Capsaicin ist ein Alkaloid aus Paprika- und Chilibeeren (landläufig als Paprikaschoten und Chilischoten bezeichnet), das ihren scharfen Geschmack ausmacht und ein Hitzegefühl hervorruft. Bekannt ist Capsaicin in Form von Chili und Paprika vor allem in der Küche als „Scharfmacher“ von Speisen. Auf die anfängliche Erregung der Geschmacksrezeptoren folgt eine lange Periode, in der die zuvor Rezeptoren auf eine Vielzahl von Reizen nicht mehr reagieren. 1
Capsaicin hat neben erwünschten eine Reihe unerwünschter Effekte auf den Körper. Gereizte Stellen der Schleimhäute werden reaktiv vermehrt durchblutet. Kommt es in die Augen, schmerzen sie sofort und werden stark gerötet, es kommt zum Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss). Kommt es in die Atemwege resultieren Husten und Atemnot. Diese Wirkungen sind bei der Anwendung von „Pfefferspray“ (pepper spray = chili pepper) bei der Abwehr von Angreifern und Tieren gewollt. Da Capsaicin die Wirkung von Kokain steigert, kann Pfefferspray bei Drogenabhängigen lebensbedrohlich wirken.
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Biologische und medizinische Wirkungen
Capsaicin ist wegen seiner vielfältigen biologischen Wirkungen für die Forschung interessant geworden. 2
- Neuroregulation: Capsaicin wirkt über die Stimulierung des polymodale Vanilloid-Receptors Typ 1 (transient receptor potential of the vanilloid type 1: als TRPV1 abgekürzt). Es stimuliert damit selektiv die afferenten Neurone der dorsalen Wurzel mit dünnen C- und A-Fasern nur von Säugern. Es ist beteiligt an der Freisetzung neuroregulatorischer Peptide (wie Substanz P) von den Nervenenden dünner Fasern. 3
- Verbesserung der Gehirnfunktion: In Tierversuchen wurde gezeigt, dass eine akute und chronische Capsaicin-Behandlung die Kognition bei Tieren verbessern kann. Beim Menschen ist das bisher nicht betätigt. 4.
- Dünndarmbewegungen: Capsaicin verlangsamt die Schrittmacheraktivität der Cajal-Zellen des Dünndarms 5 und führt damit zu einer Verminderung der Peristaltik.
- Verminderung des Körperfetts: Capsaicin reduziert das Gesamtkörperfett über Aktivierung von TRP und durch Erhöhung der Thermogenese im braunen Fett. Es wirkt sich senkend auf das Körpergewicht aus. 6 7 8 9
- Im Ösophagus erhöht Chili-Sauce die Empfindlichkeit gegenüber Dehnung und erleichtert die Peristaltik 10
- Im Magen existieren Rezeptoren eines Thermoregulationssystems, das über den Sympathicus läuft. Sie werden durch Capsaicin lang anhaltend gereizt. Da dieses System für den Energiehaushalt des Körpers von Bedeutung ist, eröffnen sich über Capsaicin und Derivate möglicherweise therapeutische Eingriffe in den Metabolismus bei Adipositas. 11
- Capsaicin ist ein Tumorsuppressor; es unterdrückt in höheren Dosen das Wachstum sowohl des Androgenrezeptor-positiven als auch -negativen Prostatakarzinoms; ein Hauptwirkmechanismus ist die Induktion der Apoptose der Tumorzellen. 12 13
- Capsaicin ist neurotoxisch. Aufgetragen auf die Haut führt es zur Degeneration von motorischen Nervenfasern und kann eine Neuropathie hervorrufen oder verstärken. 14 15 Capsaicin hemmt (ganz im Gegensatz zu Curcumin, aber ähnlich wie Dexamethason 16 ) im Tierversuch die Neubildung von Nervenzellen aus Progenitorzellen, so auch im Hippocampus. 17
- Capsaicin löst Husten aus und kann zur Prüfung des Hustenreflexes sowie der Wirkung von Antitussiva verwendet werden. 18 Durch solch einen Test kann herausgefunden werden ob der Hustenreflex beispielsweise bei einer diabetischen Neuropathie vermindert 19 oder bei einer Refluxkrankheit oder einer chronischen Sinusitis erhöht ist. 20 Mit Hilfe solch eines Tests kann ein Husten-Hypersensitivitätssyndrom festgestellt werden. 21
- Topisches Capsaicin: Capsaicinhaltige Pflaster (z. B.ABC-Pflaster) oder Cremes zur transdermalen Applikation kann wiederholt kurz angewendet chronischen neuropathischen Schmerz lindern und werden zur symptomatischen Therapie von Rheuma (z. B. der rheumatoiden Arthritis verwendet; lokale Rötungen sind häufig, systemische Nebenwirkungen selten. 22
- Blutdrucksenkung: Capsaicin senkt indirekt über die Vermittlung einer NO-Freisetzung den Blutdruck. 23
- Wirkung gegen Krebs: Capsaicin unterdrückt das Wachstum mehrerer Krebsarten beim Menschen. Das Molekül besteht aus drei Regionen (Region A (aromatischer Ring), Region B (Amidbindung) und Region C (Seitenkette) ). Neu entwickelte Capsaicinanaloga der Region B zeigen eine wachstumshemmende Wirkung auf Krebszellen, die, so die Hoffnung, therapeutisch ausgenutzt werden kann. 24
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Verweise
Referenzen
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