Die Therapie des Bronchialkarzinoms richtet sich nach dem vorliegendem histologischen Typ und den nachweisbaren Onkogenen. Die Entwicklung der Behandlungsoptionen ist durch Einbeziehung von Biologica und Checkpointinhibitoren im Fluss.
Therapie des Kleinzellers (SCLC)
Nur etwa ein Drittel der Patienten mit SCLC werden in einem so frühen Stadium diagnostiziert, dass mit kurativer Absicht behandelt werden kann. Infrage kommt eine Chemo-Radiotherapie. In geeigneten Fällen kann durch eine Operation gefolgt von systemischer Behandlung Heilung erzielt werden.
In einem fortgeschrittenen oder ausgedehnten Stadium wird eine kombinierte Chemotherapie (Platin-Etoposid) und Immuntherapie (Atezolizumab oder Durvalumab während und nach der Chemotherapie) durchgeführt. Sie ist zur Standardbehandlung geworden (Stand 2021). 1 Die Kombination von Duvalumab plus Platin-Etoposid brachte eine mittlere Überlebenszeit von 13 Monaten, was das Doppelte zu früheren Regimen darstellt. 2
Individualisierte Therapie mit Biologika: Es werden Fortschritte erwartet, beispielsweise durch Beeinflussung von CD39, einem Schlüsselenzym, das über einen Signalweg die Aktivierung natürlicher Killerzellen des Immunsystems hemmt. 3 (Zu Biologica siehe hier.) Medikamente, die T-Killerzellen wieder anlocken (T-cell engager) sind von therapeutischem Interesse.
- Tarlatamab: Eine Phase-2-Studie weist nach, dass Tarlatamab (ein bispezifischer T-Zell-Engager) selbst in vorbehandelten fortgeschrittenen Stadien eines SCLC noch zu einem Krankheitsstillstand führen kann. In der 10 mg-Gruppe wurde bei 40 % ein Ansprechen registriert. Der Effekt hielt bei 59 % von ihnen mindestens 6 Monate an. Das mittlere progressionsfreie Überleben berechnete sich auf 4,9 Monate, das Gesamtüberleben nach 9 Monaten auf 68 %. Erklärung: Tarlatamab ist ein künstlicher doppeltspezifischer Antikörper gegen „Delta-like ligand 3 (DLL3, fördert proliferative Signale)“, der beim SCLC übermäßig exprimiert wird, und zusätzlich gegen CD3 (ein T-Zell-Co-Rezeptor). 4
Therapie des Nichtkleinzellers (NSCLC)
Es handelt sich mehrheitlich um Adenokarzinome. Prinzipiell stehen drei Therapieoptionen zur Verfügung: Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie und Immuntherapie. 5
Operation
Im Gegensatz zum Kleinzeller befindet sich das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom bei Diagnosestellung in etwa 25% noch lokal beschränkt und nicht metastasiert. Im Frühstadium (Stadien I–IIIB) wird eine Operation in Kombination mit einer (neo)adjuvanten systemischen Therapie empfohlen.
Eine konventionelle postoperative adjuvante Therapie verbessert das Gesamtüberleben und senkt das Risiko eines Tumorrezidivs. Eine Platin-basierte Anschlussbehandlung allein verbessert den Erfolg nur mäßig. 6 Es wird oft kombiniert mit Pemetrexed (ein Folsäureantagonist) und Pembrolizumab (ein PD-1-Hemmer, s.u.). Osimertinib (ein Tyrosinkinasehemmer) kann im Frühstadium als adjuvante Behandlung den Erfolg weiter verbessern. 7
Neue PD1/PD-L1-Hemmer (siehe hier) können den Erfolg einer operativen Tumorentfernung offenbar wesentlich verbessern. Studien sind zu erwarten. 8
Strahlentherapie
Eine der Behandlungsoptionen ist die lokale Bestrahlung. Sie kommt z. B. als Möglichkeit zur Eröffnung eines stenosierten oder verschlossenen Bronchus in Betracht.
Chemotherapie
Platin-basierte Chemotherapie: Die Möglichkeiten einer Chemotherapie brachten bisher nur unbefriedigende Erfolge. Verwendet werden Chemotherapeutika der dritten Generation wie Gemcitabine, Vinorelbine, Paclitaxel und Docetaxel. Die Kombination mit Cisplatin erwies sich in Studien den Einzelsubstanzen oder ihren Kombinationen als überlegen. In einer Metaanalyse unterschied sich eine Therapie mit einer Einzelsubstanz hinsichtlich des Einjahresüberlebens nicht von der einer Zweierkombination; allerdings waren die Ansprechrate und die Raten an Anämie und Thrombozytopenie höher 9. In einer großen Docetaxel-Studie (Docetaxel 60 mg/m(2) an Tag 1, alle 3 Wochen) lag das mittlere Überleben von Patienten über 70 J mit NCLC bei 14,8 Monaten; die Kombination mit Cisplatin brachte keine Verbesserung 10.
Beim Epithelzellkarzinom ergab eine Ergänzung der Carboplatin– und Paclitaxel-basierten Chemotherapie mit Cetuximab lediglich eine tendenzmäßige Verbesserung der Ergebnisse. Bei EGFR-FISH-positiven Krebsarten allerdings lag das mittlere Überleben unter zusätzlich Cetuximab bei 11,8 Monaten (vs. 6,1). 11
Anti-EGF-Therapie
Cetuximab: Eine Perspektive bieten möglicherweise Antikörper, wie Cetuximab (ein Antikörper gegen den „epidermal growth factor (EGF)“). Eine Cochrane-Auswertung von Studien besagt, dass das Gesamtüberleben durch Chemotherapie plus Cetuximab mit durchschnittlich 10.5 Monaten etwas höher war als durch die Chemotherapie alleine mit 8.9 Monaten 12
Anti-PD-1-Medikamente
Nivolomab ist ein humaner IgG4 Antikörper gegen den PD-1-Immun-Checkpoint-Inhibitor, der (über Störung des PD-1-vermittelten Signalwegs) die Antitumorimmunität wiederherstellt. Er wurde beim NSCLC gegen Docetaxel getestet und zeigte eine überlegene Wirksamkeit: das mittlere Gesamtüberleben betrug 9,2 Monate vs. 6,0 Monaten mit Docetaxel. 13 Inzwischen gelten Anti-PD-1-Medikamente wie Nivolumab, Pembrolizumab und Atezolizumab jetzt wegen ihrer Verbesserung der Überlebenszeit als Standard für die Behandlung vorbehandelter NSCLC-Patienten. 14
Pembrolicumab: Die Kombination von Pembrolizumab und Chemotherapie ergab deutlich höhere Ansprechraten als eine alleinige Chemotherapie sowie ein längeres progressionsfreies Überleben als eine alleinige Chemotherapie. Nach im Mittel 12 Monaten betrug die geschätzte Gesamtüberlebensrate in einer Studie 69,2 % vs. 49,4 % in der Placebo-Kombinationsgruppe. 15
Durvalumab vermag beim SCLC (kleinzelliger Lungenkrebs) laut einer Studie zusammen mit Platin-Etoposid die mittlere Überlebenszeit signifikant verlängern (13,0 vs 10,3 Monate). 16 Beim NSCLC ist die Verlängerung sehr viel deutlicher (47,5 vs. 29,1 Monate). 17 Der als „operabel“ eingestufte nicht-kleinzellige Lungenkrebs (NSCLC) wird postoperativ i. d. R. zur Absicherung durch eine Chemotherapie nachbehandelt. Jetzt zeigt eine Studie, dass die zusätzliche Verabreichung von Durvalumab zu einer deutlichen Verbesserung des Verlaufs führte. Durvalumab (intravenös alle 4 Wochen über 12 Zyklen) bewirkte ein „ereignisfreies Überleben“ über 12 Monaten bei 73,4 % der Patienten (vs. 64,5 % unter Chemotherapie plus Placebo). 18
KRAS -Mutanten (mit kontinuierlicher Aktivierung des Onkogens KRAS) reagieren besser auf Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) als KRAS-Wildtyp-Tumore. 19 20
Eine ICI-Monotherapie (ICI: immune checkpoint inhibitor) bietet laut einer Studie eine potenzielle Alternative bei Patienten mit hohem Anteil an PD-L1 (programmed cell death-ligand 1 ≥70 %), sodass die Toxizität einer Chemotherapie vermieden werden kann. PD-L1 unter 70% bedurften einer zusätzlichen Chemotherapie um länger zu überleben. 21
Tyrosinkinasehemmer
ALK-Hemmer
Der ALK-Hemmer Crizotinib wurde zur Behandlung des ALK-exprimierenden nicht kleinzelligen Lungentumors zugelassen (ALK: anaplastische Lymphomkinase) und wird als Standardbehandlung für neu diagnostizierte Patienten mit ALK-Umlagerung verwendet. Wegen häufiger Resistenzentwicklung werden Nachfolgepräparate entwickelt. XMU-MP-5 hat sich dabei als vielversprechend herausgestellt. 22
Alectinib: Wenn zusätzlich zu der Platin-basierten Chemotherapie der orale Tyrosnikinase-Inhibitor Alectinib verabreicht wird, bessert sich die Prognose deutlich. Der Prozentsatz der Patienten, die nach 2 Jahren noch krankheitsfrei lebten, betrug in einer Studie 93,8 % in der Alectinib-Gruppe und 63,0 % in der Chemotherapie-Gruppe. Alectinib blockiert die ALK-Aktivität und das RET-Onkogen. Häufigste Nebenwirkungen: Verstopfung, Muskelschmerzen, Ödeme. 23
Anti-EGFR-Therapie
In Fällen, in denen eine aktivierende Mutation des EGF-Rezeptors vorliegt (s. o.), scheint eine Anti-Tyrosinkinase-Therapie Erfolg versprechend zu sein. 24 25
Gefitinib war der erste EGFR-Hemmer, der zugelassen wurde. Er konnte als first-line-Therapeutikum das Überleben der NSCLC-Patienten um 2,2 – 5,9 Monate verlängern (vs. Chemotherapie: 3,5 – 8 Monate). 26
Auch weitere Hemmer des Tyrosinkinasewegs, wie Erlotinib, zeigen z. T. deutliche Effekte. 27 Eine Kombination einer Chemotherapie mit einem EGFR-TKI-Inhibitor (Hemmer der EGFR-assoziierten Tyrosinkinase) führte zu einer signifikant höheren objektiven Ansprechrate als der EGFR-TKI-Inhibitor alleine (RR 1,18). 28
Osimertinib ist ein TKI (Hemmstoff des EGFR-TKI, epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor-Tyrosinkinaseinhibitor) der dritten Generation, der selektiv für bestimmte EGFR-TKI-Mutationen wirkt. Das nicht vorbehandelte fortgeschrittene nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) wurde in einer Studie mit Osimertinib allein oder mit Chemotherapie (Pemetrexed, ein Folsäure-Antimetabolit, plus ein platinhaltiges Medikament) behandelt. Nach 24 Monaten waren in der Osimertinib-Chemotherapie-Gruppe 57 % der Patienten progressionsfrei (ohne Krankheitsfortschritt), in der Osimertinib-Gruppe dagegen nur 41 %. 29
Apatinib: Apatinib (ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der selektiv den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor-2, VEGFR2, hemmt) plus Chemotherapie führte zu einem signifikant längerem progressionsfreien Überleben als Chemotherapie alleine (13,4 Monate vs. 8,2 Monate). 30
TKI der nächsten Generation
Neue TKI werden entwickelt, weil gegen ALK-Hemmer häufig Resistenzen entwickelt werden.
Repotrectinib ist ein TKI der nächsten Generation. Es zeigt bei (ROS1 fusion–positiven) NSCLC bei 56 von 71 Patienten (79 %) ein Ansprechen mit einer mittleren Dauer von 34,1 Monaten und einem mittleren progressionsfreien Überleben von 35,7 Monaten. Selbst bei Vorbehandlung mit einem TKI der ersten Generation wurde noch bei 21 von 56 Patienten (38 %) ein Ansprechen festgestellt. An Nebenwirkungen herrschten Schwindel (58 %), Geschmacksstörung (50 %) und Parästhesien (30%) vor. Nur 3 % brachen Repotrectinib wegen unerwünschter Ereignisse ab. 31
Lasertherapie
Sie kann im Rahmen einer Bronchoskopie lokal zur Erweiterung einer Tumorverengung der Atemwege und Vorbereitung einer Stenteinlage, zur Offenhaltung eines Bronchus oder zur Blutungstherapie eingesetzt werden.
Therapieüberwachung
Der Erfolg einer Behandlung des Bronchialkarzinoms wird radiologisch überwacht. Die Abstände werden individuell bestimmt. Eine Kontrolle des Verlaufs durch eine „liquid biopsy“ (Blutprobe) ist in Entwicklung und wird vermutlich sowohl die Therapieüberwachung als auch die Erstdiagnostik erheblich verbessern. 32
Verweise
- Bronchialkarzinom
Lungenkarzinom – Falldarstellung - Programmierter Zelltod
- Immuntherapie von Krebs
- Signalwege und Checkpoints: Basics
- Die Lunge
- Lungenkrebs – einfach erklärt
Referenzen
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