Die Achalasie ist eine Störung des ösophagealen Schluckaktes durch mangelhafte Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters, d. h. des Verschlussmechanismus zum Magen hin. Sie ist häufig begleitet von verminderter propulsiver Peristaltik im Ösophagus (Melkbewegung, Vorwärtsbewegung von Geschlucktem). 1
→ Ösophagusstenose
→ Dysphagie
Inzidenz
Die Erkrankung ist relativ selten: Die Inzidenz liegt bei 1,99 Fälle pro 100.000, die Prävalenz bei 27,1 pro 100.000. Durchschnittsalter bei Diagnose ist 59 Jahren. Es bestehen keine Geschlechtsunterschiede. 2
Entstehung
Es handelt sich um eine erworbene neuromuskuläre Erkrankung bisher unbekannter Genese. Sie beruht auf einer Störung der Innervation. Eine entscheidende Rolle spielen vermutlich genetische, infektiöse und autoimmune Faktoren. Einzelne Befunde, die auf die Ursache schließen lassen, sind folgende:
- Es wurde das Varizella-Zoster-Virus im Auerbach-Plexus gefunden. 3
- Eine Achalasie kann auch durch Trypanosoma cruci (Südamerika) hervorgerufen werden. 4
- Nach weiteren Befunden spielen bei der Achalasie Herpes-Virus-Typ-1-Antigene eine Rolle, die zu einer immunvermittelten entzündlichen Reaktion am unteren Ösophagussphinkter mit Neuronenschädigung führen 5. Auch andere Viren wurden mit der Entstehung in Verbindung gebracht 6.
- In einer Assoziationszustudie wurde festgestellt, dass die systemische Sklerose und der Morbus Addison am stärksten und das Varizella-Zoster-Virus und das humane Papillomavirus ebenfalls stark mit der Achalasie assoziiert waren.
Die Funktion der hemmenden Neurone des Plexus myentericus auf den Muskeltonus des unteren Ösophagussphincters (lower esophageal sphincter, LES) nimmt ab und damit ihre Erschlaffungsfunktion. Der Schluckakt wird damit direkt vor dem Magen unterbrochen. 7
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Symptomatik
Achalasie-Patienten leiden unter Dysphagie, dem Gefühl von behindertem Schlucken und Schmerzen hinter dem Brustbein durch Steckenbleiben von Geschlucktem (Odynophagie), Gewichtsverlust und Regurgitationen (Aufstoßen) unverdauter Nahrung mit gehäuften bronchopulmonalen Infekten. Die bei der Achalasie auftretenden Brustschmerzen sind multifaktoriell. Eine Rolle spielen vermutlich eine Ösophagitis aufgrund der Stauung des Speisebreis mit einer erhöhten Empfindlichkeit von Chemorezeptoren, möglicherweise auch eine allgemeine viszerale Überempfindlichkeit. 8
Nach der Chikago-Klassifikation werden verschiedene Typen unterschieden. 8
Triple-A-Syndrom
Das Triple-A-Syndrom, auch als Allgrove-Syndrom bezeichnet, ist eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung. Sie enthält als wesentliches Symptom eine Achalasie und zusätzlich eine ACTH-resistente Nebenniereninsuffizienz (periphere NNR-Insuffizienz) und eine Alakrimie (mangelhafte Produktion von Tränenflüssigkeit). Es ist eine seltene, über das AAAS-Gen auf Chromosom 12 autosomal-rezessiv vererbte Krankheit. Wenn eine Achalasie bereits in der Kindheit und frühen Jugend auffällt, sollten Zeichen der NNR-Insuffizienz und die Tränenproduktion mit geprüft werden. 9
Diagnostik
Start einer Diagnostik sind die Symptome von zunehmendem Aufstoßen unverdauter Nahrung (Ruminieren) und das Gefühl, dass Speise in der Speiseröhre steckenbleibt, oft verbunden mit Schmerzen hinter dem Brustbein. Die Diagnose einer Achalasie sollte ins engere Blickfeld genommen werden, wenn Patienten mit solchen Schluckstörungen endoskopisch keine anderen Störungen aufweisen. Nachfolgende manometrische Untersuchungen stützen die Diagnose 10.
Technische Untersuchungen
Ösophagogastroskopie: Gastroskopie zum Ausschluss maligner und entzündlicher verengender Prozesse. Hinweis auf einen spastischen unteren Ösophagussphinkter? Nachweis eines epiphrenischen Divertikels (z. B. Zenker-Divertikel)? Nachweis einer Schleimhautentzündung aufgrund zurückbleibender geschluckter Speise (Retentionsösophagitis)? Siehe unter Ösophagogastroskopie.
Röntgenbreischluck: Nachweis der fehlenden Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters und einer stehenden Kontrastmittelsäule, manchmal zusätzlich eines epiphrenischen Divertikels (Ösophagusaussackung).
Manometrie: Nachweis der ungenügenden oder fehlenden Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters bei normalem oder erhöhtem Ruhedruck. Siehe unter Ösophagusmanometrie.
Endosonographie: zum Ausschluss einer submukösen Tumorausbreitung mit der Symptomatik einer Achalasie (Pseudoachalasie). Siehe unter Endosonographie.
Diagnostik assoziierter Krankheiten
Wenn die Diagnose gesichert ist, sollte nachfolgend auch überprüft werden, ob eine der Krankheiten, die gehäuft zusammen mit der Achalasie vorkommen (s. o.), ebenfalls vorliegt. Insbesondere sollte an die systemische Sklerose und den Morbus Addison gedacht werden, im Weiteren auch an eine Herpesinfektion, das humane Papillomavirus und das Varizella-Zoster-Virus.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind andere Schluckstörungen, z. B. ein Ösophagospasmus und ein hyperkontraktiler Ösophagus (auch psychischer Art) oder eine eosinophile Ösophagitis, sowie eine ineffiziente Ösophagusmotilität auszuschließen. 11
Therapie
Medikamente: Nitropräparate und Kalziumantagonisten senken der Sphincterdruck, sind aber i. d. R. nur im Anfangsstadium wirksam.
Ballondilatation: Sie war lange Zeit die erfolgreichste Methode, eine Besserung der Schluckbeschwerden herbeizuführen. Die Wirkung kann wochen- bis monatelang anhalten; dann wird häufig eine neuerliche Dilatation erforderlich. Komplikation: Perforation (1 – 3 %), Mortalität unter 1 %, Herzrhythmusstörungen. Die Untersuchung wird von Patienten gut toleriert. 12 13
Operative Therapie: Wenn die Ballondilatation keine Verbesserung ergibt, kann eine vordere Myotomie (Durchtrennung, laparoskopische Heller-Myotomie) durchgeführt werden. Komplikation: gastroösophagealer Reflux (bis 40 %), daher häufig gleichzeitig Fundoplikatio (Faltung des obersten Magenteils um den Mageneingang). Die Langzeiterfolgsrate der Myotomie ist sehr gut. 14 Im Vergleich mit der Ballondilatation (die gelegentlich mehrfach durchgeführt werden muss) sind die operativen Ergebnisse gleichwertig: Erfolgsrate von 84 % bzw. 82 % nach 5 Jahren für LHM und PD. 15
Botulinustoxin: Die Injektion in den unteren Ösophagussphinkter führt zur Blockade der cholinergen Innervation und damit zur Erniedrigung des Ruhedrucks. Der Erfolg ist weniger ausgeprägt und hält in der Regel nicht so lange an wie der Ballondilatation, ist aber risikoärmer. 16
Endoskopische Myotomie des unteren Ösophagussphinkters: Ihre Erfolge sind offenbar anhaltender als die der Ballondilatation, s. o.). In einer vergleichenden Studie über 5 Jahre hatten Patienten, die mit dieser Methode behandelt wurden, durchschnittlich eine länger anhaltende Symptomfreiheit als diejenigen, die mit einer pneumatische Dilatation behandelt wurden (81 % vs. 40%). 17
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Verweise
Referenzen
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- Gut. 2019;68:1146–1151[↩]
- Gut. 1993 Mar;34(3):299-302[↩]
- Am J Trop Med Hyg. 2018 Mar;98(3):717-723.[↩]
- Am J Gastroenterol 2008; 1598-1609[↩]
- Middle East J Dig Dis. 2018 Jul;10(3):169-173[↩]
- J Neurogastroenterol Motil. 2023 Oct 30;29(4):419-427. DOI: 10.5056/jnm23125[↩]
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- Adv Exp Med Biol. 2010;685:1-8. doi: 10.1007/978-1-4419-6448-9_1[↩]
- United European Gastroenterol J. 2020 Feb;8(1):13-33. doi: 10.1177/2050640620903213.[↩]
- Am J Gastroenterol. 2021;116:1759. doi: 10.14309/ajg.0000000000001268[↩]
- Katz P.O. et al. Dig. Dis. Sci. 1998; 43: 1973-1977[↩]
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- Gut. 2016 May;65(5):732-9[↩]
- Vaezi M.F. et al. Gut 1999; 44: 231-239[↩]
- Lancet Gastroenterol Hepatol. 2022 Oct 4:S2468-1253(22)00300-4. DOI: 10.1016/S2468-1253(22)00300-4[↩]