Alagille Syndrom

Das Alagille-Syndrom ist ein genetisch bedingte Krankheit mit angeborenem Gallestau bei Missbildung der Gallenwege und weiterer Organsysteme und des Gesichts.

Allgemeines

Das Alagille-Syndrom ist auch bekannt als „arteriohepatische Dysplasie“ 1 und gehört zu den Neugeborenencholestasen. Charkteristisch ist der ausgeprägte verlängerte Ikterus (Gelbsucht) sowie der starke Juckreiz. Ursache ist eine Fehlanlage der Gallenwege (Gallengangsatresie). Meistens bestehen gleichzeitig weitere Bildungsstörungen. 2 3 Die klinischen Merkmale beinhalten Abnormalitäten von Leber, Herz, Gefäßsystem, Nieren, Skelett, Gesicht und Augen. Sie treten mit variabler phänotypischer Penetranz auf 4. Die Häufigkeit (Inzidenz) liegt bei 1: 30.000 bis 1: 50.000 Geburten 5.

Genetik

Das Alagille-Syndrom (ALGS) ist eine autosomal-dominante Erkrankung, die durch pathogene Varianten in JAG1 oder NOTCH2 verursacht wird, die für grundlegende Komponenten des Notch-Signalwegs kodieren. 6 5

Diagnostik

Erste Hinweise: Es besteht bei Geburt bereits eine ausgeprägte Cholestase (Gallestau) mit Erhöhung des direkten Bilirubins. Wegen einer häufig auffälligen Gesichtsform wird bald daran gedacht, dass ein Fehlbildungssyndrom vorliegen kann. Eine Kasuistik enthält folgende Beschreibung: „Umgekehrtes dreieckiges Gesicht, bestehend aus einer hohen, hervorstehenden Stirn und einem spitzen Kinn, tief liegenden Augen und Hypertelorismus sowie einer geraden Nase mit einer knolligen Spitze“ 7.

Hält die Cholestase bei einem Neugeborenen über 2 Wochen an, so ist sie verdächtig auf eine cholestatische Krankheit, die weiter abgeklärt werden muss. Das Alagille-Syndrom ist eine der Differenzialdiagnosen.

Differenzialdiagnosen: Differenzialdiagnosen sind andere angeborene Cholestasesyndrome, z. B. familiäre intrahepatische Cholestase, Byler-Syndrom). Auch sind erworbene Formen zu erwägen, wie Alpha1-Antitrypsinmangel, Toxoplasmose, Röteln, Virushepatitis (CMV, Herpesvirus, HBV, HCV). Auch müssen angeborene Stoffwechselstörungen und Transportstörungen des Bilirubins in Betracht gezogen werden (siehe unter Funktionelle Hyperbilirubinämie).

Nachweis: Die Diagnose gerät durch eine fehlende Darstellung der Gallenwege (z. B. durch MRCP) in den Vordergrund. Beweisend ist sie jedoch nicht immer. Daher wird oft eine Leberbiopsie erforderlich. In der Histologie erkennt man eine Rarefizierung der Gallenwege, und in der Folge kompensatorische Gallengangswucherungen (ähnlich wie bei der PBC) und von den Portalfeldern ausgehend Fibrosierungen der Leber. Inzwischen kann das Alagille-Syndrom durch genetische Analyse gesichert werden.

Abklärung weiterer Fehlbildungen: Zur Diagnostik gehört eine Abklärung weiterer Fehlbildungen, wie der gleich auffälligen Gesichtsdeformität, die zum Alagille-Syndrom gehören. Zu suchen sind Herzfehler (z. B. Herzklappenfehler, Pulmonalarterienstenose), Nierendysplasie mit Einschränkung der Nierenfunktion, Fehlbildungen der Wirbelsäule („Schmetterlingswirbel“). 8

Prognose

Eine anhaltende Cholestase führt über eine Leberfibrose relativ rasch zur Leberzirrhose mit portaler Hypertonie und entsprechenden Komplikationen.

Therapie

Die Kasai-Operation innerhalb der ersten Lebenswochen versucht durch Anastomosierung der zentralen Gallengänge mit dem Dünndarm eine suffiziente Ableitung der Galle (Portoenterostomie) zu etablieren. Postoperativ besteht ein hohes Risiko für aufsteigende Gallenwegsinfektionen; häufig kommt es zu einer Wachstumsverzögerung.

Lebertransplantation: Den besten Erfolg bei guten Vorbedingungen verspricht eine Lebertransplantation. Bei der Abschätzung des Operationsrisikos sind die oft zusätzlichen Anomalien am Herzen und den Nieren mitzuberücksichtigen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Langzeitauswirkungen einer dauerhaften Immunsuppression auf die kindliche Entwicklung nicht ausreichend bekannt sind. 9

Ernährung: Wegen Gallemangel im Darm kommt es zu einer mangelhaften Fettverdauung und Aufnahme fettlöslicher Vitamine, was durch eine Substitutionstherapie überbrückt werden muss.

Juckreiz: Der unerträgliche Juckreiz wird in seiner Schwere bei Neugeborenen nicht immer richtig eingeschätzt. Die Maßnahmen sind schwierig und umfassen u.a. auch invasive Maßnhamen wie eine Plasmapherese. Erst die Lebertransplantation erlöst von dem Symptom. 3 Dazu siehe hier.


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Verweise

Referenzen

  1. J Pediatr. 1987 Feb;110(2):195-200[]
  2. J Pediatr. 1975 Jan;86(1):63-71. doi: 10.1016/s0022-3476(75)80706-2[]
  3. Neonatal Netw. 2017 Nov 1;36(6):343-347. doi: 10.1891/0730-0832.36.6.343.[][]
  4. Semin Liver Dis. 2021 Nov;41(4):525-537[]
  5. Front Pharmacol. (2021) 12:704586. 10.3389/fphar.2021.704586[][]
  6. Eur J Hum Genet. 2012 Mar;20(3):251-7[]
  7. Front Pediatr. 2022 Oct 20;10:1017647. doi: 10.3389/fped.2022.1017647[]
  8. Am J Med Genet A. 2011 Nov 21. doi: 10.1002/ajmg.a.34369[]
  9. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2010 Jan;50(1):11-5[]