Thrombozythämie

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Thrombozythämie bedeutet starke Erhöhung der Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten). Sie kann reaktiv bei Entzündungen vorkommen. Besonders starke Erhöhungen findet man bei der „essenziellen Thrombozythämie“. Sie ist eine Erkrankung des Knochenmarks, bei der die Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut unkontrolliert nachproduziert werden. Sie gehört zu den myeloproliferativen Erkrankungen. Wenn auch die beiden anderen Stammzellreihen des Knochenmarks, die Bildung der Erythrozyten und der Leukozyten, von der unregulierten Überproduktion betroffen sind, gehört die essenzielle Thrombozythämie in das Bild der Polyzythämie.

Entstehung

Bei der essenziellen Thrombozythämie spielt eine Mutation der Tyrosinkinase JAK2 (JAK2-Mutation-V617F) eine entscheidende Rolle. (1)Semin Thromb Hemost. 2006 Jun;32(4 Pt 2):381-98 Sie beeinflusst die Bildung derjenigen Zytokine, die die Blutbildung regulieren, so auch die von Thrombopoetin, das die Bildung der Blutplättchen anregt. Es wurden verschiedene Gene gefunden, die mit einer Thrombozythämie assoziiert sind. Am häufigsten werden Mutationen von AK2V617F und Calreticulin (CALR) gefunden. (2)Haematologica. 2015 Jul;100(7):893-7. doi: 10.3324/haematol.2014.118299. (3)Zhongguo Shi Yan Xue Ye Xue Za Zhi. 2018 Jun;26(3):866-870. doi: … Continue reading (4)Clin Transl Oncol. 2017 Jul;19(7):874-883. DOI: 10.1007/s12094-017-1618-1 Die Krankheit wird überwiegend durch eine De-novo-Mutation verursacht, aber in bis zu 10 % der Fälle ist eine Familienanamnese eruierbar. (5)Cureus . 2022 Mar 16;14(3):e23220. DOI: 10.7759/cureus.23220

Symptome

Die stark erhöhte Thrombozytenzahl führt zu einem erheblich erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse, und damit auch von tiefer Venenthrombose, Mesenterialvenenthrombose und Schlaganfall. Durch Unterbrechung der Durchbutung können Sehstörungen auftreten. Eine Milz- und Lebervergrößerung (Hepatosplenomegalie) tritt auf, wenn diese Organe in die unkontrollierte Blutbildung einbezogen werden.

Diagnostik

  • Thrombozytenzahl: Die Diagnose einer essenziellen Thrombozythämie kann angenommen werden, wenn eine außerordentliche Erhöhung der Thrombozytenzahl (meistens über 400000/µl, häufig sogar über 1 Mio/µl) vorliegt, über längere Zeit ohne erkennbare Ursache anhält. Zur Abgrenzung von einer reaktiven Thrombozytose („primäre Thrombozytose“) ist eine entzündliche oder paraneoplastische Ursache auszuschließen, auch eine Splenektomie kann zu extrem stark erhöhten Thrombozytenwerten führen. (6)Cureus. 2022 Aug 26;14(8):e28455. DOI: 10.7759/cureus.28455
  • Bestätigung der Diagnose: Zur Diagnostik gehört eine Knochenmarkbiopsie zur Bestätigung der Diagnose und zur Untersuchung einer möglichen Mitbeteiligung der anderen Stammlinien des Knochenmarks im Sinne einer Polyzythämie. Eine genetische Analyse kann die Diagnostik ergänzen. Bei der essenziellen Thrombozythämie findet man in etwa 90 % eine JAK2-Mutation oder eine CALR- oder eine MPL-Mutation (Mutation des „myeloproliferativen Leukämie-Gens“). Bei der Polycythämia vera findet man zu 100 % eine JAK2-Mutation. (7)Am J Hematol. 2020 Dec;95(12):1599-1613. DOI: 10.1002/ajh.26008.
  • Suche nach Thromben und Embolie: Da bei der essenziellen Thrombozythämie eine erhöhte Gefahr der Bildung von Thrombozytenaggregationen und einer Gerinnselbildung besteht, sollte nach einer tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose gesucht werden.
  • Suche nach Entzündungsherden: Es sollten Entzündungsprozesse im Körper, die zu einer paraentzündlichen Thrombozytose führen können, ausgeschlossen werden. Dazu gehört beispielsweise die Suche nach einer schwelenden Appendizitis, Gallenblasenentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung oder auch von entzündlichen Zahngranulomen oder eines Zahnwurzelabszesses.

Therapie

Das therapeutische Vorgehen bei einer essenziellen Thrombozythämie richtet sich nach dem Alter, der Zahl der Thrombozyten und nach den Begleiterkrankungen; sie bestimmen das Komplikationsrisiko. (8)Am J Hematol. 2020 Dec;95(12):1599-1613. DOI: 10.1002/ajh.26008.

Bei Patienten mit niedrigem Komplikationsrisiko reicht im Allgemeinen ein beobachtendes Zuwarten. Es wird empfohlen, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um eine Eindickung des Bluts durch Exsikkose zu vermeiden. Um zusätzliche Thromboserisiken zu senken, sollten Rauchen strikt eingestellt und Östrogene (Antikonzeptiva, postmenopausale Hormonsubstitution) vermieden werden. Es ist viel körperliche Bewegung anzuraten. Stark erhöhtes Körpergewicht sollte gesenkt werden (siehe hier). Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS wären je nach Konstellation zur Senkung des Thromboserisikos sinnvoll, vor allem wenn eine Hypertonie, eine koronare Herzkrankheit, eine Fettstoffwechselstörung oder ein Diabetes mellitus besteht. Der Einsatz von Aspirin bei Kindern ist wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms riskant und gegen den Effekt einer Thromboembolieprophylaxe abzuwägen. (9)Cureus. 2022 Aug 26;14(8):e28455. DOI: 10.7759/cureus.28455

Bei Patienten mit hohem Komplikationsrisiko (Alter über 60 J, Thrombozytenzahlen über 1.500.000/µl) ist eine Chemotherapie anzuraten. Die meiste Erfahrung besteht in der Anwendung von Hydroxyharnstoff (Hydroxyurea, Hydroxycarbamid, Litalir®). In Betracht können auch Anagrelid (Xagrid®) und Alpha-Interferon gezogen werden.


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Verweise

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