Alpha-Liponsäure (Thioctacid®) (engl.: alpha lipoic acid, LA) wird zur Behandlung diabetischer Spätkomplikationen verwendet, insbesondere einer diabetischen Neuropathie. Es hat ausgeprägt antioxidative Eigenschaften. Es ist ein Derivat der Oktansäure und kommt natürlicherweise in Pflanzen und Tieren weit verbreitet vor. Sie spielt als Coenzym im mitochondrialen Stoffwechsel eine Rolle. Ihre ausgeprägte antioxidative Potenz begründet ihre Verwendung zur Vorbeugung von Komplikationen beim Diabetes mellitus, der Hypertonie und von Leberkrankheiten.
Herkunft
Alpha-Liponsäure wird in körpereigenen Mitochondrien synthetisiert. Eine zusätzliche Quelle sind Nahrungsmittel, speziell Fleisch und Innereien (Leber, Herz, Niere) und zudem Nahrungsergänzungsmittel. 1
Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung
Nach der Aufnahme über den Darm wird sie rasch aus dem Blut geklärt, einerseits ins Gewebe, andererseits über die Nieren. Ob Alpha-Liponsäure die Blut-Hirn-Schranke überwindet und im Gehirn akkumuliert, ist umstritten. Der Abbau im Gewebe erfolgt zu Dihydro-Liponsäure (DHLA). 2 3
Wirkungen
Alpha-Liponsäure wirkt als Coenzym für die mitochondriale Alpha-Ketosäure-Dehydrogenase. Ihre Wirkung ist außerordentlich vielfältig: sie induziert zelluläre Signalwege (Stimulation der Nrf2-abhängigen Gentranskription durch Hemmung der NF-kB-Aktivität), wirkt immunmodulatorisch, senkt den Blutdruck, senkt den Triglyceridspiegel, erweitert Blutgefäße, komplexiert verschiedene Metalle (auch sein Stoffwechselprodukt DHLA) und beeinflusst kognitive Funktionen des Gehirns. 4 Unklar ist weitgehend, auf welchen pathogenetischen Wegen diese Wirkungen erzielt werden.
LA wirkt als Antoxidans
Die Wirkung von Alpha-Liponsäure als Antioxidans wurde in vitro an Zellkulturen festgestellt; ob sie auch in vivo existiert, ist umstritten. Jedoch scheint LA indirekt den antioxidativen Status der Zellen zu fördern. So erhöht sie bei Ratten den Ascorbinsäuregehalt der Leberzellen 5 und reduziert den oxidativen Stress in der Herzmuskulatur 6. In menschlichen Zelllinien erhöht LA den intrazellulären Gehalt an Glutathion, was ihren Redoxstatus wesentlich beeinflusst 7.
Effekt auf die Glukoseaufnahme
Alpha-Liponsäure verbessert die Glukoseaufnahme, jedoch gegenüber der Wirkung von Insulin deutlich verzögert; die maximale Wirkung von Insulin wird nach 30 Minuten erreicht, der von LA nach 1 Stunde 8. Begründet wird dies durch einen indirekten Einfluss auf die Glukoseaufnahme 9. Bei Menschen senkt Alpha-Liponsäure sowohl den Nüchtern-Blutzucker als auch die periphere Insulinresistenz. 10
Effekt bei diabetischer Polypneuropathie
Alpha-Liponsäure bewirkte in mehreren Studien eine Verbesserung der diabetischen Polyneuropathie 11, wobei die intravenöse Applikation wirkungsvoller war. In einer Studie wurde kein Effekt bei oraler Applikation gesehen 12. Wieder andere Ergebnisse belegen eine orale Wirksamkeit. 13
Antihypertensiver Effekt
Alpha-Liponsäure senkt oder verhindert eine Hypertonie in verschiedenen tierexperimentellen Modellen (Auslösung z. B. durch Salzzufuhr oder Cyclosporin). 14 Auch beim Menschen wird ein gewisser Blutdruck senkender Effekt festgestellt. 15
Entzündungshemmender Effekt
Alpha-Liponsäure unterdrückt in Tierversuchen die Induktion einer Arthritis 16, einer autoimmunen Enzephalomyelitis 17 sowie einer Entzündung der Luftwege 18. Beim Menschen gibt es bisher kaum Untersuchungen zum entzündungshemmenden Effekt von LA.
Antitumoröser Effekt
LA hemmt das Wachstum von Lungenkrebs in vivo (Tierexperimente) sowie die Vitalität (Lebensfähigkeit) von Zellen eines Lungentumors in vitro. Dies erfolgt über eine Hemmung der Rapamycin-vermittelten Autophagie. Die Autophagie nimmt in den Tumorzellen überhand, wenn die Apoptose (programmierter Zelltod) gehemmt ist. Sie fördert sie ihre Regeneration und ihr Überleben. Eine Hemmung der Autophagie dagegen fördert die Anfälligkeit der Tumorzellen und die Aktivierung von natürlichen Killerzellen, durch die die Tumorzellen abgetötet werden. Die Hemmung der Autophagie durch LA führt also zu einer Aktivierung des körpereigenen Abwehrsystems gegen die nicht-kleinzelligen Lungentumorzellen. 19
Effekte in der Gynäkologie und Geburtshilfe
Alpha-Liponsäure wird als sehr hilfreich bei der Verhinderung von Fehlgeburten und Frühgeburten angesehen. Seine Verwendung während der Schwangerschaft gilt als sicher. 20 LA wirkt resorptionsfördernd auf subchorionische Hämatome und kann zusammen mit Progesteron vor einer größeren Plazentaablösung schützen. 21 Beobachtungen besagen, dass eine Langzeitbehandlung des polyzystischen Ovars mit Myoinositol plus Alpha-Liponsäure einen günstigen Effekt auf den Verlauf ausübt. 22
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen in Form beginnender Erhöhung von Transaminasen treten erst bei sehr hohen Dosen auf, bei Ratten erst ab etwa 60 mg/kg 23. Bei Dosen von 100 mg/kg Körpergewicht wurden bei Ratten nach intraperitonealer Applikation oxidative Schäden an Eiweißmolekülen in Herz und Gehirn festgestellt. 24 25
Beim Menschen wurden in Studien bei Dosen bis 2400 mg LA/Tag keine wesentlichen Nebenwirkungen gefunden. 26
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Verweise
Referenzen
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