Vitiligo

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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Vitiligo (Hautflechte, Scheckhaut) bedeutet Hautflechte und ist durch entfärbte Areale der Haut charakterisiert. Die Pigmentationsstörung entsteht durch Zerstörung der Pigment-bildenden Zellen der Haut durch einen Selbstangriff des Immunsystems.Es handelt sich damit um eine Autoimunkrankheit. Bei etwa 20 % der Betroffenen wird eine familiäre Belastung und oft auch eine Assoziation mit einer anderen Autoimmunkrankheit, wie mit einer Rheuma- oder Schilddrüsenerkrankung, gefunden.

Die Entfärbungen entstehen überwiegend in der Jugend und jungen Erwachsenenalter und können ein kosmetisches und damit ein psychologisches Problem darstellen.

Die Behandlung besteht in erster Linie in der Anwendung lokaler Kortisonpräparate und Cyclosporinabkömmlinge. Auch eine Phytotherapie (Pflanzenstoffe, s. u.) kann wirksam sein. In einigen Fällen kann eine Repigmentierung erreicht werden. Bei mangelndem Erfolg können weitere Optionen, wie eine Phototherapie und plastische Operationen, in Erwägung gezogen werden. Die Behandlung erfolgt individuell und kann auch die Notwendigkeit einer psychischen Stabilisierung beinhalten.

Autoimmunkrankheiten
Die menschliche Hautfarbe


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Allgemeines

Vitiligo betrifft weltweit bis 0,5 – 2 % der Bevölkerung. Es werden 2 Formen unterschieden: (1)Biomedicines. 2022 Jul 8;10(7):1639. DOI: 10.3390/biomedicines10071639

  • Die nicht segmentale Form (NSV): Die nicht segmentale Form überwiegt. Sie umfasst verschiedene Unterformen, von denen die akrofaziale (Hand, Fuß, Gesicht) und die generalisierte Variante neben verschiedenen gemischten Formen hervorstechen. Bei der NSV ist die Immunreaktion systemisch. Die NSV ist häufiger mit anderen Autoimmunkrankheiten assoziiert.
  • Die segmentale Form (SV): Die segmentale Form macht 5 – 16 % aller Fälle aus. Bei der SV ist die Immunreaktion lokal.

Etwa 25 % der Vitiligo-Depigmentierungen entstehen bereits vor dem 10. Lebensjahr, 50 % vor dem 20sten und bis zu 80 % vor dem 30sten.

Depigmentierungen der Haut haben je nach Lokalisation u. U. erhebliche Auswirkungen auf das psychische Befinden und sollten daher nicht als einfache Anomalie abgetan werden.

Entstehung

Die fleckenartigen Entfärbungen der Haut beruhen auf einem selektiven Verlust von pigmentbildenden Hautzellen, den Melanozyten. (2)Annu Rev Immunol . 2020 Apr 26;38:621-648. DOI: 10.1146/annurev-immunol-100919-023531 . (3)Dermatology  2020;236(6):571-592. DOI: 10.1159/000506103 (4)Biomedicines. 2022 Jul 8;10(7):1639. DOI: 10.3390/biomedicines10071639

Das normale Hautkolorit, welches unter Sonneneinstrahlung zum Schutz vor uv-Strahlung dunkler wird, beruht auf der Fähigkeit bestimmter Zellen, der Melanozyten, einen dunklen Farbstoff, das Melanin, zu bilden und an benachbarte Hautzellen abzugeben. Bei der Vitiligo kommt es zu einem immunologischen Angriff, der auf eine Zerstörung dieser Zellen hinausläuft. An dem Prozess sind genetische und Umweltfaktoren beteiligt.

Eine genetische Prädisposition liegt bereits wegen der bekannten familiären Häufung auf der Hand. Etwa 20% der Betroffenen haben einen Verwandten 1sten Grades mit derselben Hauterscheinung. Inzwischen sind einige beteiligte Gene identifiziert worden, die alle mit dem Immunsystem assoziiert sind und auch bei anderen Immunkrankheiten gefunden wurden, beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis, dem Diabetes Typ 1 und bei autoimmunen Schilddrüsenkrankheiten.

Auslöser können verschiedene Noxen der Umwelt sein. Insbesondere werden oxidativer Stress und eine lokale ROS-Produktion (ROS: reaktive Sauerstoffspezies) verantwortlich gemacht. Dabei spielen eine besondere Empfindlichkeit der Mitochondrien eine Rolle, wenn sie vermehrt ROS produzieren („leaky“ Atemkette).

Die Zerstörung der Melanozyten beruht großenteils auf einem programmierten Zelltod (Apoptose), der durch zytotoxische T-Lymphozyten (CD8+-T-Zellen) angeregt wird. Diese T-Zellen produzieren eine Reihe von Mediatorstoffen, darunter solche, die eine lokale Entzündung fördern, und solche (wie IFN-γ, Interferon-gamma), die eine autoreaktive Reaktion hervorrufen und die Melanozyten-Apoptose fördern.

Diagnostik

Die Diagnosestellung erfolgt per Augenschein. Meist ist Hautbiopsie entbehrlich. Einige seltene Differenzialdiagnosen, wie das amelanotische Melanom, ein Naevus depigmentosus oder eine amelanotische Narbe können u.U. eine Histologie erfordern. Daneben gibt es sehr seltene Differenzialdiagnosen, wie Lepra oder eine toxische Medikamentenreaktion der Haut, die ebenfalls einer eingehenderen Diagnostik bedürfen.

Im Rahmen einer Vitiligo-Diagnostik sollte das Vorliegen anderer Autoimmunkrankheiten bedacht werden, so eine rheumatoide Arthritis, eine autoimmune Schilddrüsenerkrankung (z. B. Hashimoto Thyreoiditis), ein Morbus Addison, eine perniziöse Anämie, ein Lupus erythematodes und eine Alopezie (immunologisch bedingter Haarausfall).

Der Diagnostiker sollte sich über die psychischen Auswirkungen der Hautkrankheit bei den meist jungen Betroffenen informieren (z. B. Scham, Depression).

Behandlung

Die Behandlung ist schwierig und langwierig. Zu der therapeutischen Optionen gehören eine Phototherapie, systemische Immunsuppressiva und ggf. auch chirurgische Interventionen. Die Behandlungsindikationen werden individuell ausgerichtet, wobei Lokalisation, Ausprägung und psychische Faktoren für die Therapiewahl ausschlaggebend sein können. Im optimalen Fall können solche Maßnahmen zu einer Repigmentierung führen. (5)Dermatology  2020;236(6):571-592. DOI: 10.1159/000506103

Das Europäische Dermatologie-Forum empfahl 2013 (6)Guidelines for the management of vitiligo: the European Dermatology Forum consensus. Br J Dermatol. … Continue reading als Erstlinienbehandlung topische (lokale) Anwendung von Kortisonpräparaten und Calcineurinhemmern (TCI: topische Calcineurininhibitoren wie Cyclosporin und Abkömmlinge) und als Zweitlinientherapie eine Phototherapie (NB-UVB, gebündeltes 308 nm monochromatisches Licht) und eine systemische Steroidbehandlung.

Eine NB-UVB-Bestrahlung führte in einer Zusammenstellung von Ergebnissen bei 9 – 14 % der Patienten zu einer Repigmentierung von über 75 % der betroffenen Hautfläche. (7)JAMA Dermatol. 2017 Jul;153(7):666–74

Eine plastische Operation (Hautransplantationen) kann je nach Lokalisation in ansonsten therapeutisch erfolglosen Fällen indiziert sein. (8)Br J Dermatol. 2013 Oct;169 Suppl 3:57–66

Weitere Optionen und neue Entwicklungen

Prostaglandin E2 führte als Gel 2x täglich aufgetragen zu einer Repigmentierung in 40/56 Patienten, die bei 22 Patienten sehr gut und bei 8 vollständig war. (9)Br J Dermatol. 2009 Apr;160(4):861–3. Weitere Untersuchungen wurden mit Bimatoprost (10)J Drugs Dermatol. 2016 Jun;15(6):703–10., einem synthetischen Analog von Prostaglandin F, sowie mit dem JAK-Inhibitor Ruxolitinib (11)J Am Acad Dermatol. 2017;76:1054–60. e1051 durchgeführt, jeweils mit mäßigem bis gutem Erfolg. Ruxolitinib-Creme führte zu Nebenwirkungen (lokale Akne, Nasopharyngitis, lokaler Juckreiz). (12)N Engl J Med . 2022 Oct 20;387(16):1445-1455. DOI: 10.1056/NEJMoa2118828 Plättchenreiches Plasma ist in Kombination mit anderen Therapien eine weitere Option, da es Wachstumsfaktoren enthält, die eine Wirkungsverstärkung hervorrufen können. (13)J Drugs Dermatol. 2016 Jun;15(6):703–10.

Verweise

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