Venetoclax ist ein Medikament zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL), des kleinen lymphozytischen Lymphoms (kleinzelliges B-Zell-Lymphom, engl.: small lymphocytic lymphoma, SLL) und der akuten myeloischen Leukämie (AML).
Wirkmechanismus
VEN ist ein BCL-2-Inhibitor. Es bindet an das Protein BCL-2 (B-cell lymphoma-2), welches auf entarteten CLL/SLL-Lymphozyten überexprimiert wird (übermäßig vorkommt) und deren Selbstzerstörungmechanismus (Apoptose) hemmt. Durch die Bindung von VEN an BCL-2 wird diese Wirkung unterdrückt. Damit wird die Selbstzerstörung der kranken Zellen wieder in Gang gebracht.
→ Programmierter Zelltod – Apoptose
→ Chronische lymphatische Leukämie
Pharmakokinetik
Venetoclax wird oral verabreicht, im Blut überwiegend an Eiweiß gebunden transportiert und in der Leber durch CYP3A4/5 metabolisiert. Sein Abbau kann durch andere Medikamente gestört werden, die an CYP3A kompetitiv metabolisiert werden. Dazu gehören Erythromycin, Ciprofloxacin, Diltiazem, Dronedaron, Fluconazol oder Verapamil. Auch Substanzen der Grapefruit hemmen CYP3A und können die Wirksamkeit von VEN verändern.
Venetoclax-Resistenz
In wenigen Fällen entwickelt sich bei CLL-Patienten eine Resistenz gegen VEN; dabei spielen überaktive Sphingosinkinasen (SPHK) 1 und 2 eine Rolle. Der duale SPHK1/2-Inhibitor SKI-II verstärkt laut einer Untersuchung die Apoptose und reduziert die Aktivität der CLL. Die Autoren merken an, dass SPHK-Inhibitoren bereits resistente CLL-Zellen für eine zweite Venetoclax-Behandlung erneut sensibilisieren können. 1
Unerwünschte Effekte
VEN wird relativ gut vertragen. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse sind selbstlimitierender Durchfall und Übelkeit und Infektionen der oberen Atemwege. Schwerwiegend sind eher selten auftretende fieberhafte Neutropenie, Lungenentzündung und Immunthrombozytopenie. 2 3
Ausgewählte Studien
Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
Der Bcl-2-Inhibitor Venetoclax zeigte in mehreren Studien eine hervorragende Wirksamkeit bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL). Allerdings wird das Medikament inzwischen überwiegend in Kombination mit anderen Wirkprinzipien verabreicht. In jedem Fall steht eine Stärkung der Apoptose im Vordergrund.
Venetoclax plus Obinutuzumab: Die Kombination VEN plus Obinutuzumab (OBI, ein monoklonaler Anti-CD20-Antikörper) erwies sich in einer Studie bei Patienten mit unbehandelter CLL und Begleiterkrankungen bezüglich eines progressionsfreien Überlebens der Alternative Chlorambucil-Obinutuzumab als überlegen. Das progressionsfreie Überleben nach 24 Monaten war in der Venetoclax-Obinutuzumab-Gruppe deutlich höher als in der Chlorambucil-Obinutuzumab-Gruppe (88,2 % vs. 64,1 %) 4.
VEN-OBI-IBRU: In einer Studie war nach 15 Monaten bei 92,2 % der Patienten der VEN-OBI-IBRU-Gruppe die Erkrankung nicht mehr nachweisbar. Hauptkomplikationen waren Infektionen 3. und 4. Grades, in der VEN-OBI-IBR-Gruppe 21,2 % 5 Eine seltene Komplikation von Obi ist eine Enzephalopathie 6 7.
VEN + IBRU: Eine Studie ergab nach 3 Jahren, dass 58,0 % der Patienten in der VEN-IBRU-Gruppe die Therapie aufgrund einer nicht nachweisbaren Resterkrankung abgebrochen hatten. Nach 5 Jahren waren 65,9 % im Knochenmark tumorfrei, und 92,7 % hatten im peripheren Blut keine Zeichen einer minimalen Resterkrankung (MDR, measurable residual disease). 8
Akute myeloische Leukämie (AML)
Für ältere oder morbide Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) hat die Kombination von Venetoclax (VEN) mit Azacytidin (AZA) im Vergleich zur AZA-Monotherapie zu höheren Gesamtansprechraten geführt. Inzwischen hat sich die Kombination als Goldstandard für Gruppen herausgestellt, die nicht für eine Intensivtherapie infrage kommen. 9
Bei jüngeren und ansonsten gesunden Patienten mit AML wird in der Regel zunächst eine intensive Induktionschemotherapie eingesetzt. Allerdings kommt es bei 30 – 40 % zu einem Rückfall und ein Therapieversagen. VEN hat in diesen Fällen in Kombination mit einer Chemotherapie Remissionen und ein verlängertes ereignisfreies Überleben bewirkt und den Übergang zur allogenen Transplantation erleichtert. 9
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Verweise
- Maligne Lymphome
- Chronisch lymphatische Leukämie
- Lymphozyten
- Programmierter Zelltod, Apoptose
- Störung des programmierten Zelltods bei Krebs
- Tumordiagnostik
Referenzen
- Front Oncol. 2023 Mar 20;13:1143881. doi: 10.3389/fonc.2023.1143881[↩]
- Blood. 2017;130(22):2401–2409[↩]
- N. Engl. J. Med. 2016;374:311–322[↩]
- N Engl J Med. 2019 Jun 6;380(23):2225-2236. doi: 10.1056/NEJMoa1815281[↩]
- N Engl J Med. 2023 May 11;388(19):1739-1754[↩]
- J Community Hosp Intern Med Perspect. 2023 Jun 29;13(4):82-83. doi: 10.55729/2000-9666.1216[↩]
- Ann Hematol. 2019 Jun;98(6):1509-1510. doi: 10.1007/s00277-018-3552-x.[↩]
- N Engl J Med. 2024 Jan 25;390(4):326-337. doi: 10.1056/NEJMoa2310063[↩]
- Cancers (Basel). 2023 Dec 22;16(1):73. doi: 10.3390/cancers16010073.[↩][↩]