Die Echinokokkose ist eine Zoonose durch Bandwürmer (engl.: tapeworms), die in ihren Anfangsstadien keine wesentlichen Symptome hervorruft und später durch die Bildung typischer, langsam größer werdender Zysten Komplikationen hervorrufen. Die beiden Hauptformen, die zystische und die alveoläre Echinokokkose, haben eine unterschiedliche Verbreitung, sind unterschiedlich bedrohlich und bedürfen unterschiedlocher Therapiemaßnahmen. (1)Bulletin des RKI 2017
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Inhaltsverzeichnis
Erreger
Es gibt verschiedene Echinokokkusarten, die jeweils etwas unterschiedliche diagnostische und therapeutische Implikationen haben. Am häufigsten ist die solitäre Echinokokkuszyste (Hydatide; engl.: tapeworm hydatid) des Hundebandwurms. Typisch für Bandwürmer sind der “Kopf” mit einem Hakenkranz und multiple gleichförmige Glieder. Die Larvenstadien (Finnen, Metacestoden) rufen die zystische Echinokokkose und die alveolare (multilokulare) Echinokokkose hervor.
Hundebandwurm
Der Hundebandwurm (Echinococcus granulosus) ist die verbreitetste Echinokokkose. Typisch sind die durch ihn bedingten solitären Zysten in der Leber. Sie besitzen eine feste Kapsel, durch die sie sonographisch gut von einfachen Leberzysten, die keine Kapsel besitzen, unterscheidbar sind. Wenn im Ultraschallbild zudem Protoscolices (kleine von der Kapsel nach innen ragende Reflexe) erkennbar sind, so ist die Diagnose i.d.R. bereits zweifelsfrei stellbar.
Hauptwirt ist der Hund. Im Lebenszyklus benötigt der Hundebandwurm Zwischenwirte, beispielsweise fleischfressendes Wild, wie der Fuchs. Auch Haustiere, wie besonders das Schaf, aber auch das Rind und das Schwein sind häufig Zwischenwirte und Überträger.
Fuchsbandwurm
Der Echinococcus multilocularis ist vor allem in Süddeutschland und Südeuropa verbreitet. Endwirt ist der Fuchs, selten der Hund. Typisch sind Hydatiden, die aus vielen kleinen Zysten zusammengesetzt sind. Zwischenwirte sind kleine Nagetiere. Er besitzt keine so ausgeprägte Kapsel in der Leber sondern wächst in kleinen Zystchen krebsartig invasiv und infiltrativ. Er siedelt sich metastatisch in anderen Organen ab und erreicht oft Lungen, andere Organe und auch das Gehirn. Der Fuchsbandwurm kommt in Afrika praktisch nicht vor.
Pathogenese
Die Infektion erfolgt durch orale Aufnahme der Eier über kontaminiertes Material infizierter Tiere. Mangelnde Hygiene erhöht das Risiko. Zunächst kommt es zur Penetration der Darmwand, 70% der Würmer verbleiben in der Leber, 30% wandern in der Lunge. Dort entwickeln sich Zysten (Hydatiden), die sich von normalen Leberzysten durch eine verdickte Wand unterscheiden lassen.
Der E. granularis führt zu großen Solitärzysten. Sie entstehen primär in der Leber. Das Wachstum ist langsam, es beträgt etwa 0,5 cm/Jahr. Eine Symptomatik tritt erst spät auf. Es kann zu einer Schwellung der Leber mit Druckgefühl im rechten Oberbauch kommen. Eine Gallenwegskompression kann zu einer Gelbsucht führen. Schwerwiegende Komplikationen sind eine Ruptur der Zyste; die Gefahr dafür steigt mit der Zystengröße. Auch kann es in seltenen Fällen zu einer Infektion der Zyste kommen.
Der E. multilocularis führt ebenfalls zu einer Lebervergrößerung (Hepatomegalie) und zu Druckgefühl im rechten Oberbauch.
Diagnostik
Sonographie
Solitäre Zysten weisen typischerweise eine verdickte Wand auf und lassen sich so von normalen Leberzyste unterscheiden, die keine Wandstrukturen erkennen lassen.
Weitere bildgebende Verfahren (CT, MRT) sind aufwändiger und geben nicht unbedingt eine bessere Sicherheit. Sie sind jedoch von Bedeutung für die Suche nach anderen Lokalisationen, wie die in der Lunge oder im Gehirn.
Eine Probepunktion der in Frage stehenden Zyste sollte wegen der Gefahr einer peritonealen Aussaat vermieden werden.
Ein diagnostisches Problem besteht beim NAchweis einer alveolären Echinokokkose. Die multilokulären Zysten ergeben in der Sonographie ein uneinheitliches Bild; einige zeigen eine herabgesetzte Echogenität, andere dagegen eine Hyperechogenität, wieder andere eine gemischte Echogenität. Eine Kontrastmitteluntersuchung kann u. U. eine Entscheidungshilfe darstellen. (2)Medicine (Baltimore). 2019 Feb;98(5):e14325. doi: 10.1097/MD.0000000000014325. CT und MRT bleiben wahrscheinlich jedoch überlegen.
Mehr zur Sonographie der Leber siehe hier.
Laborwerte
- Echinococcus-Serologie (KBR); sie ist in 15% der Fälle negativ.
- ELISA-Test: für Echinokokken hoch spezifisch, kann aber zwischen Hunde- und Fuchsbandwurm nicht gut unterscheiden.
- Eosinophilie; sie fehlt in >60%).
Bei Leberbefall finden sich nur unspezifische oder fehlende Erhöhungen der Leberwerte.
Symptomatik
Da sich die Echinokokkuszysten langsam entwickeln, bleiben sie in den ersten Jahren meist symptomlos. Erst bei einer größeren Raumforderung kommt ein Druckempfinden im rechten bzw. mittleren Oberbauch zustande. Große Zysten können zudem zu Komplikationen führen, so auch zu einer spontanen Ruptur mit Erguss des Zysteninhalts in die Bauchhöhle. Damit ist gleich auch eine Aussaat von Scolices verbunden. In einem Fall wurde auch von einer durch die Ruptur ausgelösten Anaphylaxie (einer immunologisch vermittelten Schockreaktion) berichtet. (3)Case Reports Hepatol. 2013;2013:320418.
Therapie
Eine Echinokokkose ist schwierig zu behandeln. Für die zystische Form stehen invasive Verfahren unter lang dauerndem Albendazolschutz zur Verfügung, für die alveoläre Form nur eine Albedazolbehandlung, die nur mäßig erfolgreich ist.
Medikamente
Als Medikamente der Wahl gelten die Benzmidazole Albendazol und Mebendazol, das nicht ganz so gut wirkt. Sie sind nur gering wasserlöslich und werden im Darm schlecht resorbiert. Zusammenmit einer fetthaltigen Malzeit wird Albendazol deutlich besser aufgenommen (4)Eur J Clin Pharmacol. 1988; 34(3):315-7.. Derivate mit besserer Bioverfügbarkeit werden entwickelt. (5)PLoS Negl Trop Dis. 2018 Apr 20;12(4):e0006422. doi: 10.1371/journal.pntd.0006422.
Albendazol entfaltet bei langer Applikation eine gewisse Toxizität für Leber und Knochenmark, so dass die Leberwerte und das Blutbild kontrolliert werden sollten. In seltenen Fällen kann es zum Haarausfall kommen. Die Echinokokken werden durch die Therapie nicht unbedingt abgetötet, sondern nur am Wachstum gehindert. Die Behandlung erfolgt daher über lange Zeit (etwa 6-12 Monate) und die Relapsrate ist relativ hoch. Bei Kindern mit Zysten in der Bauchhöhle und in der Lunge galten fast 60% der Lungenzysten und 96% der Bauchhöhlenzysten als geheilt. (J Pediatr Surg. 2008 Nov;43(11):2024-30. doi: 10.1016/j.jpedsurg.2008.04.024.)
Die solitäre Echinokokkuszyste
Zur PAIR-Behandlung: Die PAIR-Behandlung (puncture, aspiration, injection, reaspiration mit Alkohol und Polidocanol oder mit einer hypertonen Salzlösung) für Zysten über 5 cm wird durchgeführt, indem die Echinokokkuszyste punktiert, der Inhalt aspiriert, eine Therapielösung (z. B. 95% Äthanol oder 20% NaCl) für mindestens 15 Minuten in die Zyste instilliert wird. Anschließend wird erneut die Flüssigkeit aspiriert. (6)Informal Working Group on Echinococcosis. PAIR: Puncture, Aspiration, Injection, Re-Aspiration. An … Continue reading
Eine PAIR-Behandlung hat sich bezüglich der Relapsrate (immerhin etwa 25% nach 2 Jahren) der alleinigen medikamentösen Behandlung als überlegen und etwa gleich effektiv wie eine operative Therapie erwiesen (Erfolgsrate um 80%). (Scand J Gastroenterol Suppl. 2004;(241):50-5.)
Wenn man sich aus individuellen Gründen zu einer Operation entscheidet, so kann eine PAIR-Therapie während einer Operation die Entfernung einer Zyste sicherer machen. (J Res Med Sci. 2017 Aug 16;22:92. doi: 10.4103/jrms.JRMS_1030_16.) Zuvor wird für 3 Monate Albendazol (10 mg/kg KG/d) verabreicht. (7)Gil-Grande et al, Lancet 1993, 342:1269-1272 Dies führt in 94% der Fälle zur Ausheilung.
Unter Albendazol-Schutz hat PAIR bezüglich Zystenentfernung einen gleich guten und bezüglich Nebenwirkungen und stationäre Behandlungszeit einen besseren Erfolg als eine Operation. (8)Cochrane Database Syst Rev. 2011 Jan 19;(1):CD003623.
Zur Operation: In einer Studie wurde festgestellt, dass Patienten, die präoperativ Albendazol erhielten, zum Zeitpunkt der Operation nur noch etwa 9% lebensfähige Zysten hatten, verglichen mit 97% der Patienten, die kein präoperatives Albendazol erhielten. Die Albendazolbehandlung begann in einem Studienarm mit dem besten Ergebnis 8 Wochen vor der Operation und wurde 8 Wochen postoperativ weitergeführt. (Int J Surg. 2008 Dec;6(6):448-51. doi: 10.1016/j.ijsu.2008.08.003)
In nicht chirugisch therapierbaren Fällen der solitären Echinokokkuszyste sind Albendazol und Mebendazol (nicht so effektiv) die Antihelmintika der Wahl.
Alveoläre Zysten
Die alveoläre / multilokuläre Echinokokkose spricht nicht gut auf orales Albendazol oder Mebendazol an. Eine ausreichend wirksame medikamentöse Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung. (9)Mem Inst Oswaldo Cruz. 2013 Aug;108(5):533-40 Ihre Therapie erfolgt, so möglich, primär chirurgisch. (10)Mem Inst Oswaldo Cruz. 2013 Aug;108(5):533-40 Neue Möglichkeiten werden von Bl2536, einem Mitose-Modulator, erwartet. (11)PLoS Negl Trop Dis. 2014 Jun 5;8(6):e2870 Ist eine operative Heilung nicht möglich, bleibt die Dauerbehandlung mit Albendazol. (12)Acta Trop. 2010 Apr;114(1):1-16. doi: 10.1016/j.actatropica.2009.11.001. Ihre Bioverfügbarkeit kann möglicherweise durch Applikation während einer fettreichen Malzeit erhöht werden (s. o.).
Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).
Literatur