Vitamin E

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Als Vitamin E werden verschiedene Tocopherole und Tocotrienole zusammengefasst. Alpha- und Gamma-Tocopherol sind die Hauptformen von Vitamin E in menschlicher Kost. Das Vitamin wurde 1922 als ein Faktor entdeckt, der die embryonale Mortalität in Ratten verringert (1)Science. 1922 Dec 8; 56(1458):650-1.

Vitamin E ist rein pflanzlicher Herkunft und gehört mit den Vitaminen A, D und K zu den fettlöslichen Vitaminen (siehe hier).

Vitamin-E-Quellen in menschlicher Kost

Tocopherole und Tocotrienole (in geringeren Konzentrationen) finden sich in pflanzlichen Ölen (z. B. aus Soja, Sesam, Sonnenblumenkernen, Traubenkernen; Palmöl), Nüssen und Tomaten.

Gamma-Tocopherol ist in den Nahrungsmitteln mehr als Alpha-Tocopherol vorhanden; im Blut erscheint jedoch Alpha-Tocopherol in höherer Konzentration, weshalb es als das „klassische“ Vitamin E gilt. Die meisten klinischen Vitamin-E-Studien wurden mit ihm durchgeführt.


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Biosynthese und Funktion

Bildung: Vitamin E wird nur in grünen Pflanzen aus Tyrosin und Chlorophyll synthetisiert (2)Mol Nutr Food Res. 2005 Jan; 49(1):7-30. Seine evolutionsgeschichtliche Funktion soll der Schutz der Pflanzen gegen oxidativen Stress, der bei der Photosynthese entsteht, sein.

Funktion im antioxidativen Netzwerk: Vitamin E ist Teil eines antioxidativen Netzwerks, in dem sein durch Sauerstoffradikale entstandenes Oxidationsprodukt durch Ascorbinsäure wieder reduziert wird. Das entstehende Ascorbylradikal wird wieder reduziert insbesondere durch Glutathion (GSH), das dabei zu GSSG oxidiert wird. Die anschließende Reduktion von GSSG erfolgt vor allem durch NADPH, das am Ende der Reihe als endgültiger Elektronenakzeptor dient (3)Arch Biochem Biophys. 2016 Apr 1; 595():94-9.

Eine der Hauptwirkungen von Vitamin E liegt in der Unterstützung der Embryonalentwicklung. Während ein geringer bis mäßiger Mangel an Vitamin E bei Erwachsenen relativ selten symptomatisch auswirkt, macht er sich bei Schwangeren im ersten Trimester durch eine Neigung zu vermehrten Aborten bemerkbar. (4)Am J Clin Nutr. 2015;101(2):294-301. doi:10.3945/ajcn.114.094920

Grenzwerte

Die Untergrenze einer Tagesdosis von Tocopherol liegt (laut NIH, ähnlich DGE) bei Erwachsenen bei mindestens 15 mg (sie sollte jedoch besser etwas darüber liegen und 20-35 mg erreichen). Umrechnung: 1 mg von Alpha-Tocopherol entwpricht 1,49 IU der natürlich vorkommenden Form. Als tolerable Obergrenze einer Vitamin-E-Aufnahme wird 1000 mg/d angegeben. (5)Vitamin E. In: Drugs and Lactation Database (LactMed). Bethesda (MD): National Library of Medicine … Continue reading

Resorption und Stoffwechsel

Vitamin E aus pflanzlicher Kost wird nach ihrer Resorption im Dünndarm in Chylomikronen inkorporiert und mit der Lymphe zur Leber transportiert. Dort wird es durch ein α-Tocopherol-Transferprotein (TTP) unter Bevorzugung von Alpha-Tocopherol in VLDL (very low density lipoproteins) überführt; Gamma- und Delta-Tocopherole dagegen werden nur in geringen Ausmaß transferiert. In der Körperperipherie steht damit hauptsächlich Alpha-Tocopherol als Antioxidans zur Verfügung. Eine erhöhte Zufuhr von Alpha-Tocopherol unterdrückt wegen dieser Bevorzugung den Blutspiegel an Gamma-Tocopherol, welches vermehrt in der Leber abgebaut wird. (6)Proc Natl Acad Sci U S A. 1993 Mar 1; 90(5):1771-5 (7)Free Radic Biol Med. 2008 Mar 15;44(6):1203-8

Das α-Tocopherol-Transferprotein (TTP) ist für die Embryonalentwicklung essentiell. Seine Mutation führt zu einem Vitamin-E-Mangel im Körper und einer angeborenen Ataxie (Störung einer zielgerichteten Bewegungskoordination). Es findet sich in der Leber, im Uterus, den Plazentazellen und bei Vögeln im Dottersack. (8)PLoS One. 2012;7(10):e47402. doi:10.1371/journal.pone.0047402

Wirkungen

Vitamin E, insbesondere α-Tocopherol, wirkt als Antioxidans stabilisierend auf ungesättigte Fettsäuren und damit auf besonders auf die Zellmembranen. Vitamin E wurde daher lange Zeit als Schutz vor Entzündungen, Krebs, Herzkreislaufkrankheiten und Demenzerkrankungen angesehen. Die Studien wurden früher hauptsächlich mit Alpha-Tocopherol durchgeführt. Jüngere Studien zeigen jedoch, dass Gamma- und Delta-Tocopherol eine höhere Potenz zur Unterdrückung von Entzündungen, Zellproliferation und Tumoren aufweisen.

Antioxidative Eigenschaften

Alpha-Tocopherol wirkt in den Körperzellen als Antioxidans, indem es reaktive Sauerstoffspezies (ROS) abfängt (ROS-Scavenger). Im Gegensatz zu Alpha-Tocopherol vermag Gamma-Tocopherol auch reaktive Nitroverbindungen unter Bildung von 5-Nitro-?-Tocopherol abzufangen. Damit scheint im Zusammenhang zu stehen, dass Gamma-Tocopherol eine deutlich höhere antientzündliche und antitumoröse Eigenschaft besitzt als Alpha-Tocopherol (9)Nutrients. 2011 Nov;3(11):962-86.

Kontrastmittel-induzierte Nephropathie: Eine „klassische“ Folge einer oxidativen Organschädigung ist die Kontrastmittel-induzierte Nephropathie. Die Kombination von Vitamin E (Alpha-Tocopherol) und Kochsalzinfusionen ist Studien zufolge in der Lage, einer Nierenschädigung durch Applikation von Röntgenkontrastmitteln vorzubeugen. (10)J Med Assoc Thai. 2009 Oct;92(10):1273-81 (11)Nephrol Dial Transplant. 2013;28(2):337-344. doi:10.1093/ndt/gfs525

Die Porphyrie zeigt im Blut Hinweise auf oxidativen Stress. Sie können durch Alpha-Tocopherol reduziert werden, wie bei der Porphyria variegate nachweisbar ist (12)Br J Nutr. 2010 Jan;103(1):69-76. Vitamin E reduziert bei der Porphyria cutanea tarda zudem die Ausscheidung von Porphyrinen im Urin (13)Pharmacol Res 2002; 45: 355-359.

Anti-Tumor-Wirkung

Vitamin E existiert in verschiedenen Isoformen, wovon insbesondere Gamma- und Delta-Tocopherol und -Tocotrienol nicht nur reaktiven Sauerstoff sondern, anders als Alpha-Tocopherol, auch reaktiven Stickstoff abfangen kann. Sie wirken antiangiogenetisch (gegen Neubildung von Blutgefäßen, z. B. in Tumoren); ihre Wirkung geht über den NF-κB-Signalweg. Im Gegensatz zu Alpha-Tocopherol üben diese Isoformen eine Krebs bekämpfende Wirkung aus. (14)Crit Rev Food Sci Nutr. 2019;59(17):2831-2838. doi:10.1080/10408398.2018.1474169 Ob ein Vitamin-E-Mangel mit einer erhöhten Krebsrate assoziiert ist, ist unbekannt.

Die anti-Tumor-Potenz von Vitamin E wurde in Tiermodellen verschiedener Tumore untersucht; dabei wurden Erfolg versprechende Ergebnisse erzielt. Die Effekte waren in klinischen Studien bei Brustkrebs, Lungenkrebs (15)Int J Cancer. 2006 Feb 15;118(4):970-8 und Darmkrebs (16)Cancer Causes Control. 2010 Nov;21(11):1745-57 jedoch nicht immer sicher nachweisbar (17)Carcinogenesis. 2010 Apr;31(4):533-42.

  • Brustkrebs: Bei Chinesischen Frauen wurde eine protektive Wirkung gegen Brustkrebs gefunden (18)Cancer. 2009;125:181–188.
  • Prostatakarzinom: Beim Prostatakarzinom scheint α-Tocopherol keine vorbeugende Wirkung zu haben; Gamma-Tocopherol zeigte dagegen in einer Untersuchung eine Reduktion des Risikos für eine klinisch relevante Erkrankung (19)Cancer Epidemiol Biomarkers Prev. 2007 Jun;16(6):1128-35. Auch Alpha-Tocopherol soll laut einer Studie 2012 bei Rauchern Prostatakrebs vorbeugen können (20)PLoS One. 2012;7(7):e40204. doi: 10.1371/journal.pone.0040204. Epub 2012 Jul 5. Wirksam scheint vor allem Gamma-Tocotrienol zu sein (21)Br J Cancer. 2008 December 2; 99(11): 1832–1841.
  • Lungenkrebs: In einer Auswertung von 1088 Fällen von Lungenkrebs wurde festgestellt, dass eine erhöhte Aufnahme von Alpha-Tocopherol zu einer Reduktion des Lungenkrebsrisikos von über 34% führt (22)Int J Cancer. 2008 Sep 1;123(5):1173-80. In einer Studie an Versuchstieren wurde jedoch festgestellt, dass Delta-Tocopherol das Wachstum von Lungenkrebs mehr als andere Vitamin-E-Formen (Alpha- und Gamma-) unterdrückt (23)Cancer Prev Res (Phila). 2011 March; 4(3): 404–413.

Antientzündliche Wirkung

Gamma- und Delta-Tocopherole zeigen eine antientzündliche Wirkung. Sie hängt wahrscheinlich mit der Beeinflussung von ICAM (= intercellular adhesion molecule-1) und darüber einer Rekrutierung von Entzündungszellen in Infektionsgebieten zusammen.
Die ICAM-1-abhängige Leukozyten-Rekrutierung wird durch die verschiedenen Tocopherole gegensinnig reguliert: Alpha-Tocopherol hemmt sie, Gamma-Tocopherol, das sich von Alpha-Tocopherol nur in einer Methylgruppe unterscheidet, dagegen erhöht sie (24)J Immunol. 2009 Apr 1; 182(7):4395-405 (25)PLoS One. 2012;7(7):e41054. doi: 10.1371/journal.pone.0041054. Epub 2012 Jul 17. Somit sind Studien nur aussagekräftig, wenn sie die verschiedenen Formen von Vitamin E differenzieren.

Metabolisches Syndrom: Eine klinische Studien mit Alpha-Tocopherol zeigte keinen Effekt auf Biomarker für oxidativen Stress bei Menschen mit metabolischem Syndrom; die Kombination mit Gamma-Tocopherol dagegen führte zu einer signifikanten Reduktion des HsCRP-Spiegels [21]. In einer Studien an Patienten mit Typ-2-Diabetes führte Alpha-Tocopherol zu keiner, Gamma-Tocopherol dagegen zu einer signifikanten Senkung der Produktion von Leukotrien B(4) durch neutrophile Granulozyten; dagegen wurden CRP, TNF-alpha und IL-6 nicht beeinflusst.

Nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH): Vitamin E verbessert bei 247 Patienten die Aktivität der NASH signifikant gegenüber Placebo (43% vs. 19%) (26)N Engl J Med. 2010 May 6; 362(18): 1675–1685. Es wird angenommen, dass die durch oxidativen Stress bedingte Entzündung der Leber durch Vitamin E unterdrückt wird. Bei der Fettlebererkrankung (NAFLD) übergewichtiger Kinder dagegen konnte eine Studie keine Reduktion der Transaminase ALT beobachten (27)JAMA. 2011 April 27; 305(16): 1659–1668., während eine frühere Studie einen positiven Effekt fand (28)JAMA. 2011 April 27; 305(16): 1659–1668..

Schutz des Gehirns vor Neurodegeneration

Tocopherol schützt das Gehirn vor oxidativer Schädigung. Alpha-Tocopherol reduziert in Mäusen das durch Sauerstoffmangel (Ischämie) bedingte Areal einer Schädigung bedeutend. Gamma- und Tocotrienol sowie Delta-tocopherol zeigten dagegen keinen Effekt. (29)Neurosci Lett. 2003;337(1):56-60. doi:10.1016/s0304-3940(02)01293-4

Vitamin E schützt insbesondere das Kleinhirn (Cerebellum) vor Fehlfunktion bezüglich der dort ablaufenden motorischen Koordinationen. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Vitamin E hilft, die Fähigkeit zu lernen aufrecht zu erhalten. (30)Neurobiol Dis. 2015;84:78-83. doi:10.1016/j.nbd.2015.04.002

Schutz der Leber vor toxischer Schädigung

Die Schädigung der Leber durch Cadmium beruht auf oxidativem Stress; er kann im Tierexperiment (Ratten) durch Alpha-Tocopherol verringert werden. (31)Tunis Med. 2019;97(1):100-105. Die nichtalkoholisch bedingte Fettlebererkrankung (NAFLD) wird ebenfalls durch oxidativen Stress aufrecht erhalten und kann durch Vitamin E gebessert werden. (32)IUBMB Life. 2019;71(4):516-522. doi:10.1002/iub.1991

Schutz vor Osteoporose

Es wird angenommen, dass eine schwelende Entzündung im Knochen über verschiedene Cytokine (wie IL-1, IL-6, RANKL, OPG und M-CSF) zur Erhöhung des Osteoporoserisikos führt, indem sie zur Osteoklastendifferenzierung anregen. Vitamin E vermag im Tierexperiment, offenbar über die Unterdrückung von IL-1 und IL-6 und zudem über COX-2-Hemmung, das Osteoporoserisiko zu senken (33)Adv Pharmacol Sci. 2012;2012:142702. doi:10.1155/2012/142702. Insbesondere Tocotrienol wird eine knochenstabilisierende Wirkung zugeschrieben. (34)Int J Mol Sci. 2019;20(6):1355. Published 2019 Mar 18. doi:10.3390/ijms20061355 (35)Drug Des Devel Ther. 2018;12:555-564. Published 2018 Mar 16. doi:10.2147/DDDT.S158410 (36)Int J Mol Sci. 2020;21(13):4661. Published 2020 Jun 30. doi:10.3390/ijms21134661

Vitamin-E-Mangel

Ein Mangel an Vitamin ist bei normaler Ernährung sehr selten. Er wirkt sich vielfältig aus und betrifft besonders Gehirn und Nervensystem, das Immunsystem und die Embryonalentwicklung (siehe hier).

Verweise


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Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

Literatur[+]