Programmierter Zelltod – Apoptose

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Die Apoptose ist ein regulierter Prozess des Zelltods. Sie dient dazu, Zellen zum Nutzen des Organismus zu opfern. Es handelt sich um einen normalen physiologischen Prozess, der in vielzelligen Organismen ständig abläuft. Die Apoptose ist für das Wachstum, die Entwicklung, die Gewebeerneuerung sowie für die Formerhaltung Funktionsfähigkeit von Organismen unerlässlich 1.

Allgemeines

Die programmierte Selbstzerstörung ist ein genetisch fixierter Ablauf, der startet, wenn die Zellreparaturmechanismen, wie AutophagieFerroptose und Mitophagie, nicht mehr gebraucht werden oder nicht mehr funktionieren.

  • Mikroskopisch weisen Blasenbildung an der Plasmamembran, Zellschrumpfung und Kernkondensation (Kernpyknose) und -fragmentierung auf eine Apoptose hin.
  • Biochemisch kommt es zu einer DNA-Zerkleinerung und einem mRNA-Zerfall. Damit ist jede geregelte Zellfunktion außer Funktion gesetzt.

Der Abbau erfolgt geordnet, damit die Umgebung nicht geschädigt wird und die Abbauproduke wiederverwendet werden können. 2 Er unterscheidet sich essenziell von der Nekrose, die einen ungeordneten Zelluntergang darstellt, wie er durch mechanische, thermische oder chemische Noxen ausgelöst wird.

Der programmierte Zelltod spielt eine bedeutende Rolle während des Wachstums des Körpers, beim Remodeling (Umbau) von Organen und Geweben, während der Altersinvolution und bei der Eliminierung von Krebszellen.

Eine Störung der Apoptose kann zu Krankheiten prädisponieren, wie Autoimmunkrankheiten, lymphoproliferative Krankheiten und Krebs.

Apoptose vs. Nekrose

Eine Apoptose unterscheidet sich von einer Nekrose dadurch, dass sie durch ein genetisch fixiertes Selbstzerstörungsprogramm zum Zelltod führt, die Nekrose dagegen durch direkte toxische Einflüsse, wie z. B. durch Säure oder Detergenzien. 3 Allerdings können auch toxische Substanzen je nach Konzentration gleichzeitig eine Apoptose auslösen, so dass beide Mechanismen gleichzeitig ablaufen.

Apoptose und Autophagie

Autophagie ist ein Reparaturmechanismus der Zellen. Durch sie wird funktionsloses Material in Autophagosomen zu seuqestrieren (abgesondert) und unschädlich gemacht. Wenn die Fähigkeit zur Autophagie überschritten wird, tritt der Mechanismus der Selbstzerstörung durch Apoptose in Kraft. 4 Eine Hemmung der Autophagie beschleunigt die Apoptose und Nekroptose. 5 Dies kann in der Krebstherapie eine wirksame Option sein. 6 5

Apoptotischer und nicht-apoptotischer Zelltod

Der programmierte Zelltod ist ein zentraler Mechanismus, über den der Körper nicht reparierbare Zellen aus dem Verkehr zieht. Er ist bei vielen Krebsarten gestört mit der Folge, dass die atypischen Zellen weiterleben und sich vermehren können, statt sich selbst zu eliminieren.

Neben der Apoptose gibt es verschiedene nicht-apoptotische Wege, die zum Zelltod führen können. Zu ihnen zählen

  • die Ferroptose (Zelltod durch über Eisen ausgelöste Lipidperoxidation, siehe hier),
  • die Pyroptose (Induktion des Zelltods durch Entzündungsprozesse: wirksam über IL-1ß, IL-18 und Gasdermin 7 ) und
  • die Nekroptose (ebenfalls ein durch Entzündungsmediatoren ausgelöster Weg des Zellsuizids).

Diese Mechanismen setzen immunogenen Zellinhalt frei, zu denen DAMPs (damage-associated molecular patterns) und entzündliche Zytokine wie Interleukin-1β (IL-1β) gehören. 8

Ablauf

Während der Prozesse der geordneten Zellzerstörung werden über die Aktivierung spezieller Enzyme die Kern-DNA gespalten und die energieliefernden Prozesse unterbrochen. Die Proteine der Zelle werden abgebaut. Die Proteinspaltung erfolgt hauptsächlich durch die Aktivierung von Cysteinproteasen, den sogenannten Caspasen. Nicht verdauliche Reste werden durch Phagozyten (Fresszellen, spezielle Makrophagen) abgeräumt.

Messung der apoptotischen Aktivität

Ein Maß für die apoptotische Aktivität von Zellen ist ihre DNA-Fragmentierung. Die DNA wird durch eine Endonuklease gespalten. Die Teilstücke, die ein Vielfaches von etwa 180-bp-Oligomeren darstellen, lassen sich als DNA-Leiter auf einem Agarosegel sichtbar machen. 9

Start

Der Start einer Selbstzerstörung erfolgt durch

  • interne Auslöser (intrinsischer oder mitochondrialer Weg). Der interne Weg wird ausgelöst, wenn der oxidative Stress einer Zelle, der sich vor allem in den Mitochondrien manifestiert, zu groß wird.
  • externe Auslöser (extrinsischer Weg über „death receptors“, DR). Der extrinsische Weg wird beschritten, wenn Zerstörungsbefehle beispielsweise des Immunsystems über Rezeptoren gemeldet werden. 10

Beide Wege laufen in der Phase der apoptotischen Auflösung zusammen.

Intrinsischer oder mitochondrialer Weg

Der vom Inneren der Zelle ausgelöste (intrinsische) Weg der Selbstzerstörung wird auch als mitochondrialer Weg bezeichnet. Auslöser ist interner zellulärer Stress, der sich an DNA-Schäden oder im endoplasmatischen Retikulum manifestiert. An der Aktivierung beteiligt sind verschiedene Faktoren (BH3-Proteine BID, BIM, BAD, BIK, BMF, Noxa, PUMA und HRK). BH3-Proteine aktivieren pro-survival oder pro-apoptotische BH3-Proteine. Dies führt (je nach Aktivator) entweder zur Unterbrechung oder zur Fortsetzung des apoptotischen Zelltods. 11

Extrinsischer Weg über den Zelltodrezeptor DR

Der von außen angestoßene Weg der Selbstzerstörung benötigt äußere Reize, die an Zelltodrezeptoren (death receptors, DR) binden. Diese lösen über Signalwege im Inneren den Zerstörungsprozess der Zelle aus, wobei eine Caspase mitwirkt. Der Weg wird über eine mitochondriale Caspaseaktivierung verstärkt.

Die verschiedenen DR gehören zur Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Rezeptor-Superfamilie. Zu ihr gehören als Mitglieder Fas, TNFR1, DR3, DR4, DR5 und DR6. Es gibt acht Arten von Todesrezeptoren (DR1-DR8). 12 Apoptose-induzierende Liganden der TNF-Superfamilie (DR-L) sind beispielsweise TNF-α, FasL und der TNF-bezogene Apoptose-induzierende Ligand (TRAIL). 13

Programmed Cell Death Protein-1 (PD-1)

Auf der Oberfläche von Zellen des Immunsystems, den T- und B-Lymphozyten, befindet sich ein spezielles Protein (PD-1), welches die Aktivität der T-Zellen dämpft. PD-1 vermindert die Bereitschaft der regulatorischen T-Zellen (CD8-Zellen), sich zu inaktivieren. Seine natürliche Funktion besteht darin, die Ausgewogenheit einer Immunreaktion zu garantieren und eine überschießende Reaktion zu vermeiden. Es schützt damit vor Autoimmunkrankheiten. Das PD-1-Protein wird durch das PDCD1-Gen kodiert. 14 Antikörper gegen PD-1 sind Immun-Checkpoint-Inhibitoren. PD-1-Inhibitoren werden in der Krebstherapie eingesetzt, um die Apoptose der bekämpfenden Immunzellen zu hemmen und dadurch deren Effektivität zu steigern (siehe hier). Sie sind heute beispielsweise ein etablierter Standard für die adjuvante Therapie des Melanoms im Stadium III oder IV nach Resektion 15. Sie können aber zu Autoimmunkrankheiten prädisponieren 16.

Bei Patienten mit vorbestehender rheumatoider Arthritis, die Immun-Checkpoint-Inhibitoren zur Behandlung von Krebs einsetzen, besteht ein erhöhtes Risiko für das Aufflammen eines Schubs und andere immunbedingte unerwünschte Ereignisse (AEs) 17. Bei präexistierenden Autoimmunkrankheiten, wie bei der Hashimoto Thyreoiditis oder der Vitiligo, brauchen PD-1-Hemmer jedoch keine Kontraindikationen darzustellen 18.

Aspekte

Lichtmikroskopie: Zellen, die einem geordneten Zelltod entgegengehen, werden zunehmend kleiner und färben sich in der HE-Färbung rötlicher (eosinophiler) an. Ihr Zytoplasma wird dichter, und ihre Kerne werden durch Kondensation ihrer DNA kleiner („pyknotisch“), sie färben sich dunkelblau an. Solche pyknotische Zellen können im Gewebe verstreut liegen (wie z. B. zugrunde gehende Hepatozyten bei einer Hepatitis) oder in Clustern, wie z. B. in Arealen einer Minderdurchblutung eines Organbezierks. Häufig erkennt man Ausstülpungen der Plasmamembran, eine Bläschenbildung („blebbing“ oder „budding“). Die Auflösung des Zytoplasmas wird von einem Kernzerfall gefolgt. Die Rückstände werden durch Gewebsmakrophagen phagozytiert („gefressen“) und entsorgt (siehe hier).

Apoptotische Körperchen (ABs): Dies sind kleine membrangebundene Vesikel, die aus apoptotischen Zellen stammen. ABs spielen für die Wirkung der Apoptose eine entscheidende Rolle. Extrazelluläre Vesikel (EVs) können glößenmäßig in drei Untertypen eingeteilt werden: Exosomen (30-150 nm), Mikrovesikel (50-1000 nm) und ABs (50-5000 nm). Die ABs sind membrangebundene Vesikel, die von absterbenden Zellen durch Abschnürung von oberflächlichen Membranausstültungen (blebs) freigesetzt werden. Sie enthalten Komponenten und Oberflächenmarker von den Mutterzellen. ABs lösen spezifische Erkennungs- und Efferozytose-Mechanismen aus, einschließlich „Find-me“- und „Eat-me“-Signalen für Fresszellen. Bei zugrunde gehenden Osteoklasten weisen sie unter allen extrazellulären Vesikeln den höchsten Spiegel des Nuklearfaktors kappa B (RANK), was doe Knochenneubildung fördert. Sie lösen bei Organtransplantationen keine Entzündungsreaktionen oder Transplantatabstoßung aus 19.

Sonderform Pyroptose

Eine besondere Form des programmierten Zelltods ist die Pyroptose (Pyro: mit Fieber einhergehend). Sie wird durch Infektionserreger ausgelöst, die von Abwehrzellen der vordersten Front, den Makrophagen, aufgenommen wurden. Der Effekt einer Pyroptose ist eine Begrenzung der Infektionsausbreitung.

Die Pyroptose spielt vor allem in der Darmschleimhaut eine große Rolle, wo sie eindringende Darmkeime entfernt. Über Signalwege wird die Caspase-1 aktiviert, welche diejenigen Enzyme inaktiviert, die für die Energieversorgung der Zelle zuständig sind; die Zellen geraten in einen akuten Ennergiemangel. Die Caspase aktiviert darüber hinaus Mediatorstoffe, wie IL-1ß, die eine lokale Entzündung fördern und Fresszellen anlocken. 20

Unterschiede: Apoptose, Autophagie, Nekrose

Apoptose und Autophagie sind geordnete und genetisch festgelegte Prozesse, während die Nekrose ein ungeordneter Zelluntergang ist 21.

  • Der programmierte Zelltod weist eine Reihe charakteristischer enzymabhängiger biochemischer Prozesse und Veränderungen der Zellstruktur auf. Das Ergebnis ist eine „diskrete“ Entfernung von irreversibel geschädigten und kranken Zellen aus dem Körper, wobei das umliegende Gewebe nur gering geschädigt wird.
  • Eine Nekrose dagegen ist eine ungeordnete Zellzerstörung, die mit einer Schädigung des umgebenden Gewebes einhergeht. Sie entsteht durch direkte schädigende Einwirkungen, chemischer, thermischer oder mechanischer Art oder durch Unterbrechung der Durchblutung. Bei ihr werden aus den zerstörten Zellen Enzyme und toxische Substanzen frei, die (im Gegensatz zum programmierten Zelltod) zu einer toxischen Belastung der direkten Umgebung und des Körpers führt.
  • Eine Autophagie ist ein Prozess der Selbstheilung von Zellen, die defekte Bestandteile, wie funktionsgestörte Zellorganelle und Proteine/Proteinaggregate enthalten. Sie werden durch Lysosomen entsorgt. Wenn dieser Prozess überlastet ist, tritt die Apoptose in Kraft. Eine intrazelluläre Entsorgung defekter Mitochondrien wird als Mitophagie bezeichnet.

Auslösung der Apoptose

Der programmierte Zelltod kann durch verschiedene Stimuli organ- oder gewebespezifisch eingeleitet werden. Beispiele:

  • Glukokortikoide beispielsweise führen zu einer Reduktion von lymphatischem Gewebe im Thymus 22;
  • Energiereiche Strahlen lösen eine Apoptose dafür empfindlicher Zellen aus. 23
  • Tumornekrosefaktoren (TNF) lösen einen programmierten Zelltod aus 24, auch den von bestimmten Krebszellen 25. Als Tumorsuppressor bewirkt das Molekül p53 einen Zellstillstand und eine DNA-Reparatur in wiederherstellbaren Zellen, ansonsten einen geordnete Zellabbau. Neben p53 gibt es weitere Zellzyklusregulatoren, die die Apoptose beeinflussen können 19.
  • Eine Hypoxie (Sauerstoffuntersättigung in Geweben und Organen) löst eine der Sauerstoffrestversorgung angemessene Zellzerstörung aus 26.

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Verweise

Referenzen

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