Berardinelli-Seip-Syndrom

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Das Berardinelli-Seip-Syndrom ist eine sehr seltene genetisch bedingte generalisierte Lipodystrophie (engl: congenital generalized lipodystrophy, CGL). Sie ist durch einen Mangel an Fettgewebe und extrem hohe Spiegel an Neutralfetten (Triglyceride) im Blut sowie durch eine frühzeitige Arteriosklerose charakterisiert. Dem Syndrom liegt ein Mangel an dem Fettgewebshormon Leptin zugrunde, der durch eine Mutation im AGPAT2-Gen bedingt ist. 1

Das Wichtigste

Kurzgefasst
Das Berardinelli-Seip-Syndrom ist eine sehr seltene und schwerwiegende Stoffwechselkrankheit, bei der die Bildung von Fettgewebe im Körper gestört ist. Die Fettzellen sind nicht in der Lage, Fett zu speichern. Dafür finden sich viel zu hohe Fettwerte im Blut. Das überschüssige Fett wird in der Leber gespeichert. Es entsteht frühzeitig eine Fettleber.

Charakteristisch ist die Entwicklung einer Zuckerkrankheit,  einer vorzeitigen Verkalkung der Blutgefäße, einer Fettleber und einer Neigung zu wiederholten Bauchspeicheldrüsenentzündungen.

Diagnostisch ausschlaggebend sind ein stark erhöhter Spiegel an Triglyceriden und ein starker Mangel an Leptin im Blut.Die Diagnose wird durch eine genetische Analyse gestellt.

Alle die Komplikationen lassen sich heute durch künstliches Leptin, das Metreleptin (Myalept) sehr gut behandeln. 2

Triglyceride
Leptin


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Beschreibung

Die Erkrankung manifestiert sich bereits bei der Geburt (kongenitale Lipodystrophie). Fettzellen fehlen fast vollständig oder sind unfähig, Triglyceride zu speichern. Die Spiegel an Chylomikronen und entsprechend an Triglyceriden im Blut sind stark erhöht. Der Leptinspiegel ist deutlich vermindert, was zu Heißhunger führt. Es besteht eine periphere Insulinresistenz. Zu den Folgen gehören frühzeitige Arteriosklerose, Fettleber, Diabetes und die Neigung zu einer Pankreatitis. Auch werden Herzmanifestationen mit Kardiomyopathie und Herzrhythmusstörungen beschrieben 3.

Genetische Grundlagen

Die Erkrankung wird autosomal rezessiv vererbt. Der Defekt betrifft verschiedene Gene, vor allem AGPAT2, BSCL2 (Seipin-Gen), Caveolin 1 (CAV1) und das Gen für den Polymerase-I-und-Transcriptrelease Factor (PTRF). 4

Typen

Je nach genetischer Ursache werden verschiedene CGL-Typen unterschieden 5. Alle entwickeln eine Isulinresistenz mit ihren Folgen. Es wurden auch einige klinische und laborchemische Unterschiede gefunden 6 1:

  • Typ 1 beruht auf AGPAT2-Mutationen. Das Fettgewebe ist an Handflächen, Fußsohlen, Kopfhaut und in der Augenregion bleibt erhalten. Der Adiponectin-Spiegel ist gegenüber Typ 2 niedriger.
  • Typ 2 beruht auf BSCL2-Mutationen. Schwerste Form der Lipodystrophie. Eine Leberbeteiligung tritt gehäuft auf. Der Leptinspiegel ist deutlich niedriger als bei den anderen Typen 7. BSCL2 kodiert für Seipin, welches für die Bildung und Aufrechterhaltung von Fetttröpfchen in Fettzellen erforderlich ist 8
  • Typ 3 beruht auf CAV1-Mutationen.
  • Typ 4 beruht auf PTRF-Mutationen. Bei ihm tritt eine Myopathie (Muskelschwäche) gehäuft auf.

Diagnostik

Die Erkrankung wird meist bereits bei der Geburt diagnostiziert. Leitend sind stark erhöhte Fettwerte im Blut. Eine genetische Analyse sichert die Diagnose. Selten sind die Folgen einer frühzeitigen Arteriosklerose, z. B. ein früher Herzinfarkt 9, Anlass für entsprechende Blutuntersuchungen. 10

Der Habitus kann auf die Krankheit hinweisen: Bei Erwachsenen kann eine ausgeprägte Adipositas mit starker Bauchumfangsvermehrung zusammen mit mangelndem Unterhautfettgewebe in den unteren Extremitäten (Gesäß- und Oberschenkelregion) und oberen Extremitäten auffällig sein. Auch können eine Acanthosis nigricans und Zeichen einer Akromegalie mit vergröberten Händen und Füßen vorliegen. 11

Differenzialdiagnosen der Lipodystrophie

Eine Lipodystrophie (LD) kann verschiedene Ursachen haben. Besser spricht man von lipodystrophischen Syndromen. Es wird eine erworbene Form von genetischen Formen unterschieden. Eine erworbene Form ist die HIV-bedingte LD.

Zu den genetisch bedingten Ursachen gehören:

  • angeborene generalisierte Lipodystrophie (CGL),
  • familiäre partielle Lipodystrophie (FPLD, vorwiegend Typ 1 und 2),
  • erworbene generalisierte Lipodystrophie (AGL) und
  • erworbene partielle Lipodystrophie (APL). 12

Zu den Subtypen gehören u. a. das Köbberling-Syndrom, das Dunnigan-Syndrom, das Barraquer-Simons-Syndrom, das Lawrence-Syndrom. 13

Therapie

Metreleptin gilt als wirksam 14 15 16. In einer Spanischen Studie führte es (subkutane Selbstinjektionen) zu einer wesentlichen Verbesserung der Stoffwechselparameter: das HbA1c (zur Diabeteskontrolle) sank von durchschnittlich 10,4 auf 7,1, der Triglyceridspiegel sank um im Mittel 76 %, die erhöhten Leberenzyme um 65 %. 17

 


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Verweise

Referenzen

  1. J Clin Endocrinol Metab. 2016 Dec;101(12):4500-4511. doi: 10.1210/jc.2016-2466[][]
  2. Nat Rev Endocrinol. 2015 Sep;11(9):522-34. doi: 10.1038/nrendo.2015.123.[]
  3. Clin Diabetes. 2016 Oct; 34(4): 181–186[]
  4. Endocrinol Metab Clin North Am. 2017 Jun;46(2):539-554. doi: 10.1016/j.ecl.2017.01.012[]
  5. Nat Rev Endocrinol. 2015 Sep;11(9):522-34. doi: 10.1038/nrendo.2015.123.[]
  6. J Clin Endocrinol Metab. 2016 Jul;101(7):2759-67. doi: 10.1210/jc.2016-1005.[]
  7. J Clin Endocrinol Metab. 2010 Mar;95(3):1463-8. doi: 10.1210/jc.2009-1824[]
  8. Proc Natl Acad Sci U S A. 2007 Dec 26;104(52):20890-5.[]
  9. Eur J Case Rep Intern Med. 2022 Dec 14;9(12):003658. doi: 10.12890/2022_003658[]
  10. Hormones (Athens). 2022 Dec;21(4):555-571. doi: 10.1007/s42000-022-00386-7[]
  11. JCEM Case Rep. 2023 Jun 12;1(3):luad066. doi: 10.1210/jcemcr/luad066[]
  12. Hormones. 2022;21:555–571. doi: 10.1007/s42000-022-00386-7[]
  13. Int J Mol Sci. 2024 Apr 27;25(9):4785. doi: 10.3390/ijms25094785[]
  14. Ther Clin Risk Manag. 2015 Sep 16;11:1391-400. doi: 10.2147/TCRM.S66521[]
  15. Recent Pat Endocr Metab Immune Drug Discov. 2015;9(2):74-8[]
  16. J Hum Genet. 2014 Jan;59(1):16-23. doi: 10.1038/jhg.2013[]
  17. Endocrine. 2015 May;49(1):139-47. doi: 10.1007/s12020-014-0450-4.[]