Ernährung / Pathophysiologie

Lecithine

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Lecithine sind eine Gruppe von Fettstoffen, die Bestandteile aller Zellmembranen sind. Chemisch sind es Phosphatidylcholine. Zu ihrer Bildung wird Cholin benötigt, ein essenzieller Nährstoff, den der Körper in den erforderlichen Mengen nicht selbst herstellen kann. Ein Lecithinmangel durch einseitige Ernährung oder Mangelernährung führt, ähnlich wie ein Vitaminmangel, zu schwerwiegenden Symptomen wie Gedächtnisstörungen, Leberverfettung, Regenerationsstörungen oder Entzündungsneigung. Das Wissen über die Bedeutung einer ausreichenden Zufuhr von Lecithin wurde durch jüngste Forschung wesentlich erweitert. (1)Biochim Biophys Acta Biomembr. 2017 Sep;1859(9 Pt B):1558-1572. doi: 10.1016/j.bbamem.2017.04.006

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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Lecithin (Phosphatidylcholin) ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Fettstoffen, die für alle Zellmembranen benötigt werden. Ihre Zufuhr mit der Nahrung ist lebensnotwendig, da der Körper sie nicht selbst in ausreichenden Mengen selbst herstellen kann. Lecithinquellen sind sowohl tierische wie pflanzliche Nahrungsmittel, vor allem in Eiern, Milch, Fleisch, Soja, Nüssen.

Lecithin  wird schon seit vielen Jahrzehnten eine günstige Wirkungen auf das Gehirn nachgesagt. Nun erweist es sich im Licht der neueren Forschung als in vielerlei Hinsicht günstig:

  • es verbessert das Gedächtnis und vermag die Symptomatik bei früher Alzheimer-Demenz hinauszuschieben,
  • Lecithin vermindern die Cholesterinresorption im Darm,
  • Lecithin erhöht die HDL-Bildung (HDL: gutes Cholesterin) und schützt damit vermutlich vor Herzinfarkt und Schlaganfall,
  • Lecithin schützt die Leber vor Verfettung,
  • Lecithin wirkt antientzündlich und hat möglicherweise einen positiven Einfluss auf die rheumatoide Arthritis.

Lecithinquellen

Die Aufnahme von Lecithinen (Phospholipide: Phosphatidylcholin, Phosphatidylinositol, Phosphatidylserin, Phosphatidyletanolamin) mit der Nahrung beträgt um 2-8 Gramm pro Tag. Quellen in der Nahrung sind Eier, tierische Organe, Fisch, Samen und Getreide. Der Gehalt an Lecithin von Eigelb liegt bei 10g/100g, von Sojabohnen bei 2,3 g/100g, von Rindfleisch und Erdnüssen je bei 600mg/100g. In Blattgemüse, Obst und Kartoffeln ist Lecithin nur gering enthalten. (2)JAOCS. 1983;60:1971–1978 Lecithin aus Soja ist als Lipostabil® im Handel.

Medizinische Effekte von Lecithin

Lecithine haben eine Vielzahl günstiger Eigenschaften für die Zellen des Körpers. Die Effekte einer erhöhten Lecithinzufuhr sind trotz bereits jahrzehntelangen Erfahrungen mit Handelspräparaten (wie Buer-Lecithin oder Lipostabil) noch immer nicht in jeder Beziehung durch große Studien geklärt. Im Folgenden ist eine Auswahl neuerer Ergebnisse zusammen gestellt.

Hemmung der Cholesterinresorption im Darm

Lecithin hemmt die Cholesterin-Resorption im Darm. (3)Nutrients. 2010 Feb;2(2):116-27 Zur Cholesterinresorption ist Galle notwendig. Cholesterin kann nur in nicht veresterter Form in die Mizellen der Galle, die von der Leber in den Darm sezerniert wird, inkorporiert und mit ihnen durch die „unstirred water layer“ zur Oberfläche der Enterozyten gelangen. Die Fähigkeit der Mizellen zur Aufnahme von Cholesterin hängt von ihrem Phospholipidgehalt ab. Allerdings gibt es dafür ein Optimum, über das hinaus die Cholesterinmenge, die pro Mizelle gelöst und resorbiert werden kann, wieder abnimmt. (4)J. Physiol. 1973;229:505–514 Lecithine aus Eiern hemmen bei Ratten die Cholesterinresorption um 20%, wohingegen Lecithine aus Sojabohnen kaum Effekt zeigen. (5)J. Nutr. 2001;131:2358–2363

Steigerung der HDL-Bildung

Phosphatidylinositol (aus Soja-Lecithin) vermag die HDL-Produktion zu steigern. Es wird ein günstiger Effekt auf das Herz bei erhöhtem kardiovaskuläre Risiko erwartet. (6)Biochemistry. 2008 Feb 12;47(6):1579-87

Verbesserung des Gedächtnisses?

Phosphatidylserin (entsteht aus Lecithin) aus Rindergehirn verbessert (in verschiedenen Studien, meist ab einer Dosis von 300 mg/Tag) das Gedächtnis. 1992 wurde in einer doppelt verblindeten und gekreuzten Studie an Patienten mit früher Demenz vom Alzheimer-Typ eine signifikante Verbesserung festgestellt (7)Eur Neuropsychopharmacol. 1992 Jun;2(2):149-55, ebenso in einer Studie 2010 an älteren Japanern mit Gedächtnisproblemen im ersten Stadium einer Demenz (hier Phosphatidylserin aus Soja) (8)J Clin Biochem Nutr. 2010 Nov;47(3):246-55 sowie in einer israelischen Studie 2012. (9)Clin Interv Aging. 2013;8:557-63 Die Hypothese, dass das Gedächtnis beim Menschen durch die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln mit Lecithin (getestet wurden auch Carnitin und Glukose) gefördert würde, konnte jedoch in einer anderen Studie nicht belegt werden. (10)Psychopharmacology (Berl). 2004 Aug;175(1):84-91. doi: 10.1007/s00213-004-1773-2

MRI-Untersuchungen des Gehirns von Alzheimer-Kranken ergaben, dass die ungesättigten Lecithine des Frontalhirns verändert und mit einer neuronalen Degeneration assoziiert waren.  (11)Brain Commun. 2022 Dec 2;4(6):fcac318. doi: 10.1093/braincomms/fcac318. PMID: 37064049

Antientzündlicher Effekt

In einem tierexperimentellen Modell einer rheumatoiden Arthritis zeigt die Zufuhr von Phosphatidylcholin eine entzündungshemmende Wirkung. (12)Ther. 2009;11(2):R43. doi: 10.1186/ar2651 In einem anderen Modell einer induzierten Entzündung kam es durch Phospholipide aus Soja ebenfalls zu einer Reduzierung der Entzündungsparameter. (13)Eur Surg Res. 2009;42(1):40–48

Effekt gegen Leberkrankheiten

  • Fettleber: Die Phospholipide eines Milchextraks schützen im Tierexperiment vor der Entwicklung einer Fettleber und einer Erhöhung der Blutfette. Es wird vermutet, dass phospholipidreiche Milchextrakte auch beim Menschen eine schützende Wirkung auf die Leber und auch auf das Herz entfalten können. (14)Atherosclerosis. 2009 Jul;205(1):144-50 Welche Phospholipide dabei die Hauptrolle spielen, ist unklar.
  • Toxische Cholestase: Eine Diät, die mit Lecithin aus Milch angereichert ist, vermindert im Tierversuch eine Leberschädigung durch Cholsäure (eine Gallensäure) erheblich. (15)Pediatr Res. 2007 Feb;61(2):185-90
  • NASH:Es wurde vermutet, dass ein niedriger Spiegel an Phosphatidylcholin (PC) zur Entstehung einer nicht-alkoholischen Fettleberhepatitis (NASH) beiträgt. Eine Untersuchung an Mäusen ergibt, dass eine Anhebung des hepatischen PC-Spiegels zwar die Verfettung der Leber reduziert, nicht aber die Entwicklung einer NASH. (16)Biochim Biophys Acta. 2011 Dec;1811(12):1177-85
  • Leberregeneration: Die Regeneration nach einer Leberteilresektion von 70% verläuft überraschenderweise unvermindert, wenn der Phosphatidylcholin-Spiegel in der Leber experimentell reduziert wird. (17)Can J Physiol Pharmacol. 2012 Oct;90(10):1403-12

Schutz vor Alkoholschaden des Darms

  • Alkohol schädigt Darmepithelzellen in Zellkultur und erhöht ihre Durchlässigkeit für Endotoxine. Phosphatidylcholin (zusammen mit konjugierten Gallensäuren) hebt diesen Effekt auf und wirkt protektiv. (18)Alcohol Clin Exp Res. 2009 Mar;33(3):557-62

Lecithin und Krebs

Das Phospholipid-Profil verschiedener menschlicher Krebsarten unterscheidet sich von dem gesunden Gewebes. Dies ist beispielsweise beim Darmkrebs, Brustkrebs und nichtkleinzelligem Lungenkrebs nachgewiesen worden. Membranlipide wie Phosphatidylcholin und Phosphatidyläthanolamin sollen sich daher als Ziel einer gegen Krebs gerichteten Therapie eignen. (19)Int J Mol Sci. 2022 May 9;23(9):5266. DOI: 10.3390/ijms23095266

  • Phosphatidylcholin reduziert in vitro die chemisch ausgelöste Bildung von Leberkrebs indem es den programmierten Zelltod (Apoptose) induziert. (20)Hepatogastroenterology. 2009 Mar-Apr;56(90):481-4 Dasselbe wird auch für den Darmkrebs bestätigt. (21)Nutr Res. 2008;28(9):635–640
  • Phosphatidylcholin wird in fortgeschrittenem Darmkrebsgewebe in erhöhter Konzentration gefunden (wohl wegen der Aktivierung der Lyso-PC-Acyltransferase (LPCAT) im Krebsgewebe) und erweist sich als ein Tumor-Biomarker, der für eine Bildgebung eingesetzt werden könnte. Denn die Imaging-Massenspektrometrie (MS) ist in der Lage, einen vermehrten Gehalt an Phospholipiden aufzuzeigen. (22)Cancer Sci. 2013 Oct;104(10):1295-302. DOI: 10.1111/cas.12221. Dasselbe wurde für das papilläre Schilddrüsenkarzinom aufgezeigt. (23)PLoS One. 2012;7(11):e48873. doi: 10.1371/journal.pone.0048873 Das Lipidspektrum einer Probe zeigt, dass verschiedene Phosphatidylcholine neben anderen Lipiden in bedeutend höherer Konzentration vorkommen, was diagnostisch nutzbar ist. (24)Endokrynol Pol. 2018;69(1):2-8. DOI: 10.5603/EP.a2018.0003
  • Mit Lecithin lassen sich Liposomen (kleinste Fettvakuolen, s. o.) bilden, deren wässriger Inhalt mit gelösten Medikamenten gefüllt werden kann. In Liposomen verpackte Zytostatika lassen sich zur Krebstherapie einsetzen. Dies konnte für einige Krebsarten im Tierversuch nachgewiesen werden. (25)Int J Pharm. 2008 Apr 2;353(1-2):251-9 (26)Planta Med. 2013 Apr;79(6):447-51

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Verweise

 

Literatur[+]