Die Pathogenese (Entstehung) von Aszites (Bauchwassersucht) ist je nach Ursache differenziert zu betrachten.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste
Kurzgefasst |
Die Aszites Pathogenese (Entstehung von Bauchwassersucht) ist je nach zugrunde liegender Erkrankung unterschiedlich:
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Aszites bei chronischen Lebererkrankungen mit portaler Hypertension
Ausgeprägter Aszites ist am häufigsten auf eine Leberzirrhose zurückzuführen.
Aszites bildet sich bei der Leberzirrhose (Narbenleber) durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Die verhärtete Leber ist Ursache eines Blutstaus und gleichzeitig einer mangelhaften Eiweißbildung. Beides trägt über mehrere Mechanismen zur Aszitesbildung bei.
- Blutstau in der Pfortader: Er bewirkt, dass Flüssigkeit aus den gestauten Venen in die Leibeshöhle “abgepresst” wird (siehe unter Portale Hypertension).
- Eine unzureichende Albuminsynthese bedeutet eine Verringerung des “onkotischen Drucks” im Blut, der die Flüssigkeit im Gefäßsystem hält (Eiweiß kann nicht austreten und behält sein Lösungswasser mit im Gefäßsystem, das gilt insbesondere für Albumin).
- Beides führt zum Absinken des Blutdrucks (Hypotonie) im großen Kreislauf und Gegenregulationen des Körpers, die die Aszitesbildung verstärken.
Erhöhter Pfortaderdruck (portale Hypertension)
Durch den Flüssigkeitsverlust (aus dem Blutgefäßsystem in den Aszites) sowie durch die Ansammlung des Bluts im stark gestauten Pfortadersystem vor der Leber kommt es zu einer Verminderung des zentral wirksamen Kreislaufvolumens, also der Blutmenge, die für die Versorgung der lebenswichtigen Organe nötig ist. Weniger Blutvolumen im Kreislaufsystem führt zum Blutdruckabfall, der wiederum zu einer Gegenregulation des Körpers. Die Gegenmaßnahmen beinhalten eine verminderte Durchblutung der Organe und Gewebe, auf die der Körper vorübergehend verzichten kann, durch Gefäßverengung. Dies ist unter “gesunden” Bedingungen vorübergehend sinnvoll, führt aber im Falle einer Leberzirrhose eher zu einer Verschlechterung, da sich die Situation nicht bessert sondern anhält, und da die Ankurbelung des Kreislaufs zur Aufrechterhaltung des zentralen Blutdrucks immer mehr Blut in das Pfortadersystem presst, aus dem es bei erhöhtem Widerstand durch die vernarbte Leber schlecht abfließt.
Zudem führt eine Erhöhung des hydrostatischen Drucks in den kleinen Blutgefäßen Leber (Verzweigungen der Pfortaderäste) zur Steigerung der Bildung von Lymphe, was dem Blutgefäßsystem weiteres Volumen entzieht.
Ein stark erhöhter Pfortaderdruck kann nicht nur durch eine Leberzirrhose sondern auch durch eine erhebliche Rechtsherzinsuffizienz mit backward-failure zustande kommen.
Verminderte Synthese von Albumin
Das Abpressen von Flüssigkeit aus dem gestauten Pfortadersystem geht um so leichter vor sich, je weniger Eiweiß im Blut vorhanden ist, welches sein Lösungswasser bei sich behalten kann. Insbesondere vermindert sich bei einer fortgeschrittenen Leberzirrhose die Produktion von Albumin immer mehr. Und gerade Albumin hat eine hohe Fähigkeit, Wasser zu binden.
Eine verminderte Synthese von Albumin in der Leber führt damit zur Verminderung des “onkotischen Drucks” in den Kapillaren des Bauchfells und einer erleichterten Aszitesbildung.
Periphere arterielle Gefäßerweiterung (Vasodilatation)
Im Spätstadium einer Leberzirrhose kommt es (u. a. durch unzureichenden Abbau vasoaktiver Substanzen in der Leber) zu einer peripheren Gefäßerweiterung und damit zu einem Blutdruckabfall.
Mechanismen einer Gegenregulation
Bei einem Abfall der Blutdrucks in dem Teil des Kreislaufsystems, der die lebenswichtigen Organe versorgen muss, führt gegenregulatorisch am Herzen zu beschleunigtem Herzschlag (Tachykardie) und an den Nieren zu einer Einbehaltung (Retention) von Flüssigkeit.
Wesentliche Mechanismen der Gegenregulation sind:
- eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems,
- eine Noradrenalin-Sekretion (Nebennierenhormon, Überträgerstoff für den Sympathicus); sie soll über periphere Gefäßkonstiktion zur Blutdruckanhebung im großen Kreislauf führen,
- eine Steigerung der Herzfrequenz über sympathikotone Mechanismen; dies soll einen Anstieg des systemischen Blutdrucks bewirken,
- eine erhöhte Vasopressin-Sekretion: sie soll über Wasserretention und Konstriktion der kleinsten Gefäße zur Blutdruckanhebung im großen Kreislauf führen,
- eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS): sie soll über die Retention von Natrium und Flüssigkeit und eine Engstellung der kleinen Blutgefäße (Arteriolen) der Peripherie zur Blutdruckanhebung im großen Kreislauf führen.
Folgen der Gegenregulation
Diese Mechanismen, die unter physiologsichen Bedingungen sinvoll sind, können bei einer Leberzirrhose fatale Folgen haben:
- Sie bewirken insgesamt eine erhebliche Vermehrung des Flüssigkeitsvolumens (durch Natrium- und Flüssigkeitsrestriktion in den Nieren) und eine Gefäßverengung (Vasokonstriktion) in der Körperperipherie und den Nieren mit der Gefahr eines hepatorenalen Syndroms.
- Sie führen zur Anhebung des zentral wirksamen Kreislaufvolumens und spielen bei Flüssigkeitsverlust (auch bei akutem Blutverlust) eine bedeutende Rolle zur Aufrechterhaltung des zentralen Kreislaufs (für die Durchblutung lebenswichtiger Organe wie Herz und Gehirn).
- Sie fördern den Blutstau vor der Leber (portale Hypertension) (Trapping, das Blut steht nicht mehr für den großen Kreislauf zur Verfügung)
- und damit die Füllung von Umwegskreisläufen (wie die von Ösophagusvarizen) und erhöhen damit auch die Gefahr von Ösophagusvarizenblutungen.
- Sie fördern die Aszitesbildung.
- Sie fördern den klinisch leicht erkennbaren “hyperdynamen Kreislauf” mit einer ausgeprägten Tachykardie (“fliegender Puls”). Aber eine Steigerung des Blutdrucks erreichen diese Mechanismen nicht.
Aszitesentstehung durch andere Ursachen
Maligner Aszites: Aszites entsteht durch Undichtigkeit der peritonealen Oberfläche im Rahmen einer Peritonitis carcinomatosa. Eine neue Therapiemöglichkeit eröffnet der trivalente Antikörper Catumaxomab (1)Cancer Treat Rev. 2010 Oct;36(6):458-67.
Entzündliche Peritonitis: Eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) führt ebenfalls zu einer Schrankenstörung mit Exsudation von Flüssigkeit in die freie Leibeshöhle. Behandelt wird sie bei infektiöser Genese mit Antibiotika (nach Antibiogramm).
Eine akute Gallenblasenentzündung (Cholezystitis) kann zu perifokaler Flüssigkeitsausschwitzung führen; in der Anfangsphase gilt sie in meist als noch steril.
Eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) kann zu einer lokalen Aszitesbildung führen, die oft lediglich als Busaerguss in der Bildgebung (CT oder Sonographie) erkennbar ist.
Eine lokale Entzündung von Darmanteilen, z. B. bei einer Appendizitis, Ileitis terminalis oder Divertikulitis kann zu lokaler Ansammlung interenterischer Flüssigkeit führen.
Eine lokale Entzündung gynäkologischer Organe (z. B. eine Adnexitis) kann zu lokaler Ansammlung interenterischer Flüssigkeit führen. Gelegentlich ist eine Chlamydieninfektion die Ursache von leichtem Aszites im Unterleib.
Eine dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz kann zu einer Stauung der Lebervenen und durch die Leber hindurch der Pfortader führen. Dies kann zur Ausschwitzung von Flüssigkeit in den Bauchraum (Aszites) führen oder sie fördern.
Sonstige Ursachen: Eine geplatze Zyste (z. B. Leberzyste, Eisprung oder eine geplatzte Ovarialzyste) kann zu einer lokalen Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum führen.
Verweise
- Aszites – Hauptblatt
- Portale Hypertension
- Leberzirrhose
- Aszites Therapie siehe unter Therapie der Leberzirrhose
- Aldosteron-Antagonisten
Literatur