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Allgemeines
Die echte Grippe (Influenza) ist eine Viruserkrankung, die primär die Atemwege und die Lungen befällt. Sie wird ausgelöst durch wechselnde Mutanten der Influenza-A- und -B-Viren und überzieht jährlich als „Grippewelle“ pandemisch den Globus. Wegen ihrer meist deutlich heftigeren Symptomatik, hohen Komplikationsrate (vor allem Lungenentzündungen) und Letalität bei Menschen mit verringerter Abwehrkraft wird die echte Grippe von den grippeähnlichen (grippalen) Infekten abgegrenzt, die durch verschiedenste andere Viren (z. B. Adenoviren, Myxoviren, Rhinoviren) ausgelöst werden.
Influenzaviren
Die Influenzaviren A und B besitzen auf ihrer Oberfläche besondere, für sie charakteristische Strukturen (ein Hämagglutinin und eine Neuraminidase) durch die sie sich unterscheiden lassen.
Influenza-A-Viren
Bei den Influenza-A-Viren variieren die Oberflächenproteine je nach Typ:
- Hämagglutinin: es sind 16 verschiedene Typen bekannt. Hämagglutinin bewirkt im Wirt die Antikörperbildung.
- Neuraminidase: es sind 9 verschiedene Typen bekannt. Die Neuraminidase spielt eine Rolle bei der Freisetzung neuer Viren aus den Wirtszellen.
Ein Virus mit der Bezeichnung Influenza A(H3N2) beispielsweise bezeichnet die Zugehörigkeit zu den Influenzaviren A mit den Oberflächenvarianten Hämagglutinin Typ 3 und Neuraminidase Typ 2.
Daneben gibt es in der Virushülle ein Matrixprotein. Neuraminidase und Matrixprotein sind Angriffspunkte von antiviralen Medikamenten, die allerdings alle nur eine beschränkte Wirkung aufweisen (siehe hier).
Influenza-B-Viren
Die Influenza-B-Viren unterscheiden sich weniger; es gibt weltweit nur 2 bedeutsame Stämme, die Yamagata-Linie und die Victoria-Linie.
Variabilität der Viren
Es besteht bei Grippeviren eine außerordentlich hohe Variabilität der Oberflächenstrukturen, die zum großen Teil durch eine hohe Mutationsrate bedingt ist. Grippewellen verlaufen daher häufig mit unterschiedlicher Heftigkeit ab, und je nach neu auftretenden Mutationen müssen neue Impfstoffe entwickelt werden.
Erregerreservoir
Als Erregerreservoire des Influenza-A-Virus dienen verschiedene Tiere. Für die Ausbreitung beim Menschen sind vor allem Vögel, Schweine und Pferde von Bedeutung. Das Influenza-B-Virus tritt praktisch nur beim Menschen auf.
Ausbrüche und Pandemien
Während einer Grippewelle werden, je nach Aggressivität der Viren und Durchimpfung der Bevölkerung, etwa 5 % – 20 % der Bevölkerung infiziert.
Als Ursachen saisonaler Pandemien dominierten früher A(H1N1) und A(H2N2), heute kommt A(H3N2) hinzu.
- 1918 Ausbruch einer virulenten Infektion von A(H1N1) mit vielen Millionen Todesopfern, bekannt als Spanische Grippe.
- 1957 führte der Subtyp A(H2N2) zu einer Pandemie.
- 1977 Ausbruch einer A(H1N1)-Grippewelle, bekannt als Russische Grippe.
- 2009 kam es zu einem weltweiten heftigen Ausbruch einer Variante des Virus A(H1N1), bekannt als Schweinegrippe („A(H1N1) 2009“) (1)Science. 2009 Jun 19;324(5934):1557-61.
- 2011 wurde eine A(H3N2)-Variante in Frettchen und Schweinen entdeckt, welche gelegentlich auf Menschen übergeht und der ein pandemisches Potenzial zugeschrieben wird (2)MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2012 Apr 13;61(14):237-41 (3)Prev Med. 2013 Dec;57(6):910-3 (4)J Virol. 2013 Dec;87(24):13480-9.
- 2013 wurde in China eine erste Infektion von Menschen mit einem bei Vögeln vorkommenden (und bei ihnen harmlosen) Influenzavirus beobachtet. Es handelte sich um das Virus A(H7N9) (5)N Engl J Med. 2013 May 16;368(20):1888-97. Bisher (Jan. 2015) hat sich die Infektion nicht ausgebreitet, jedoch lokal zu Todesfällen geführt.
- 2014/2015 wurden in Deutschland überwiegend (zu 86%) A(H3N2)-Viren als Auslöser der Grippewelle festgestellt, zu einem geringeren Anteil (in 14%) A(H1N1) und (in 8%) Influenza B. Die A(H3N2)-Variante wird laut RKI durch die derzeitigen Impfstoffe nicht gut erfasst, die zirkulierenden A(H1N1)-Viren dagegen gut (siehe hier).
Infektion
Die Infektion erfolgt ganz überwiegend über Tröpfchen (Tröpfcheninfektion) mit einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis 1 – 2 Tagen, bei der Vogelgrippe bis zu 5 Tagen. Die Viren infizieren zunächst die Atemwege (Nasenrachenraum, Luftröhre und Bronchien) und führen dort zu einer Entzündung. Sie entwickelt sich häufig zur Lungenentzündung (Pneumonie) weiter. Für 5 – 7 Tage besteht eine hochgradige Ansteckungsgefahr (Infektiosität).
Symptomatik
Typisch für die echte Grippe ist
- der plötzliche Beginn mit Fieber über 38,5 Grad mit
- zunächst trockenem Reizhusten,
- Halsschmerzen und Schluckbeschwerden
- allgemeinen Symptomen wie Kopfschmerzen und Gliederschmerzen und
- wässriger Schnupfen.
Bei etwa 1/3 der Infizierten ist der Verlauf schwer, bei 2/3 leicht bis abortiv (fast symptomlos).
Bei schwerem Verlauf kann es zu Schweißausbrüchen, hohem Fieber, Schläfrigkeit (Somnolenz) und Verwirrtheit (Fieberdelir), Kurzatmigkeit, Atemnot und allgemeiner Elendigkeit kommen.
Komplikationen sind vor allem
- eine Lungenenzündung (Pneumonie),
- eine Herzmuskelentzündung (Virusmyokarditis) sowie
- eine Beteiligung des Gehirns (Enzephalopathie).
Besonders bei Immungeschwächten, kleinen Kindern, Schwangeren, älteren Menschen und Menschen mit einer neurologischen Erkrankung besteht ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf und eine erhöhte Letalität (Risiko, an den Komplikationen zu sterben).
Diagnostik
Außerhalb einer Grippewelle ist differenzialdiagnostisch an andere Erreger zu denken. Die Diagnostik umfasst damit neben Influenzaviren auch das Respiratorisches-Synzytial-Virus (RS-Virus), Mykoplasmen und das humane Metapneumovirus (hMPV), die eine ähnliche Symptomatik hervorrufen können.
Innerhalb einer Grippewelle ist die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Symptome einer Grippe zuzuordnen sind, so hoch, dass bei den Behandlungs- und Vorsorgemaßnahmen davon vielfach ohne weitere Testung ausgegangen wird. Allerdings muss einmal nachgewiesen werden, dass die aktuelle Welle vor Ort tatsächlich durch ein Influenzavirus ausgelöst ist. Dazu kann ein Schnelltest bzw. eine PCR dienen. Der direkte Virusnachweis ist von der Virusmenge abhängig; sie nimmt nach 2-3 Tagen ab; der Test wird danach unsicherer. Der Nachweis eines Antikörperanstiegs ist ein indirektes Zeichen einer Infektion; sie wird erst nach einigen Tagen positiv und ist zur raschen Erstdiagnose nicht geeignet.
Therapie
In der Regel können Patienten mit Grippe zu Hause behandelt werden. Schwere Verläufe können eine klinische oder gar intensivmedizinische Behandlung erfordern.
Grippemittel werden stark beworben, haben aber nur eine geringe Wirksamkeit. Bei leichtem oder nur mittelschwerem Verlauf der echten Grippe wird ihr Einsatz eher durch Nebenwirkungen als durch einen positiven Effekt bestimmt sein. Bei schwerem Verlauf jedoch verkürzt eine antivirale Therapie z. B. mit Oseltamivir (Tamiflu®) oder Zanamivir die Symptomatik mäßig und reduziert laut Metaanalyse von Studien die Zahl der Krankenhauseinweisungen (6)Lancet. 2015 Jan 29. pii: S0140-6736(14)62449-1. doi: 10.1016/S0140-6736(14)62449-1 (siehe hier). Allerdings sind die Nebenwirkungen (vor allem Übelkeit) mit annähernd 10% beträchtlich. Auch entwickeln sich vereinzelt Resistenzen, sodass sich die positive Wirkung verlieren kann. Dennoch muss bei Schwerkranken und Abwehrgeschwächten eine antivirale Therapie erwogen werden, aber dann so früh wie möglich.
In einer zweiten Phase kann es zu einer bakteriellen Superinfektion im Bereich der Atemwege kommen, die eine Therapie mit Antibiotika erforderlich machen kann.
Vorbeugung einer Ausbreitung
Wie bei jeder Infektionskrankheit sollte auf eine Isolierung des Kranken und eine strenge Handhygiene geachtet werden. Husten und Niesen sollte in den Schutz von Einmaltüchern erfolgen. Die Zimmer sollten regelmäßig durchlüftet werden.
Eine möglichst hohe Durchimpfung der Bevölkerung ist die beste Vorbeugung einer Ausbreitung.
Impfung
Eine Impfempfehlung gilt für die gesamte Bevölkerung. Je größer der allgemeine Impfschutz ist, desto eher kann einer Epidemie Einhalt geboten werden. Auf jeden Fall sollten sich Menschen impfen lassen, die z. B. in Kindergärten, Seniorenheimen oder Krankenhäusern einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Die Impfseren werden jährlich den neuen Virusvarianten angepasst. Allerdings treffen sie nicht immer die Haupterreger. So zirkulierten in der Saison 2014/2015 vorwiegend Influenza A(H3N2), die von den zur Verfügung stehenden Impfstoffen nicht gut erreicht wurden (siehe hier).
Die Stammanpassung der Impfstoffe für die Saison 2015/16 enthielt laut Information des Paul-Ehrlich-Instituts (siehe hier) die folgenden Antigene:
- A/California/07/2009 (H1N1) pdm 09-ähnlich,
- A/Switzerland/9715293/2013 (H3N2)-ähnlich und
- B/Phuket/3073/2013-ähnlich (Yamagata-Linie)
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Verweise
Literatur