Die Behandlung des Typ-2-Diabetes gründet sich auf folgende Standbeine:
- Lebensführung,
- Ernährung,
- körperliche Bewegung und
- medikamentöse Therapie.
Hier werden die Grundlagen einer Therapiem des Typ-2-Diabetes dargestellt.
→ Zum Diabetes mellitus siehe hier.
→ Zum Typ-2-Diabetes siehe hier.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Die Behandlung einer Zuckerkrankheit erfolgt individuell. Was zu berücksichtigen ist, richtet sich nach dem Typ und dem Stadium der Erkrankung.
→ Diabetes mellitus – einfach erklärt |
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Behandlung schon bei gestörter Glukosetoleranz
Bereits lange bevor der Diabetes Typ 2 manifest wird, beginnen Gefäßschäden (diabetische Angiopathie), insbesondere Schäden an kleinen Blutgefäßen (Mikroangiopathie). Folge sind Durchblutungsstörungen an Extremitäten und Organen. Es kommt zu schweren Funktionsstörungen beispielsweise der Nieren (diabetische Nephropathie), des Auges (diabetische Retinopathie), der Nerven (diabetische Neuropathie) und der Beine (paVk, mit Geschwüren und Verkürzung der Gehstrecke).
→ Dazu siehe unter Diabetes mellitus Folgeschäden.
Möglichst früher Behandlungsbeginn
Therapeutische Konsequenz muss daher eine so früh wie möglich beginnende Stoffwechselkontrolle sein. Dazu dienen eine
- gute diätetische Einstellung,
- kontrollierte Gewichtsabnahme und
- körperliche Bewegung.
Medikamente
An Medikamenten stehen orale Antidiabetika, Inkretinmimetika, GLP-1-Agonisten und Insulin bzw. Insulinanaloga zur Verfügung.
Zudem gehört in das Therapiekonzept eine Behandlung der Komplikationen des Diabetes, wie der Hypertonie mit Antihypertonika und der Hyperlipidämie mit Fettsenkern.
Therapieziele
Ziel einer Behandlung des Typ-2-Diabetes ist die Verhinderung der Insulinresistenz und eines Verlusts der pulsatilen Insulinsekretion, was einen sehr frühzeitigen Therapiebeginn erfordert.
Therapieziele
Eine gute glykämische Kontrolle ist die beste Voraussetzung für die Verhinderung von Spätkomplikationen. Eine zu strenge Einstellung jedoch ist mit dem erhöhten Risiko von Hypoglykämien verbunden. Die Einstellung des Blutzuckers ist daher individuell vorzunehmen, wobei Compliance (“Gehorsam” den Anordnungen gegenüber), Essgewohnheiten, körperliche Bewegung, interkurrente Erkrankungen etc. berücksichtigt werden müssen.
Die Ziele bei der therapeutischen Einstellung des Blutzuckers, die kurzfristiger Kontrollen bedürfen, sind
- Senkung des HbA1c unter 6,5,
- Senkung der Nüchternblutzuckerwerte unter 120 mg/dl (venös) (bzw. unter 110 mg/dl kapillär). Senkung des postprandialen Blutzuckers unter 180 mg/dl (2h pp).
- Therapie der Hyper- und Dyslipoproteinämie, Hypertonie, Hyperurikämie und der Folgezustände und Komplikationen.
Langfristige Therapieziele
Ziele der Behandlung des Typ-2-Diabetes sind auf lange Frist die Verhinderung der Folgeschäden und Komplikationen des Diabetes), insbesondere der Makroangiopathie (Herzinfarkt, Schlaganfall, pAVK) und der mikroangiopathischen Organkomplikationen (diabetische Nephropathie, Retinopathie, Neuropathie) und der Hyperkoagulabilität (präthrombotischer Zustand, siehe auch unter Thrombose) (vgl. Diabetes mellitus Folgeschäden, diabetisches Spätsyndrom).
Prognose
Die Prognose des Diabetes mellitus lässt sich durch Einstellung von Blutdruck und Blutzucker entscheidend verbessern, wobei die Art der Diabetestherapie (Insulin oder orale Antidiabetika) unabhängig sind. Es zählt allein die gute Einstellung. Inzwischen gilt es als erwiesen, dass mikroangiopathische Komplikationen durch eine gute Stoffwechseleinstellung verzögert oder verhindert oder in ihrer Schwere gemildert werden können.
Individuelle Behandlung
Die Behandlung des Typ-2-Diabetes sollte individuell adaptiert werden. Wenn beispielsweise ein Patient durch Insulin besser einstellbar ist als durch Diät und orale Antidiabetika, dann sollte eine Umstellung erfolgen. Wenn orale Antidiabetika den gleichen Erfolg zeitigen, können sie verwendet werden.
Frühzeitige Insulintherapie
Allerdings scheint eine frühzeitige Insulin-Therapie insofern auch dann von Vorteil, wenn sie die körpereigene Insulinproduktion schont und dazu beiträgt, dass sich die ß-Zellen nicht früh erschöpfen. Das kann durch eine frühzeitige komplementäre Insulin-Therapie (kleine Dosen zu den Mahlzeiten) erzielt werden. Sie ahmt die pulsatile Phase der körpereigenen Insulinsekretion nach. Dies kann auch durch prandiale Glukoseregulatoren (Insulin-Sekretagoga und GLP-1-Agonisten) geschehen, wenn die ß-Zellen noch nicht erschöpft sind.
Grundlage der Therapie
Grundlage der Diabetes-Therapie ist eine verlässliche Information über den aktuellen und längerfristigen Zuckerstoffwechsel. Die Messung der Blutzuckers, des Urinzuckers, des HbA1c, von Fruktosamin und des Zuckerspiegels im Unterhautbindegewebe (bei der kontinuierlichen Glukosemessung, CGM) werden dazu herangezogen.
Therapieprinzipien
Die Behandlung des Typ-2-Diabetes sollte so früh wie möglich – schon im Stadium der eingeschränkten Glukosetoleranz – beginnen!
Diät, Gewichtsregulation, körperliche Bewegung
Diese Maßnahmen können schon im prädiabetischen Stadium einer eingeschränkten Glukosetoleranz ergriffen werden, um eine essentielle Hypertonie und den Übergang in eine diabetische Stoffwechsellage zu vermeiden oder hinauszuschieben und im manifest diabetischen Stadium eine bestehende Insulinresistenz zu vermindern. Bei Patienten mit einer gestörten Glukosetoleranz kann die Veränderung des Lebensstils zu einer deutlichen Verringerung des Diabetesrisikos führen!
Remission durch Gewichtsabnahme
Eine Gewichtsabnahme über 10 % im ersten Jahr nach Diagnosestellung alleine durch moderate Veränderung dieser Lebensgewohnheiten ist auch ohne Medikamente erreichbar. Sie bewirkte laut einer Studie während einer 5-jährigen Nachverfolgung im Vergleich zu Menschen, die das gleiche Gewicht hielten, eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit einer Remission (Normalisierung der Blutzuckerwerte, Risikoverhältnis 1,77). (1)Diabet Med. 2020 Apr;37(4):681-688. doi: 10.1111/dme.14122
Empfehlungen
- körperliche Aktivität erhöhen,
- gesättigte Fette auf weniger als 7 % der Kalorienzufuhr reduzieren,
- Cholesterin auf weniger als 200 mg/Tag reduzieren,
- Omega-3-Fettsäuren (vielfach ungesättigte Fettsäuren) supplementieren,
- Fettsenker bei mangelhaftem Erfolg einer Normalisierung der Fettstoffwechselstörung einsetzen, dazu gehören:
- Statine,
- Fibrate,
- Niacin,
- Cholestyramin o. ä. zur Gallensäuresequestrierung.
Weiteres siehe unter Adipositas, Ernährung bei Adipositas und körperliche Aktivität.
Medikamente
Zur Blutzuckerkontrolle stehen orale Antidiabetika (2)Drugs. 2005;65(3):385-411, Inkretinmimetika und Insulin bzw. Insulinanaloga zur Verfügung.
Alpha-Glucosidase-Hemmer
Alpha-Glucosidase-Hemmer wie Acarbose hemmen die normale Verdauung von Oligosacchariden und senken so den postprandialen Blutzuckerwert. In frühen Stadien können sie von Nutzen sein und die Entwicklung des apparenten Diabetes verzögern. Mehr dazu siehe hier.
Biguanide
Biguanide sind wegen erheblicher Nebenwirkungen weitgehend aus dem Handel gezogen worden. Genaueres zu den Biguaniden siehe hier.
Metformin ist das einzige noch zugelassene Präparat aus der dieser Gruppe. Es spielt immer noch eine herausragende Rolle in der Behandlung des Diabetes mellitus. Mehr zu Metformin siehe hier.
Sulfonylharnstoffe
Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid (z. B. Euglucon®, Maninil®) werden heute nicht mehr in erster Linie zur Senkung des Blutzuckerspiegels eingesetzt, haben aber vielfach noch ihren Platz bei der Behandlung von Patienten, die bisher damit gut eingestellt waren. Mehr zu dieser Substanzgruppe siehe hier.
Insulinsensitizer, Glitazone
Glitazone sind “Insulinsensitizer”: Substanzen wie Glitazone wie Rosiglitazon (Avandia ®) oder Pioglitazon (Actos®) erhöhen die Empfindlichkeit der peripheren Zellen auf Insulin. Ihr Einsatz wird durch einige Nebenwirkungen begrenzt, so durch Neigung zur Gewichtszunahme und Ödembildung. Mehr zu Glitazonen siehe hier.
Insulin-Sekretagoga, Glinide
Glinide sind prandiale Glukoseregulatoren (Insulin-Sekretagoga). Sie bewirken eine kurze Insulinausschüttung aus den ß-Zellen und imitieren eine pulsatile Insulinsekretion nach der Mahlzeit. Mehr zu Gliniden siehe hier.
Inkretinhormone
Das natürliche Glucagon-like-peptid-1 (nGLP-1) stimuliert die Insulinsekretion und hemmt die Magenentleerung sowie den Appetit. Es wird durch die Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4) im Körper unwirksam gemacht. Dieses Zusammenspiel kann therapeutisch gestört werden, indem Enzymhemmer der DPP-4 eingesetzt werden.
Auch sind enzymresistente Analoga des GLP-1 entwickelt worden. Sie führen zu einer verlängerten GLP-1-Wirkung und damit auf die Dauer zu einer verbesserten Kontrolle der Blutzuckerspiegel bei Diabetes Typ 2.
Auf dem Markt sind beispielsweise Exenatid (Byetta®) und Sitagliptin (Januvia®). Zu dieser Substanzgruppe gehört auch das Vildagliptin (Galvus®, Novartis). Medikamente dieser Gruppe sollen kein Hypoglykämierisiko haben.
Exenatide ist ein Inkretin-Mimetikum, das nach Nahrungsaufnahme (Kohlenhydratzufuhr) vom Darm gebildet wird und die Insulinfreisetzung aus dem Pankreas anstößt. Weiteres siehe unter Exenatide.
→ Mehr dazu siehe unter Inkretine, Inkretin-Mimetika, DPP-4-Hemmer und GLP-1-Agonisten.
SGLT-2-Hemmer
Medikamente dieser Gruppe hemmen die Reabsorption von Glukose aus dem Primärharn in den Nierentubuli. Die senken den Blutzucken, das HbA1c und das Körpergewicht. Das Hypoglykämierisiko ist nur gering. Beispiel für einen SGLT2-Hemmer ist Empagliflozin (Jardiance®).
Insulin, Insulinanaloga
Eine Insulintherapie ist beim Typ-1-Diabetes in jedem Fall erforderlich, beim Typ-2-Diabetes erst bei beginnender Erschöpfung der Beta-Zellen des Pankreas. Neben dem häufig verwendeten Humaninsulin gibt es eine Reihe von gentechnisch hergestellten Insulinanaloga, die als Kurzzeitinsulin oder Langzeitinsulin Bedeutung für die Behandlung des Diabetes gewonnen haben. Langzeitinsuline (wie Glargin) decken den Grundbedarf ab, Akutinsuline den akuten Bedarf. Kurz wirksames Insulin wird für Insulinpumpen verwendet.
→ Mehr zu den Insulinen siehe hier.
Neue Entwicklungen
Vitamin D zur Vorbeugung
Ein spezieller Vitamin-D-Rezeptor (VDR) vermag einen Signalweg in Gang zu setzen, der die Insulin bildenden ß-Zellen der Bauchspeicheldrüse vor entzündlichem Stress und Untergang schützt. Dieser Zusammenhang ist neu entdeckt und nun veröffentlicht worden. Ein medikamentöser Eingriff an einem Schlüsselpunkt dieses Wegs verbessert die ß-Zell-Funktion wieder und senkt den erhöhten Blutzucker. (Eine pharmakologische Hemmung von BRD9 fördert die Assoziation von PBAF-VDR, was zur Wiederherstellung der β-Zellfunktion im Tierexperiment führt und den erhöhten Blutzucker senkt.) (3)Cell Volume 173, ISSUE 5, P1135-1149.e15, May 17, 2018 … Continue reading
Eine große chinesisch-europäische Untersuchung bestätigt: Je höher der Vitamin-D-Status ist, desto geringer ist das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Eine um 25 nmol/l höhere Konzentration an 25(OH)D im Blut bedeutete eine Senkung um 14 %. Es wird geschlossen, dass Vitamin D vorbeugend wirkt. (4)PLOS Published: May 2, 2018 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002566
Aktivator der Glukokinase in der Leber
Eine nebenwirkungsfreie oder -arme Behandlung des Typ-2-Diabetes zeichnet sich mit einem neuen oralen Medikament ab. Es aktiviert selektiv eine hepatische Glukokinase. In einer 6-monatigen Phase-2-Studie wurde gezeigt, dass die Substanz mit der Laborbezeichnung TTP399 den Langzeitmarker für Diabetes HbA1c anhaltend senkt (um fast 1%), zudem auch das Körpergewicht. Zudem steigert es das HDL (um durchschnittlich 3.2 mg/dl). Kritische Nebenwirkungen, wie Hypoglykämien oder Erhöhungen der Leberwerte wurden nicht beobachtet. Phase-3-Studien sind zu erwarten. (5)Science Translational Medicine 16 Jan 2019: Vol. 11, Issue 475, eaau3441 DOI: … Continue reading
Insulinpumpe in Closed-Loop-Systemen
Insulinpumpen ermöglichen, kurzwirksames “Sportlerinsulin” (auch “Mahlzeiteninsulin” bezeichnet) bedarfsgerecht zu applizieren. Die Entwicklung geht dahin, solche Pumpen in einen geschlossenen Regelkreis einzubinden, in dem eine automatische Blutzuckermessung den Effekt angibt. (6)Diabetologia. 2021 May;64(5):1007-1015. DOI: 10.1007/s00125-021-05391-w Solch ein geschlossenes System werden auch als künstliches Panreas bezeichnet. Erste Erfahrungen zeigen, dass solche Systeme wirksame und sichere Optionen zur Verbesserung der Diabetesversorgung sein können. (7)Diabetes Ther. 2023 May;14(5):839-855. doi: 10.1007/s13300-023-01394-5
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Verweise
Literatur