Der Morbus Basedow (engl. Graves’ disease) ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse mit diffuser Entzündung, Vergrößerung und anhaltender Überfunktion (Hyperthyreose). Er ist häufig mit Augensymptomen (Basedow-Orbitopathie) verbunden.
→ Hyperthyreose
→ Autoimmunkrankheiten
→ Basedow-Orbitopathie
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Ursache des Morbus Basedow ist die krankhafte Produktion von Antikörpern gegen spezielle Rezeptoren der Schilddrüse. Es handelt sich um TSH-Rezeptoren der hormonproduzierenden Drüsenzellen, die ungewöhnlicherweise selbst eine hormonstimulierende Funktion besitzen (TSI = Thyreoidea stimulierende Immunglobuline, TSH-Rezeptorantikörper (TRAK)). Diese Antikörper regen damit die Schilddrüse zur Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4 an. Die Produktion von Antikörpern gegen Schilddrüsenzellen ist Ausdruck einer Autoaggression des Immunsystems. Die Basedow-Krankheit gehört damit zu den Autoimmunkrankheiten.
Genetische Empfänglichkeit
Der Morbus Basedow stellt ein klassisches Beispiel einer Autoimmunkrankheit dar und kommt dem entsprechend häufig auch mit anderen Autoimmunerkrankungen (z. B. mit der perniziösen Anämie) zusammen vor. Durch Studien an Zwillingen weiß man, dass die Empfänglichkeit (Suszeptibilität) eine genetische Grundlage besitzt (1)Front Endocrinol (Lausanne). 2016 Mar 8;7:21. doi: 10.3389/fendo.2016.00021. (2)J Endocrinol Invest. 2015 Mar;38(3):283-94.
Als Suszeptibilitätsgene für den Morbus Basedow sind solche identifiziert worden, die allgemein zu einem Zusammenbruch der Immuntoleranz führen und auch an der Entstehung anderer Autoimmunkrankheiten beteiligt sind.
Zu ihnen gehören genetische Varianten (Polymorphismen) von beispielsweise HLA-DR, cluster of differentiation 40 (CD40), CTLA-4, Protein-Tyrosinephosphatase non-receptor type 22 (PTPN22), Interleukin-2-Rezeptor-Alphakette (CD25). Speziell FOXP3 und CD25 spielen bei der peripheren Immuntoleranz und CD40, CTLA-4 und die HLA-Gene bei der T-Lymphozyten-Aktivierung und Antigen-Präsentation offenbar eine kritische Rolle (3)J Autoimmun. 2015 Nov;64:82-90 (4)Mediators Inflamm. 2015;2015:340934. doi: 10.1155/2015/340934. Epub 2015 Jan 12. (5)Clin Endocrinol (Oxf). 2010 Feb;72(2):248-55.
Aber auch schilddrüsenspezifische Antikörper sind an einer erhöhten Empfänglichkeit für die Erkrankung beteiligt, so das Gen für den TSH-Rezeptor (TSHR) und das Thyreoid-spezifisches Gen (TG).
Der Morbus Basedow geht in etwa 50 % mit einer Orbitopathie (mit Augensymptomatik, Basedow-Ophthalmopathie) einher. Diese Komplikation basiert auf einer zusätzlichen genetischen Grundlage (6)Mediators Inflamm. 2015;2015:340934. doi: 10.1155/2015/340934. Epub 2015 Jan 12.. Beispielsweise sollen CTLA-4, Thyroidperoxidase (TPO), Insulin-like Growth Factor-1 Receptor (IGF-1R) oder TNF-alpha an der Erhöhung eines Ophthalmopathierisikos beteiligt sein (7)Front Endocrinol (Lausanne). 2016 Mar 8;7:21. doi: 10.3389/fendo.2016.00021..
Auslöser
Bei Menschen mit einer genetischen Veranlagung können verschiedene Faktoren zur Auslösung einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung führen. Beim Morbus Basedow gehört
- Rauchen zu den Risikofaktoren, ebenso
- bestimmte Virusinfektionen (Coksackie B und HTLV-II (8)G Chir. 2015 May-Jun;36(3):117-21 ).
Klinik und Symptomatik
Merseburger Trias: Klassischerweise besteht das Vollbild eines Morbus Basedow in der Symptomkombination:
- diffuse Schilddrüsenvergrößerung (Struma diffusa),
- schneller Herzschlag (Tachykardie) und
- vorstehende Augen (Exophthalmus), nachweisbar in ca. 50 % der Fälle, in 5 % schwere Form mit Schädigung des Sehnerven durch Kompression (Basedow-Orbitopathie) (9)Thyroid. 2002;12:855–860 (10)Eur Thyroid J. 2016 Mar;5(1):9-26.
Monosymptomatische Form: oft ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur ein Symptom auffällig, so beispielsweise Neigung zu dünnem Stuhl oder Durchfall (Diarrhö), Haarausfall, Schlaflosigkeit oder Gewichtsabnahme.
Komplikationen:
- absolute Tachyarrhythmie (schneller, unregelmäßiger Herzschlag) mit Neigung zu malignen Herzrhythmusstörungen bis hin zu plötzlichem Herztod,
- maligne endokrine Ophthalmopathie mit beidseitigem Exophthalmus (Hervortreten der Augen),
- Hyperkalzämie,
- Diarrhoe (Durchfall) mit Elektrolytverschiebung (Gefahr der Hypokaliaemie, verstärkt das Risiko von Herzrhythmusstörungen).
Diagnostik
Erster Verdacht: Symptome, die auf eine Schilddrüsenüberfunktion aufmerksam machen können, sind häufig schneller Herzschlag, Schweißneigung, Durchfälle und hervorstehende Augen (Protrusio bulbi). Wenn am Hals bereits eine Schilddrüsenvergrößerung erkennbar ist, so festigt sich der Verdacht einer Schilddrüsenüberfunktion. Eine gleichzeitig erkennbare Orbitopathie (Exophthalmus) weist stark auf eine Morbus Basedow hin (siehe hier).
Sicherung der Diagnose: sie erfolgt durch Bestimmung von Schilddrüsenparametern. Eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Schilddrüse schließt Knoten aus; eine Schilddrüsenszintigraphie kann im Zweifel zum Ausschluss eines heißen Knotens dienen.
Schilddrüsenparameter: TSH supprimiert, fT3 erhöht, Nachweis von Schilddrüsenantikörpern (TSH-Rezeptor-Antikörper, TRAK),
Sonographie der Schilddrüse: diffuse Schilddrüsenvergrößerung mit verminderter Echogenität ohne Knoten,
Szintigraphie: diffuse Überfunktion, Ausschluß heißer Knoten.
Die Diagnostik umfasst auch die Suche nach weiteren Autoimmunkrankheiten.
Differenzialdiagnosen
Das klinische Bild einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), wie es beim Morbus Basedow vorherrscht, kann folgenden Differenzialdiagnosen ähneln:
- Hyperthyreote Initialphase einer Hashimoto-Thyreoiditis (Anti-TPO, MAK positiv, TRAK negativ)
- Iatrogene Hyperthyreose: beispielsweise durch inadäquat lange Gabe von Lugol’scher Lösung, die häufig präoperativ vor einer Schilddrüsenresektion verabreicht wird (Jod-Basedow-Effekt: fT3 stark erhöht, TSH stark erniedrigt, Schilddrüsenantikörper negativ (11)Rev Med Chir Soc Med Nat Iasi. 2014 Oct-Dec;118(4):1013-7).
- Autonomes Schilddrüsenadenom (Knoten im Ultraschallbild, heißer Knoten im Szintigramm der Schilddrüse, Schilddrüsenantikörper negativ),
- Vegetative Dystonie (Tachykardie und Kollapsneigung bei normalen Hormonwerten der Schilddrüse, keine Orbitopathie, Schilddrüsenantikörper negativ).
Therapie
Therapie der Schilddrüsenüberfunktion: Sie beruht auf dem medikamentösen Einsatz der Thionamide Thiamazol, Methimazol, Carbimazol (Prodrug von Methimazol) bzw. von Propylthiouracil. Thiamazol (bis 40 mg/d) oder Carbimazol (bis 30 mg/d) je nach Erfolg (Kontrolle der Schilddrüsenhormone), ggf. Reduktion auf 5-10 mg/d. In Nordamerika wird Propylthiouracin bevorzugt (12)J Endocrinol Invest. 2014 Nov;37(11):1041-8. Die Therapie der Tachykardie erfolgt mit Beta-Blockern. Nach 1 und nach 2 Jahren Bestimmung der TSH-Rezeptorantikörper (TRAK), die in der Regel allmählich verschwinden. Dann (aber nicht vorher) Absetzen der Behandlung. Die Behandlung erfolgt unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten durch den Arzt. (cave: Dosierungen nicht ungeprüft übernehmen!)
Therapie einer malignen Orbitopathie
Die Therapie einer malignen Orbitopathie ist schwierig. Zu den Optionen gehört eine Kortikoidtherapie und eine Bestrahlungsbehandlung. Zu den Maßnahmen mit den besten Erfolgsaussichten gehört jedoch nach neueren Erfahrungen eine totale Thyreoidektomie (operative Entfernung der gesamten Schilddrüse), die inzwischen bei schweren Fällen vorrangig empfohlen wird (13)Cochrane Database Syst Rev. 2015 Nov 25;(11):CD010576. doi: 10.1002/14651858.CD010576.pub2. (14)G Chir. 2015 May-Jun;36(3):117-21. Es besteht die Chance, dass sich eine Orbitopathie nach operativer Schilddrüsenenetfernung zurückentwickelt. Tut sie das nicht in ausreichendem Maße, so kommt eine zusätzliche Maßnahme zur orbitalen Dekompression, wie vor allem eine Fettabsaugung aus der Orbita in Betracht (15)Pediatr Endocrinol Rev. 2010 Mar;7 Suppl 2:222-6 (16)Adv Ther. 2015 Jul;32(7):595-611 (17)Eur Thyroid J. 2016 Mar;5(1):9-26. In besonderen Fällen kann auch eine knöcherne Entfernung der lateralen Wand der Orbita in Erwägung gezogen werden (18)Orbit. 2013 Aug;32(4):239-46.
Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit
Zur Behandlung der Hyperthyreose bei Schwangeren wird meist Methimazol bevorzugt. Wird jedoch die Therapie wegen Nebenwirkungen abgebrochen, so kann während des ersten Trimenons einer Schwangerschaft laut Empfehlung der Amerikanischen Schilddrüsengesellschaft (American Thyroid Association, ATA) auch Propylthiouracil akzeptiert werden (19)Pediatr Endocrinol Rev. 2010 Sep;8(1):25-33. Um eine fetale Hypothyreose zu vermeiden, sollte eine möglichst geringe Dosis der Medikamente gewählt werden; die Schilddrüsenhormone der Mutter sollten in den oberen Normbereich fallen (20)Nuklearmedizin. 2015;54(3):106-11.
Während der Stillzeit sollten keine Thyreostatika gegeben werden. Allerdings ist das Risiko einer Kindesschädigung recht gering, so dass die Empfehlungen schwächer ausfallen: Propylthiouracil wird in diesen Fällen wegen der geringeren Konzentration in der Brustmilch manchmal bevorzugt, andererseits wird auch hier wegen der potenziell leicht größeren Nebenwirkungsrisiken oft Methimazol bevorzugt (21)Pediatr Endocrinol Rev. 2010 Sep;8(1):25-33.
Als Nebenwirkungen der Thyreostatika werden vor allem teratogene (fruchtschädigende) und hepatotoxische (leberschädigende) Effekte angeführt.
Thyreostatika während einer Schwangerschaft: Frühere Beobachtungen ließen annehmen, dass diese Medikamente, vor allem Methimazol, im ersten Trimenon zu einer leichten Erhöhung von Fehlbildungen im Nasenrachenbereich (choanale Atresie) und Harnleitermalformationen führen und Propylthiouracil auch zu Malformationen im Gesichts und Nackenbereich und Leberschäden (22)J Obstet Gynaecol Can. 2012 Nov;34(11):1077-86 (23)J Clin Endocrinol Metab. 2013 Nov;98(11):4373-81. Inzwischen besagt jedoch eine Metaanalyse aller randomisierter und kontrollierter Studien, dass die Behandlung mit Propylthiouracil die Risiken unerwünschter Schwangerschaftsausgänge nicht erhöht. Die Ergebnisse unterstützten laut den Autoren die Anwendung von Propylthiouracil während der Schwangerschaft, um den Ausgang der Schwangerschaften bei Patientinnen mit Hyperthyreose zu verbessern. (24)PLoS One. 2022 Mar 10;17(3):e0265085. DOI: 10.1371/journal.pone.0265085
→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.
Verweise
Literatur