Hereditäre Pankreatitis

Die hereditäre Pankreatitis ist eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, die durch eine Genanomalie gefördert wird. Die Anlage ist erblich.

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Eine genetisch bedingte Pankreatitis ist eine Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), die ohne erkennbare Ursache auftritt. Sie kann eine genetische Grundlage haben und stellt ein deutlich erhöhtes Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) dar.

Wenn in einer Familie gehäuft unerklärte Bauchspeicheldrüsenentzündungen auftreten, so liegt der Verdacht auf eine genetische Ursache nahe. In diesen Fällen können weitere Familienmitglieder gefährdet sein. Inzwischen wurden Gen-Varianten entdeckt, die zu einem deutlich erhöhten Risiko für eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) führen, und damit auch für Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom). Vor allem junge Menschen mit solch einer familiären Belastung oder mit einer Pankreatitis ohne adäquaten Anlass sollten sich genetisch beraten und untersuchen lassen.

Pankreatitis – einfach erklärt

Die hereditäre Pankreatitis ist folgendermaßen charakterisiert:

  • frühes Auftreten schon in jugendlichem Alter,
  • wiederholte akute Schübe und
  • die Chronifizierung (Entwicklung einer sich ständig verschlechternden Verlaufsform). 1

Genetik

Für die genetisch bedingte Pankreatitis sind verschieden Genvarianten gefunden worden.

PRSS1: Dieses Gen kodiert für kationisches Trypsinogen, die Vorstufe des Hauptenzyms der Bauchspeicheldrüse für die Verdauung von Eiweiß. In bis nahezu 100 % der Fälle familiärer, hereditärer Pankreatitis findet sich eine pathologische Variante dieses Gens. Es wird autosomal dominant vererbt. Die pathologischen Varianten von PRSS1, die mit der Entwicklung einer hereditären Pankreatitis verbunden sind, führen zu einer Umwandlung von Trypsinogen in Trypsin bereits in der Bauchspeicheldrüse, wohingegen die Aktivierung normalerweise erst im Duodenum stattfindet.

SPINK1: Dieses Gen kodiert für einen Serinproteaseinhibitor, der als Trypsin-Inhibitor wirkt. Eine pathologische Variante mit hoher Pankreatitis-Prädisposition ist in Ostasien verbreitet. Sie bewirkt eine Senkung des Schutzes der Bauchspeicheldrüse vor einer zu frühzeitigen Aktivierung des Trypsins.

CFTR: Dieses Gen kodiert für das „cystic fibrosis transmembrane conductance protein“ und ist hauptsächlich für die bikarbonatreiche Flüssigkeitsproduktion in den Zellen der Pankreasgänge verantwortlich. Ist sie (in Folge eines falschen Genprodukts) gestört, so kommt es zu einer Sekreteindickung und damit zu einer Abflussstörung des Verdauungssafts der Bauchspeicheldrüse, wiederum mit der Folge einer Aktivierung des Trypsins bereits im Organ. Die Schwere der Ausprägung hängt von der Art der vorliegenden CFTR-Variante ab; von ihr hängt beispielsweise auch die Beteiligung der Lungen im Rahmen einer zystischen Fibrose (Mukoviszidose) ab.

CLDN2: Dieses Gen kodiert für Claudin, welches die Ductuluszellen der Pankreasausführgänge an den Tight-jucctions abdichtet. Eine pathogene Variante wird mit der Alkoholpankreatitis in Zusammenhang gebracht. Da es X-chromosomal gebunden ist, ist die Wahrscheinlichkeit für Männer (1 X), eine Alkoholpankreatitis zu bekommen, deutlich höher als für Frauen (2 X, seltene Homozygotie). Fast 50 % aller Männer mit Alkoholpankreatitis sollen eine pathologische CLDN2-Variante haben. 2

In seltenen Fällen liegen mehrere genetische Ursachen kombiniert vor. 3

Entstehung

Von zentraler Bedeutung für die Entstehung einer Pankreatitis ist eine frühzeitige Aktivierung des Eiweiß verdauenden Enzyms Trypsin bereits in der Bauschspeicheldrüse; dies gilt auch im Wesentlichen für die genetisch bedingte Pankreatitis. 2

Normalerweise wird das in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildete Trypsinogen (eine inaktive Vorstufe des Eiweiß verdauenden Enzyms Trypsin) erst im Dünndarm zu Trypsin aktiviert.

Eine vorzeitige Aktivierung von Verdauungsenzymen bereits in der Bauchspeicheldrüse führt zur Selbstverdauung des Organs. Vor einer solchen Selbstverdauung schützt sich die Bauchspeicheldrüse, indem sie Inaktivatoren in ausreichender Menge produziert. Mangelt es jedoch genetisch bedingt an Trypsin-Inhibitoren, kommt es zu einer vorzeitigen Aktivierung und verlängerten Wirkung von Trypsin. Die Abbauprodukte wirken entzündungsfördernd.

Auch bei Patienten mit empfindlicher Reaktion des Pankreas auf Alkohol (oder andere Noxen) spielt ein Mangel an Trypsin-Inhibitoren eine entscheidende Rolle. 4

Diagnostik

Die Pankreatitis wird durch erhöhte EnzymBauchspeicheldrüsenwerte gesichert. Das Auftreten bereits in frühen Lebensjahren ohne Alkohol als Auslöser und eine familiäre Häufung macht die Diagnose bereits relativ sicher. Eine genetische Analyse sichert sie. Bestimmt werden Mutationen im PRSS1- (kationisches Trypsinogen-Gen, häufigste Mutation) und im SPINK1-Gen (Trypsin-Inhibitor). 5

Indikation zu einer genetischen Untersuchung

Wenn in einer Familie

  • mindestens 2 Mitglieder in mindestens zwei verschiedenen Generationen eine Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) entwickelt haben,
  • eine autosomale Vererbung möglich ist und
  • sonstige bekannte Risikofaktoren (siehe hier) zur Erklärung nicht ausreichen,

so kann eine hereditäre Pankreatitis angenommen werden.

Auch eine idiopathische sporadische Pankreatitis ohne erkennbaren familiären Hintergrund kann,

  • wenn Einflüsse aus Umwelt,
  • Lebens- und Ernährungsstil und
  • metabolische Ursachen

als Auslöser unwahrscheinlich erscheinen, eine genetische Grundlage besitzen.

Genetische Untersuchung

Die genetisch bedingte Pankreatitis lässt sich genetisch verifizieren. Dabei wird oft eine Reihenfolge nach Häufigkeit der betroffenen Gene eingehalten.

PRSS1 ist zunächst der Hauptkandidat; SPINK1 und CFTR gehören zu den engeren Kandidaten. Die Untersuchungen können auf eine Reihe weiterer Genvarianten (s. o.) ausgedehnt werden.

Das Ergebnis hat Auswirkungen auf eine Testung weiterer, vor allem junger Familienmitglieder, bei denen im Fall eines positiven Nachweises ein Vorsorgeprogramm eingeleitet werden sollte (s. u.).

Symptomatik und Verlauf

Die Pankreatitis macht sich bereits in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter durch erste Schübe bemerkbar. Die Symptomatik entspricht im Wesentlichen der einer chronischen alkoholischen Pankreatitis. Schübe sind bereits durch verhältnismäßig geringe Mengen Alkohol auslösbar. Schädigende Noxen wie Alkohol und Nikotin sollten daher vollständig gemieden werden.

Auch die Bereitschaft für eine Pankreatitis, die bei manchen Menschen nach einer ERCP auftritt, scheint durch solche genetischen Faktoren mitbestimmt zu sein.
Post-ERCP-Pankreatitis

Therapie

Die Behandlung einer genetisch bedingten Pankreatitis richtet sich im Wesentlichen nach den gleichen Richtlinien wie für andere Formen der akuten Pankreatitis.

In besonders schweren Fällen rezidivierender und chronischer Pankreatitiden oder zur Vorbeugung eines Pankreaskarzinoms kann eine totale Pankreasentfernung (Pankreatektomie) mit Autotransplantation von Inselzellen indiziert sein 6. 7 Durch eine Pankreasentfernung lässt sich auch das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs ausschalten.

 

Heute wird dabei zur Prophylaxe eines pankreopriven Diabetes (Zuckerkrankheit durch Insulinmangel nach Pankreasentfernung) oft schon eine gleichzeitige Transplantation eigener Inselzellen vorgenommen.

→ Zur Therapie einer chronischen Pankreatitis siehe hier.

Verweise

Fachinfos

Patienteninfos

Weiteres

Referenzen

  1. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2008;22(1):115-30[]
  2. LaRusch J, Solomon S, Whitcomb DC. GeneReviews® [Internet]. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993-2014. 2014 Mar 13[][]
  3. Korean J Pediatr. 2013 May;56(5):227-30[]
  4. Gut. 2002 May;50(5):687-92[]
  5. Med J Aust. 2022 Jun 20;216(11):578-582. DOI: 10.5694/mja2.51517[]
  6. Pancreatology. 2014 Jan-Feb;14(1):27-35[]
  7. J Am Coll Surg. 2014 Apr;218(4):530-43[]