Diabetes und Leberzirrhose

Allgemeines

Diabetes und Leberzirrhose kommen häufig zusammen vor. Patienten mit Leberzirrhose können einen Diabetes (Zuckerkrankheit) und Zuckerkranke (über eine Fettleberhepatitis, NASH) eine Leberzirrhose entwickeln. Etwa 30 % der Patienten mit Leberzirrhose sind zuckerkrank. 1 Umgekehrt liegt die Häufigkeit einer schwerwiegenden Leberkrankheit bei 8 von 10000 neu diagnostizierten Diabetespatienten und ist damit doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Diabetes. 2 In einer früheren Studie betrug der Anteil einer gestörten Glukosetoleranz bei Leberzirrhose 57 %. 3

Eine Leberzirrhose ist oft mit einem Diabetes assoziiert, wenn sie auf dem Boden einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NASH), der alkoholischen Hepatitis (ASH), der chronischen Hepatitis C oder einer Hämochromatose entstanden ist. 4 Ein Diabetes erhöht die 5-Jahres-Mortalität einer Leberzirrhose um das 2,5-fache. 5

Die Behandlung des Diabetes bei einer Leberzirrhose ist aus mehreren Gründen problembehaftet: die häufig begleitende Mangelernährung, die Schwere der Leberkrankheit und das Risiko einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) sind Faktoren, die eine Diabetesbehandlung oft schwierig machen. Auch kann die eingeschränkte Entgiftung der Diabetesmedikamente bei abnehmender Leberfunktion Unwägbarkeiten bei ihrer Wirkung bedeuten. 6

Leberzirrhose
Diabetes mellitus


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Ursachen der Assoziation von Diabetes und Zirrhose

Faktoren, die eine Assoziation von Diabetes mellitus und Leberzirrhose begründen, lassen sich unterteilen:

  • Leberzirrhose als Ursache einer Glukose-Stoffwechselstörung,
  • Diabetes als Ursache einer schweren fortschreitenden Leberkrankheit,
  • Leberzirrhose und Diabetes mit gemeinsamer Ursache.

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Leberzirrhose als Ursache einer diabetischen Stoffwechsellage

Diabetes als Komplikationen einer Leberzirrhose wird als hepatogener Diabetes bezeichnet. 7 Die Insulinspiegel sind beim Diabetes hepatogener Ursache höher als bei nicht-hepatogener Ursache. Die Hyperinsulinämie ist zurückführbar auf den eingeschränkten Insulinabbau 8. Ein weiterer Grund kann in Kurzschlussverbindungen liegen (portosytemische Shunts), die das von der Bauchspeicheldrüse gebildete Insulin an der Leber vorbei in den großen Kreislauf leiten. Bei einer Hepatitis-C-Infektion sind es vor allem die Genotypen 1, 3 und 4, die mit einem Diabetes assoziiert sind. 9, wobei eine Leberzirrhose nicht zwingend vorliegen muss. Die Hyperinsulinämie bei Leberzirrhose kann aber auch, wie beim Typ-2-Diabetes, als Reaktion auf eine periphere Insulinresistenz auftreten. 10

Diabetische Komplikationen (z. B. am Herzkreislaufsystem oder am Auge) sind beim hepatogenen Diabetes selten; das HbA1c als Langzeit-Marker für die Therapie ist relativ unzuverlässig.

Die Behandlung des hepatogenen Diabetes ist wegen der Leberinsuffizienz und der möglichen leberschädigenden Wirkung antidiabetischer Medikamente problematisch (s. u.). 11

Leberzirrhose als Folge des Diabetes

Nichtalkoholische Fettleberhepatitis (NASH) mit erheblich vermehrtem Reflexmuster (im Vergleich zur Niere) im Ultraschallbild. Über die Histologie kann festgestellt werden, ob bereits eine Vernarbung in Richtung einer Leberfibrose oder Leberzirrhose begonnen hat.

Starkes Übergewicht (Adipositas) fördert die Entwicklung des Diabetes Typ 2, und umgekehrt fördert der Typ-2-Diabetes die Einlagerung von Fett in den Körper, so auch in die Leber. Fettgewebshormone (Adipokine) und Zytokine aus dem Fettgewebe führen zudem zu einer erhöhten Entzündungsreaktion im Körper, die sich an der Leber in Form einer Fettleberhepatitis (NASH) manifestiert. Bereits ein neu entdeckter Diabetes mellitus gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer Leberzirrhose. 12

Leberzirrhose und Diabetes mit gemeinsamer Ursache

Leberzirrhose und Diabetes mellitus können eine gemeinsame Ursache haben:

  • Hämochromatose: Bei der Hämochromatose wird durch die Eisenspeicherung sowohl die Leber als auch der Inselzellapparat des Pankreas geschädigt. Aus diesem Grund entwickeln sich beider Erkrankungen gehäuft zusammen. Da die Prävalenz von 5 / 1000 nicht zu vernachlässigen ist, sollte immer an diese Ursache beim Zusammentreffen von Leberzirrhose und Diabetes gedacht werden. 13
  • Starkes Übergewicht (Adipositas): Bei der Adipositas kommt es zu einer Fettleber, die bei entsprechender Veranlagung zu einer Fettleberhepatitis wird und zur Zirrhose fortschreiten kann. Bei ihr besteht zudem das hohe Risiko einer peripheren Insulinresistenz und einer gestörten Glukosetoleranz, aus der sich ein manifester Typ-2-Diabetes entwickeln kann.

Hyperinsulinämie bei Leberzirrhose als Ursache von Krebs

Viele Krebsarten exprimieren Insulinrezeptoren sowie von Rezeptoren für den IGF1 (insulin-like growth factor 1), über die das Krebswachstum gefördert wird. Zudem wirkt eine Überzuckerung (Hyperglykämie) schädigend auf die Zell-DNA und erhöht die ROS-Konzentration (reaktive Sauerstoffspezies). Über diese Einflüsse kann eine erhöhte Assoziation der Zuckerkrankheit mit Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) und Leberkrebs erklärt werden. 14

Therapie des Diabetes bei Leberzirrhose

Die Diabetes-Therapie bei bestehender Leberzirrhose kann problematisch sein. Es sind eine Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen: 15

  1. Die Insulinresistenz des Diabetes ist bei zusätzlicher Leberzirrhose meist ausgeprägt. 16
  2. Der Abbau von Insulin in der zirrhotischen Leber ist reduziert. Damit kann die Insulinwirkung erhöht und unberechenbar sein. 17
  3. Es besteht ein erhöhtes Risiko für eine Hypoglykämie und eine Laktatazidose.
  4. Bei ausgeprägter Leberschädigung besteht ein Eiweißmangel, der einen veränderte Medikamententransport im Blut und eine unberechenbare Medikamentenwirkung bedingen kann. 18
  5. Es gibt Hinweise darauf, dass Insulin und Sulfonylharnstoffe, die den Insulinspiegel erhöhen, bei einer chronischen Hepatitis C zu einem erhöhten Risiko für Leberkrebs führen. 19
  6. Pioglitazon (ein PPAR-gamma-Agonist) verbessert die Leberhistologie bei NASH.  10 20  21
  7. DPP-4-Hemmer: Eine große Studie weist darauf hin, dass DPP4-Hemer die Leberzirrhose verschlimmern können; das Risiko einer Dekompensation war höher als bei denen, die DPP4-Hemmer nicht eingenommen hatten (Die Inzidenzrate während der Nachbeobachtung 2,20 vs. 1,53 pro 100 Patientenjahre). 22
  8. Tirzepatid (ein dualer GIP- und GLP-1-Rezeptor-Agonist) erhöht den Adiponectin-Spiegel und darüber die Insulinbildung und die Insulinsensitivität. Es reduziert signifikant die entzündliche Aktivität in der Leber (NASH-Aktivität). Bei einer Leberzirrhose liegen noch nicht genügend Erfahrungen vor. 23
  9. Liraglutid, ein Inkretinmimetikum, verbessert die mikrovaskuläre Architektur bei der Leberzirrhose, indem es antientzündlich wirkt und die Vernarbungsprozesse aufhält. In Versuchstieren senkt es den Pfortaderdruck. Der antifibrotische Effekt wurde im Menschen bestätigt. 24
  10. Metformin ist bei einer Leberzirrhose laut einer taiwanesischen Studie mit einem 15 % höheren Risiko einer Leberdekompensation und einem 13 % höheren Mortalitätsrisiko verbunden. 25

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Verweise

 

Referenzen

  1. Am J Med. 2007;120:829–834[]
  2. CMAJ. 2010 August 10; 182(11): E526–E531.[]
  3. Lancet 1967; 2: 1051-1056[]
  4. World J Gastroenterol. 2009 Jan 21;15(3):280-8. doi: 10.3748/wjg.15.280.[]
  5. Alimentary Pharmacology and Therapeutics. 2005;22(2):24–27. doi: 10.1111/j.1365-2036.2005.02590.x.[]
  6. Indian J Endocrinol Metab. 2017 Mar-Apr;21(2):341-354. doi: 10.4103/ijem.IJEM_512_16.[]
  7. World J Gastroenterol. 2009 January 21; 15(3): 280–288[]
  8. Lancet 1977; 1: 10-13[]
  9. J Hepatol 2008; 48: 28-34[]
  10. World J Hepatol. 2011 May 27; 3(5): 99–107[][]
  11. World J Gastroenterol. 2016 Mar 14;22(10):2869-74. doi: 10.3748/wjg.v22.i10.2869.[]
  12. CMAJ. 2010 August 10; 182(11): E526–E531[]
  13. CMAJ. 2011 March 22; 183(5): 586[]
  14. Nat Rev Endocrinol. 2022 Sep;18(9):525-539. doi: 10.1038/s41574-022-00690-7[]
  15. J Clin Exp Hepatol. 2022 Mar-Apr;12(2):560-574. DOI: 10.1016/j.jceh.2021.09.010[]
  16. World J Hepatol. 2011 May 27; 3(5):99-107[]
  17. J Clin Endocrinol Metab. 1978 Oct; 47(4):774-9.[]
  18. 2017 Mar-Apr;21(2):341-354. doi: 10.4103/ijem.IJEM_512_16.[]
  19. Liver Int 2010;30: 479-486[]
  20. Ann Intern Med. 2016;165:305–15[]
  21. Hepatology. 2017 Mar;65(3):1058-1061. doi: 10.1002/hep.28960[]
  22. Hepatol Int. 2021 Feb;15(1):179-190. DOI: 10.1007/s12072-020-10122-1[]
  23. Diabetes Care. 2020 Jun;43(6):1352-1355. doi: 10.2337/dc19-1892.[]
  24. Sci Rep. 2017 Jun 12;7(1):3255. DOI: 10.1038/s41598-017-02866-y. []
  25. Br J Clin Pharmacol. 2022 Jan;88(1):311-322. DOI: 10.1111/bcp.14970[]