Polyzythämie

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Allgemeines

Polyzythämie (Polycythaemie) bedeutet Erhöhung der Zellzahl im Blut, erkennbar an der Erhöhung des Hämatokrits. Es handelt sich dabei um eine Vermehrung aller drei Zellreihen im Blut (Erythrozyten, Granulozyten, Thrombozyten).

Die Polycythaemia vera ist eine Knochenmarkskrankheit, bei der die Vermehrung der drei Zellreihen des Bluts durch eine vermehrte Bildung zustande kommt. Sie gehört zu den myeloproliferativen Erkrankungen. In der Regel lässt sich eine Ursache nicht finden.

Häufigkeit

Die Prävalenz liegt bei etwa 1 Fall auf 100 000; der Altersgipfel um 60 bis 70 J, das Verhältnis Männer zu Frauen bei 2:1.

Entstehung

An der Entstehung einer Polycythaemia vera ist die Tyrosinkinase JAK2 beteiligt. Sie reguliert die Zellproliferation im Knochenmark über Erythropoetin. Die Mutation JAK2 V617F führt zu inadäquater unregulierter Stimulation der Stammzellen im Knochenmark. (1)Chloé James et al. Die Rezeptoren für die Stimulatoren Erythropoetin, Thrombopoetin und Granulozyten-stimulierenden Faktor (GCSF) sind aktiviert, was erklärt, dass alle drei Zellreihen des Knochenmarks proliferieren. (2)Ann Intern Med. 2010 Mar 2;152(5):300-6. doi: 10.7326/0003-4819-152-5-201003020-00008. Die unkontrollierte Blutbildung beschränkt sich nicht nur auf das Knochenmark, sondern expandiert auf die Milz, die sich dadurch vergrößert, und später auch auf die Leber, wodurch es zu einer tastbaren Vergrößerung der Organe, einer Hepatosplenomegalie, kommt.

Klinik

  • Es kommt zu einer Milzvergrößerung (Splenomegalie), später zu einer Vergrößerung auch der Leber (Hepatosplenomegalie) mit der Gefahr von Organrupturen und intraperitonealen Blutungen (in den Bauchraum).
  • Im peripheren Blut erhöht sich der Hämatokrit; die Fließeigenschaft des Bluts nimmt ab; die Gefahr von Thrombosen, Lungenembolien, einem Herzinfarkt und einem Schlaganfall steigt.
  • Andererseits kann durch die Minderwertigkeit der Thrombozyten (Thrombopathie) eine paradoxe Blutungsneigung eintreten.
  • Das Gesamtvolumen des Bluts steigt und damit oft auch der Blutdruck.
  • Der erhöhte Zellumsatz führt zu einer erhöhten Harnsäurebildung (Abbauprodukt aus DNA) mit dem Risiko von Gichtanfällen.
  • Wiederholte Schlaganfälle können auf eine Polyzythämie zurückzuführen sein. (3)BMJ Case Rep. 2015 Mar 9;2015. pii: bcr2014207625. doi: 10.1136/bcr-2014-207625.

Klinische Symptome betreffen vor allem Müdigkeit, Nachtschweiße, Juckreiz (4)Blood. 2014 Jun 12; 123(24):3803-10. und chronische Geschwüre (Ulzerationen). (5)J Foot Ankle Surg. 2013 Nov-Dec;52(6):781-5

Diagnostik

Die Polycythaemia vera gerät in der Regel zufällig ins Blickfeld, wenn ein erhöhter Hämatokrit und eine Thrombozytose gefunden werden, die ungeklärt bleiben.

Die Diagnostik umfasst ein Differenzialblutbild und eine Knochenmarkpunktion. Im Knochenmark wird eine vermehrte Proliferation aller drei Stammzellreihen gefunden.

Molekulargenetische Untersuchung: Die für die Polycythämie verantwortliche JAK2(V617F)-Mutation ist bereits in sehr frühen Stadien nachweisbar.

Therapie

Die Therapie der Polyzythämie umfasst

  • Aderlässe (Phlebotomie) gegen die Polyglobulie und
  • eine Chemotherapie mit Hydroxyharnstoff (Litalir) zur Senkung der Leukozyten- und Thrombozytenzahl.
  • Ruxolitinib (ein Januskinase-Inhibitor, Jakafi ®): Es kommt bei mangelhaftem Ansprechen auf Hydroxyurea in Betracht. (6)N Engl J Med. 2015 Jan 29;372(5):426-35. doi: 10.1056/NEJMoa1409002. Ruxolitinib wurde in einer Studie gut vertragen und war der besten verfügbaren Therapie (einschließlich Interferon [IFN]) bezüglich Hämatokrit und Normalisierung des Blutbildes sowie der Symptomatik überlegen. (7)Ann Hematol. 2018 Apr;97(4):617-627. doi: 10.1007/s00277-017-3225-1 Die Zahl der Aderlässe ließ sich durch das Medikament in einer real-world-Studie bedeutend reduzieren. (8)Clin Lymphoma Myeloma Leuk. 2020 Oct;20(10):697-703.e1. DOI: 10.1016/j.clml.2020.05.019

Sonderform: Polyzythämie bei Neugeborenen

Eine Polyzythämie bei Neugeborenen ist durch einen Hämatokritwert von >65 % definiert. Ursache ist meist eine Sauerstoffuntersättigung (Hypoxie) der Mutter (Lungenkrankheit, Herzkrankheit, Rauchen) oder eine schlechte Blutversorgung im Uterus, was zu einer kompensatorischen Erhöhung der Bildung roter Blutkörperchen führt. Eine erhöhte fetale Erythropoese ist beispielsweise Folge einer Plazentainsuffizienz, von endokrinen Anomalien oder einer genetischen Störung. Eine verzögerte Nabelschnurabklemmung (DCC) kann zu einer erhöhten Blutfülle durch Nabelschnurblut und einer passiven Polyglobulie führen. Bei Zwillingsschwangerschaften kann ein Zwilling dem anderen über Shunts vermehrt Blut zuführen (Zwillingstransfusionssyndrom). (9)J Paediatr. 2019;19(2):81-83. doi: 10.24911/SJP.106-1566075225

Die Symptome können Lethargie, schlechte Nahrungsaufnahme, Nervosität und Zyanose umfassen und auch schwerwiegende Komplikationen zur Folge haben, wie zerebrovaskuläre Ereignisse oder eine nekrotisierende Enterokolitis. Daher wird bei höhergradiger Ausprägung eine Blutverdünnung herbeigeführt, wobei sich nach einer Studienauswertung normale Kochsalzlösung als optimale Verdünnungsflüssigkeit für Austauschtransfusionen erwiesen hat. (10)Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed. 2006 Jan;91(1):F7-10. doi: 10.1136/adc.2004.063925


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Verweise

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