (EAEC) und diffus adhärente E. coli . coli (DAEC). Sie haben alle etwas unterschiedliche Präferenzen bezüglich ihrer bevorzugten Wirte und Übertragungswege. (3)Curr Opin Infect Dis. 2020 Oct;33(5):372-380.
In den letzten Jahren sind EAEC immer wieder als Auslöser einer in der Regel milden, lang andauernden Diarrhö (Durchfallkrankheit über 14 Tage Dauer) besonders bei jungen Patienten mit Immunschwäche (z. B. bei AIDS) und bei unterernährten Kindern in Entwicklungsländern gefunden worden. Auch wurde EAEC in industrialisierten Ländern häufiger als Ursache eines sporadischen Ausbruchs einer durch Nahrungsmittel übertragenen akuten infektiösen Diarrhö identifiziert (4)Microb Pathog. 2008 Nov-Dec;45(5-6):310-4 (5)Interdiscip Perspect Infect Dis. 2010;2010:254159.
EAEC-Infektionen sind häufige Ursachen der Reisediarrhö (6)J Med Microbiol. 2007 Oct;56(Pt 10):1386-92. Andererseits kann der Stamm auch im Stuhl Gesunder gefunden werden. Wie der Wirt auf eine Infektion reagiert, scheint von der jeweiligen genetischen Ausstattung abzuhängen: Zuständig für die Ausprägung ist der Genotyp für Interleukin-8 (IL-8). (7)J Inf Dis 2003; 188: 506–511
Der Mensch als Reservoir für EAEC-Ausbrüche
Ein wesentliches Reservoir für die sporadischen lokalen Ausbrüche sind verunreinigte Nahrungsmittel. Auslöser scheint der Mensch selbst zu sein (z. B. durch Hygienedefizite). Tierausscheidungenscheinen keine besondere Rolle zu spielen; es gibt keine sicheren Hinweise auf ein Reservoir im Tierreich. Es werden zunehmend atypische EAEC gefunden. (8)J Med Microbiol. 2007 Jan;56(Pt 1):4-8 (9)Curr Top Microbiol Immunol. 2018;416:27-50. DOI: 10.1007/82_2018_105
Entstehung der EAEC-Diarrhö
Die Keime binden offenbar gut an die Zellen der Schleimhaut des Dickdarms, wo sie durch ihre Toxine und andere Virulenzfaktoren (bedeutsam ist besonders der Virulenzfaktor AggR, daneben auch aap, astA und set1A) (10)J Clin Microbiol. 2004 Mar;42(3):1058-63 (11)J Med Microbiol. 2007 Oct;56(Pt 10):1386-92 eine Schleimhautschädigung und sekretorische Diarrhö auslösen.
Der erste Schritt der Anheftung der Keime an die Darmschleimhaut wird offenbar durch Adhärenz-Faktoren bewirkt. Bedeutsam scheint die Anregung einer vermehrten Schleimproduktion der Darmzellen zu sein, in dem die Bakterien gut überleben können. Die dort sezernierten Toxine bewirken eine Entzündung (infektiös-entzündliche Kolitis) und ein mehr oder weniger ausgeprägten Krankheitsgefühl. Im Stuhl lassen sich als Folge der Darmentzündung Zytokine und Entzündungsmarker nachweisen (z. B. Interleukin (IL)-1ra, IL-1, IL-8, interferon (INF)-, lactoferrin, Leukozyten).
EAEC können durch Genaustausch (möglicherweise durch Bakterien-Viren (Bakteriophagen)) offenbar zusätzliche Virulenzfaktoren (12)Curr Top Microbiol Immunol. 2018;416:27-50., so z. B. Virulenzfaktoren von Yersinia pestis, erhalten, die eine EAEC-Infektion besonders schwerwiegend verlaufen lässt (13)Rev Latinoam Microbiol. 2005 Jul-Dec;47(3-4):140-59. Diskutiert wird auch, dass sie auf diese Weise – ähnlich wie die EHEC (enterohämorrhagische E. coli) – die Fähigkeit erhalten können, Shiga-Toxin zu bilden.
Intrazelluläre Persistenz
Untersuchungen an Zellkulturen legen nahe, dass EAEC in die Zellen der Darmschleimhaut eindringen und dort überleben können (14)Microb Pathog. 2008 Nov-Dec;45(5-6):310-4. Auf diese Weise entgehen sie der Körperabwehr durch Fresszellen (Makrophagen) und einem immunologischen Angriff. Dies schützt sie zudem vor Antibiotika, die nicht in Zellen eindringen. So erklärt sich die Persistenz der Durchfallkrankheit, die in vielen Fällen beobachtet wird.
Offenbar gibt es Wirtsfaktoren, die eine Infektion mit EAEC mit Krankheitsfolge begünstigen. Menschen mit einem Polymorphismus im Interleukin-8-Promotergen (IL-8 Codierung) sind besonders empfänglich für eine Diarrhö durch EAEC (15)Am J Gastroenterol. 2004 Feb;99(2):383-9.
Diagnostik
Grundlagen der Diagnostik sind Urin-, Stuhl- und Blutkulturen mit Antibiogramm.
Der mikroskopische HEp-2-Zelltest mit Nachweis des typischen Aggregationsmusters (s. o.) gilt als bester Test zur Diagnostik einer EAEC-Infektion. (16)Brazilian J Microbiol 2016, 47:3–30 Auch werden genetische Merkmale (wie aggR, aap, astA und set1A) diagnostisch verwendet. (17)J Med Microbiol. 2007 Oct;56(Pt 10):1386-1392
Die Diagnostik beinhaltet die Auswirkungen auf den Körper (Fieber, Exsikkose, Elektrolyte, …) Bei den eher seltenen schwer verlaufenden Fällen: Fieber, Petechien, Schockzeichen, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizenz, Enzephalopathie …, Gerinnungssystem inkl. intravasale (Gerinnungsparameter, Fibrinolyseparameter, Fibrinspaltprodukte), Diagnostik einer Beckenbodenentzündung.
Therapie
Die verschiedenen EAEC-Stämme sind in der Regel empfindlich auf Fluochinolone (wie Ciprofloxacin), Azitromycin und Rifaximin. Ciprofloxacin und Rifaximin werden häufig als Antibiotika zur Behandlung der Reisediarrhö empfohlen. Gegen viele der Antibiotika haben sich Resistenzen entwickelt, so vor allem gegen Ciprofloxacin. Wenn sich die Infektion nicht allein auf den Darm beschränkt und Schüttelfröste und Allgemeinsymptome wie Gliederschmerzen und Beckenbodensymptome (inkl. Prostatitis) hervorruft, sollte vor einer Antibiotikagabe eine Stuhlkultur und ein Antibiogramm durchgeführt werden. Fosfomycin ist ein Antibiotikum, das in vielen Fällen gegen multiresistente Mikroorganismen (grampositiv und gramnegativ) wirksam geblieben ist. (18)Int J Antimicrob Agents. 2020 Oct;56(4):106106. doi: 10.1016/j.ijantimicag.2020.106106 (19)mBio. 2023 Oct 31;14(5):e0167723. doi: 10.1128/mbio.01677-23
EAEC als Auslöser von HUS
EAEC sind als Auslöser des Ausbruchs blutiger Durchfälle und des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) im Mai 2011 identifiziert worden. Dieser Ausbruch wurde zunächst EHEC zugeschrieben. Verantwortlich ist das Shiga-Toxin, welches in den bisher beschriebenen EAEC-Stämmen nicht gebildet wird. Diese Eigenschaft scheint von einem Stamm oder Keim durch genetischen Austausch (u. a. durch Bakteriophagen?) neu erworben zu sein.
Diagnostik, Verlauf, Therapie bei HUS
Diagnostik, Verlauf, Komplikationen und Therapie einer Infektion mit Shiga-Toxin-bildenden EAEC gleichen denen einer EHEC-Infektion. Die Behandlungsprinzipien sind dieselben. Allerdings ist das Bakterium inzwischen häufig gegen Antibiotika (z. B. Ciprofloxacin) resistent, wobei Plasmide sowohl eine horizontale als auch vertikale Resistenz übertragen können. (20)Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2022 Jan 17;377(1842):20200461. doi: 10.1098/rstb.2020.0461 Es werden neue Therapiemechanismen entwickel, die beispielsweise gegen eine Bakterienanheftung an Zellen gerichtet sind. (21)Infection. 2019 Feb;47(1):13-23. doi: 10.1007/s15010-018-1222-5
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Verweise
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Literatur