Akute mesenteriale Ischämie (engl.: acute mesenteric ischemia, AMI) bedeutet plötzlich auftretende Unterbrechung der Durchblutung im Bereich des Gekröses (Mesenterium) und des Darms. Sie hat eine hohe Sterberate (Letalität) und stellt eine absolute Notfallsituation dar (1)N Engl J Med. 2016 Mar 10;374(10):959-68.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Die akute mesenteriale Ischämie ist eine Notfallsituation, die durch stärkste Bauchschmerzen bei weichen Bauchdecken gekennzeichnet ist und eine extrem hohe Letalität (bis 90 % (2)Cleve Clin J Med. 2009 Jul; 76(7):401-9 ) aufweist. Die Unterbrechung der Blutzirkulation im Mesenterium (Gekröse, Aufhängung des Darms) führt zu einer akuten Darmischämie bzw. einem Mesenterialinfarkt). Die Barriere der Darmschleimhaut gegen die Darmbakterien bricht zusammen, und es kommt rasch zu einem septischen Schock. Eine sofortige Diagnostik (z. B. durch CT) und eine unverzügliche Operation können lebensrettend sein. In besonderen Fällen kommt ein endovaskulärer Eingriff durch Katheterintervention in Betracht (3)Tech Vasc Interv Radiol. 2015 Mar;18(1):24-30. → Zur Darmmangeldurchblutung siehe hier. |
Formen der akuten mesenterialen Ischämie
Folgende Formen der akuten mesenterialen Ischämie lassen sich unterscheiden:
- Ischämie durch Verschluss einer mesenterialen Arterie (acute arterial mesenteric ischemia (AAMI)). Der zugehörige Darmabschnitt erscheint dem Operateur blutleer. Es entwickelt sich ein ischämischer Darminfarkt. Er kann bedingt sein durch eine
- Embolie (beispielsweise ausgehend von einem Thrombus aus dem linken Vorhofohr bei absoluter Arrhythmie) oder
- lokale arterielle Thrombose (beispielsweise ausgehend von einer lokalen Entzündung). Ursache kann eine embolische Streuung sein z. B. aus dem Herzen sein.
- Ischämie durch Thrombose einer mesenterialen Vene (acute venous mesenteric ischemia (AVMI)). Der zugehörige Darmabschnitt erscheint dem Operateur stark blutgestaut. Es entwickelt sich ein hämorrhagischer Darminfarkt.
- Ischämie ohne nachweisbaren Verschluss (non-occlusive mesenteric ischemia (NOMI)). Sie gehört zu den Komplikationen kritisch kranker Patienten und tritt daher gehäuft auf Intensivstationen auf.
→ Zur den Ursachen und und Risikofaktoren siehe auch hier.
Klinisches Bild
Akute mesenteriale Ischämie ist gleichbedeutend mit akuter Darmischämie. Sie führt zu plötzlich auftretenden extremen Bauchschmerzen bei weichen und eindrückbaren Bauchdecken. Die Darmtätigkeit ist gestört; Darmgeräusche sind kaum nachweisbar, Plätschern ist möglich.
Der Zusammenbruch der Schleimhautbarriere ermöglicht ein Eindringen der Darmbakterien, so dass es rasch zu einer Entzündung der gesamten Darmwand und auch des Bauchfells (Peritonitis) kommt. Wenn sich eine Peritonitis entwickelt, ändert sich der Schmerzcharakter und es kommt zu heftigen Bachschmerzen bei jeder Atembewegung und zu einer starken Abwehrspannung, wenn der Bauch durch Tasten eingedrückt wird. Ein aufkommender Druckschmerz des Bauchs ist ein schlechtes prognostisches Zeichen bezüglich des Überlebens.
Diagnostik
Die Diagnostik beginnt mit der klinischen Untersuchung. Stärkste Bauchschmerzen bedeuten Dringlichkeit. Die Sonographie kann wegen Meteorismus unzureichend sein. Deshalb wird vielfach sofort die CT-Angiographie (Kontrastmittel-verstärkte Computertomographie zur Darstellung der Blutgefäße und der Organdurchblutungen) als erste Untersuchung gewählt. Sie hat bei Verdacht auf mesenteriale Ischämie die Katheterangiographie als Goldstandard abgelöst (4)BMC Surg. 2013;13 Suppl 2:S51. doi: 10.1186/1471-2482-13-S2-S51.. Herzauskultation und EKG sollen Auskunft über eine absolute Arrhythmie als mögliche Ursache einer in Frage kommenden Darmischämie geben. Allerdings ist die Aussagekraft einer CT-Untersuchung bezüglich einer NOMI (s.o.) beschränkt (5)Ann Intensive Care. 2016; 6: 112. doi: 10.1186/s13613-016-0213-x.
Zur Diagnostik von Prädispositionen und Risikofaktoren siehe auch hier.
Bei der NOMI ist die Diagnostik deutlich schwieriger als bei den anderen AMI-Formen. Man findet die großen Mesenterialgefäße offen und dazu im optimalen Fall schon früh eine Verdickung der Darmwand (6)BMC Surg. 2013;13 Suppl 2:S51. doi: 10.1186/1471-2482-13-S2-S51. Bei unzureichender diagnostischer Aussage wird jetzt bereits eine explorative Laparotomie (Nachschauoperation) favorisiert.
Therapie
Die akute mesenteriale Ischämie muss so rasch wie möglich therapiert werden. Je länger die Unterbrechung der Durchblutung dauert, desto geringer ist die Chance einer Erholung der Darmfunktion. Laut Beobachtungen und experimentellen Untersuchungen ist die Schädigung des Darms nach 6-stündiger Ischämiezeit irreversibel (7)Arch Surg. 1970 Oct; 101(4):478-83.
Erste Priorität unter den therapeutischen Methoden hat demnach die raschest mögliche Operation. Sie ermöglicht es zu entscheiden, ob eine Revaskularisation zur Wiederherstellung der Darmdurchblutung Erfolg versprechend ist. Zudem kann direkt beurteilt werden, ob der Darm nach einer Revaskularisation wieder lebensfähig wird. Ein Darmabschnitt, dessen Durchblutung unzureichend bleibt, wird reseziert (8)BMC Surg. 2013;13 Suppl 2:S51. doi: 10.1186/1471-2482-13-S2-S51 . Zur Behandlung eines resektionsbedingten Kurzdarmsyndroms siehe hier.
In besonders günstigen Fällen kann eine Katheterintervention in Betracht gezogen werden, bei der ein Embolus oder ein Thrombus mit Hilfe der Kathetertechnik aus dem verschlossenen Gefäß entfernt wird.
In Einzelfällen ist eine lokale Thrombolyse erfolgreich (9)J Vasc Interv Radiol. 2005;16:317–329 (10)Turk J Emerg Med. 2016 May 9;16(2):86-88.
→ Zur Embolieprophylaxe und Behandlung einer zugrunde liegenden Gerinnungsstörung siehe hier.
→ Zur Behandlung einer zugrunde liegenden absoluten Arrhythmie siehe hier.
Verweise
- Nicht verschließende mesenteriale Ischämie
- Mesenterialinfarkt
- Bauchschmerzen
- Schock
- Darmischämie
- Absolute Arrhythmie
- Thrombus
- Embolus
- Der Darm – zur Anatomie und Funktion
Literatur