Hypercholesterinämie bedeutet Erhöhung des Cholesterin-Spiegels im Blut. Sie gehört zu den Fettstoffwechselstörungen und ist ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung einer Arteriosklerose, mit ihren Komplikationen einer koronaren Herzkrankheit inkl. Herzinfarkt und eines Schlaganfalls. Von besonderer Bedeutung bezüglich dieser Komplikationen ist eine Erhöhung des LDL-Cholesterins.
Ursachen
Es gibt verschiedene Ursachen erhöhter Cholesterinwerte. Eine verminderte Aktivität der LDL-Rezeptoren und eine erhöhte Bildung von Cholesterin in der Leber gehören zu den bedeutendsten Voraussetzungen, die insbesondere bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), starkem Übergewicht (Adipositas) und einer nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD) gefunden werden. 1
Die an einer Hypercholesterinämie beteiligten Faktoren sind komplex und die Zusammenhänge noch nicht alle durchschaut. Zu ihnen gehören beispielsweise auch Mikro-RNA. Sie beeinflussen die HMG-CoA-Reduktase und spielen bei der Entstehung der nichtalkoholischen Fettleberhepatitis eine Rolle. 2 3 Die Erforschung solcher Zusammenhänge soll neue Therapiemöglichkeiten eröffnen.
Therapie
Die Behandlung erhöhter Cholesterinwerte basiert auf diätetischen und medikamentösen Maßnahmen:
- Lebensstil und diätetische Maßnahmen:
- fettarme Kost,
- Reduzierung von Übergewicht durch Kalorienrestriktion (siehe hier),
- Reduktion von freiem Zucker in der Kost (dazu siehe hier),
- körperliche Bewegung,
- Blutzuckereinstellung bei Diabetes mellitus diätetisch und medikamentös (siehe unter Diabetes-Therapie),
- CSE-Hemmer, bei hohen Cholesterinwerten, am besten in Kombination mit einem
- Cholesterin-Resorptionshemmer. Beispiel: Ezetimib unterdrückt die Cholesterinresorption im Darm.
Eine Senkung des Cholesterinspiegels bewirkt eine deutliche Reduktion des Risikos der Komplikationen einer koronaren Herzkrankheit und eines Schlaganfalls.
Neue Entwicklungen
Erhöhung der LDL-Rezeptor-Aktivität: Als eine neue Therapieperspektive bei Hypercholesterinämie wird die PSCK9-Hemmung angesehen, die zu einer erhöhten Effektivität des LDL-Rezeptors in der Leber führt. PCSK9 ist ein aus der Leber stammendes Protein, welches als ein Enzym (Proprotein-Konvertase Subtilisin-kexin Typ 9 (PCSK9)) wirkt, direkt an den LDL-Rezeptor der Leberzellen bindet und dessen Abbau induziert. Es behindert damit die hepatische LDL-Aufnahme aus dem Blut und die Senkung des LDL-Spiegels. Einer PCSK9-Hemmung wird eine Rolle bei der Behandlung der Hypercholesterinämie zugeschrieben.
Angriff an PCSK9
Antikörper: Bisher gab es keine therapeutische Möglichkeit, einen erhöhten Lp(a)-Spiegel zu senken. Eine Perspektive wurde in einem Antikörper gegen PCSK9 gesehen. 4 Seine Hemmung führt laut Studienlage zu einer Senkung des Lp(a)-Konzentration und des Arterioskleroserisikos. In einer Studie an 28 Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie war das Ansprechen auf eine PCSK9-Hemmung nur gering (minus 8,6 % in etwa 12 Monaten) 5.
- Evolocumab, ein PCSK9-neutralisierender Antikörper (Proproteinkonvertase Subtilisin Kexin Typ 9), senkt das Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (HoFH) mit eingeschränkter LDLR-Funktion (Low-Density-Lipoprotein-Rezeptor), allerdings mit unterschiedlicher Wirksamkeit 6.
- Tafolecimab ist ein monoklonaler PCSK9-Antikörper, der in klinischen Studien eine signifikante LDL-C-Reduktion und ein günstiges Sicherheitsprofil aufwies. Es hat eine größere Affinität zu PCSK9 und bewirkt eine längere LDL-C-Senkung als Evolocumab 7.
Eine PCSK9-Hemmung weist außer der Wirkung auf den Lipidstoffwechsel eine Wirkung auf das Immunsystem 5, eine antiarrhythmische Wirkung 8 und unterschiedliche Wirkungen bzgl. einer Tumorentstehung auf 9.
Genetische Manipulation: Versuchstiere, denen das menschliche Hypercholesterinämie-Gen eingepflanzt wurde, entwickeln daraufhin ebenfalls eine Hypercholesterinämie. Mutationen des PCSK9-Gens, die den Funktionsverlust des Enzyms PSK9 (s. o.) bewirken, führen zu deutlich erniedrigtem LDL-C und vermindern das Risiko einer koronaren Herzkrankheit erheblich (bis zu 88 %). Daher liegt eine Perspektive in der epigenetischen Beeinflussung des PCSK9-Gens. 10
„Small interfering“ RNA
Olpasiran ist eine speziell entwickelte „small interfering“ RNA zur Behandlung der Koronarsklerose. Es hemmt die Bildung von Lp(a) in der Leber und senkt den Spiegel an Lipoprotein(a) im Blut. In einer Studie sank nach subkutaner Injektion einmal pro 12 oder 24 Wochen der Spiegel dosisabhängig um bis zu 100%. Besondere Nebenwirkungen traten nicht auf. 11
Senkung der Cholesterinbildung
- Statine erhöhen die Bildung von Cholesterin durch Erhöhung der Aktivität des Schlüsselenzyms HMGCoA-Reduktase. Wie die Senkung des Cholesterinwerts im Blut zustande kommt, ist daher ein Rätsel. Eine mögliche Erklärung: Der Gesamteffekt von Statinen bezüglich einer Cholesterinsenkung beruht offenbar auf einer tiefgreifenden Änderung des Stoffwechselgleichgewichts (Homöostasemechanismen). 12 13 Durch diese Erkenntnis wurden Untersuchungen angeregt, die unter CSE-Hemmern überschießend gebildete HMG-CoA-Reduktase rascher ihrem Abbau zuzuführen.
- Eine der wirkungsvollen Substanzen (Cmpd81) senkt die Enzymaktivität und wirkt mit Statinen synergistisch bei der Senkung von Serum-Cholesterin, aber auch alleine! 14
- Die Substanz SR-12813 fördert den HMG-CoA-Reduktase-Abbau und wirkt der Statin-induzierten Hochregulierung der HMG-CoA-Reduktase entgegen. Der Effekt beinhaltet eine verstärkte die Antikrebswirkung, wie es für Atorvastatin nachgewiesen wurde. 15
- Eine Statin-Dipyridamol-Kombination war gegen Melanomzelllinien wirksam. Dipyridamol wurde zugesetzt, weil es die Hochregulierung der HMG-CoA-Reduktase durch Statine hemmt. 16
Erhöhung der Cholesterinausscheidung
Ein neues Prinzip, den Cholesterinspiegel zu senken, besteht in einem Angriff auf einen leberspezifischen Rezeptor von Asialoglykoproteinen (Asialoglycoproteinrezeptor 1, ASGR1). Denn es wurde beobachtet, dass Menschen mit einem genetischen Mangel an ASGR1 niedrige Fettwerte im Blut aufweisen. Nun wurde nachgewiesen, dass neu entwickelte Antikörper gegen dieses leberspezifische Eiweiß ebenfalls erhöhte Blutfette senken – und zwar durch Hemmung der Fettneubildung und Erhöhung der Cholesterinausscheidung mit der Galle. 17
Behandlung der familiären Hypercholesterinämie
Die familiäre Hypercholesterinämie ist eine der am häufigsten vererbten Krankheiten. Sie basiert auf verschiedenen Mutationen, so von denen der LDLR-, APOB- und PCSK9-Gene und möglicherweise auf solchen im APOE-Gen; die seltenen autosomalen Form sind auf Mutationen im LDLRAP1-Gen zurückzuführen 18. Die Behandlung basiert auf Statinen und zudem auf neueren Medikamenten, u. a. auf solchen, welche an Lp(a) angreifen. Dazu gehört die Hemmung oder Unterdrückung von PCSK9 und damit von Lipoptotein-a (Lp(a)). Dazu siehe hier.
Inclisiran ist eine kleine störende RNA (small interfering RNA), welche die Produktion des aus der Leber stammenden PCSK9-Proteins (Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) verhindert. Es senkte in einer Studie den PCSK9-Spiegel um – 60,6 %, nicht jedoch den LDL-C-Spiegel 19.
Verweise
- Cholesterin
- HDL-Cholesterin
- LDL-Cholesterin
- Fettstoffwechselstörung
- Fettsenker
- Arteriosklerose
- Ernährung bei Adipositas
Referenzen
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