Fragiles-X-Syndrom

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Fragiles-X-Syndrom (FXS) bedeutet Symptomenkombination bedingt durch ein brüchiges X-Chromosom. Es ist eine nicht zu seltene vererbbare Störung und stellt die häufigste Ursache einer angeborenen intellektuellen Minderbefähigung und von Autismus dar 1.


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Ätiopathogenese

Bedeutung des mTOR-Signalweges

Verursacht wird das Fragile-X-Syndrom durch eine Mutation im „fragile X mental retardation 1 gene“ (FMR1) an der Stelle Xq27.3, was zu einem Verlust des FMR1-Proteins (FRMP) führt (transcriptional silencing von FRM1). Dies wiederum bewirkt eine Hochregulation des mTOR-Signalweges und im Gehirn schließlich zu einer fehlerhaften neuronalen Entwicklung und Funktion. Zurückgeführt wird dies darauf, dass der mTOR-Signalweg sich auch in Synapsen befindet und dort die lokale Proteinsynthese und die synaptische Plastizität beeinflusst. Beim FXS ist die synaptische Plastizität eingeschränkt, was insbesondere den Hippocampus im Gehirn betrifft 2 3.

Ein Tiermodell für das FXS ist die Fmr1-knock-out-Maus. Sie weist ebenfalls kognitive Defizite und Veränderung der Synapsen auf sowie eine erhöhte mTOR-Aktivität im Hippocampus 4. Solche Veränderungen im Gehirn werden als Ursache der auffälligen Komorbidität von FXS mit Autismus (in etwa 60% der Fälle) gesehen 1.

Bedeutung von Mutation und Prämutation

Entscheidend für die volle Ausprägung des Fragilen-X-Syndroms ist die über 200-fache Wiederholung von CGG im FMR1-Gen (Trinukleotidexpansion). Liegt die Wiederholungsfrequenz (Repeats) zwischen 50 bis 200-fach, so handelt es sich um einen Carrierstatus der Anlage (Prämutation), die meist zunächst nicht schwerwiegend symptomatisch sind. In späteren Jahren kann sie jedoch, ähnlich wie bei Vollausprägung der Mutation, zur Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen, eines Autismus, eines Tremor-Ataxie-Syndroms, immunvermittelter Erkrankungen und einer primären Ovarialinsuffizienz führen 5.

Häufigkeit

Die Prävalenz des fragilen X Syndroms wird regional sehr unterschiedlich angegeben. Bei Männern geht man von einer Häufigkeit von 1 auf 4000 und bei Frauen von 1 auf 8000 aus 6. Allerdings ergab eine Untersuchung an Frauen der Balearischen Inseln Spaniens die Häufigkeit einer Prämutation von 1 auf 106 7. Eine entsprechende Untersuchung an Frauen in Israel ergab eine Prävalenz von 1:69 für eine Prämutation mit CGG-Repeats von über 50 und von 1: 113 für eine Prämutation mit CGG-Repeats von über 54 8.

Klinik und Symptomatik

Das voll ausgeprägte Fragile-X-Syndrom (FXS) wird durch eine neurologische Symptomatik auffällig. Sie umfasst kognitive Defizite mit Lern- und Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und ADHS, epileptische Krampfanfälle, emotionale Labilität und Autismus sowie später Tremor und Ataxie (Fragile X associated tremor/ataxia syndrome, FXTAS). Es ist oft assoziiert mit Gesichtsanomalien (hervorstehende Stirn und Kinn) und Markoorchidismus (Hodenvergrößerung) 9. Schon im Vorschulalter können Kinder verhaltensauffällig werden 10.

Liegt eine Prämutation (s. o.) vor, kann die Symptomatik fehlen oder nur gering und abortiv ausgeprägt, aber auch auffällig entwickelt sein 11 12.

Eine Prämutation kann bereits zu einer Bereitschaft für Autoimmunkrankheiten führen, die mit Autismus (Autismus-Sprektrum-Disorders, ASD) assoziiert ist (was über den überaktiven mTOR-Signalweg erklärbar ist) 13 14.

Diagnostik

Das Fragiles-X-Syndrom ist eine Differenzialdiagnose bei Kindern, die durch verzögerten Spracherwerb, verminderter Intelligenz, epileptische Krampfanfälle und/oder autistisches Verhalten auffällig werden. Die Diagnose lässt sich durch molekulargenetische Untersuchungen sichern 15.

Bei Frauen mit neuropsychiatrisch auffälligen Blutsverwandten, die eine Schwangerschaft planen, scheint eine genetische Analyse auf FXS sinnvoll zu sein. Auch ein generelles Screening dieser Frauen wird wegen der Häufigkeit des Vorkommens für sinnvoll gehalten 8 7.

Therapie

Eine effektive Therapie des Fragilen-X-Syndroms steht bisher nicht zur Verfügung. Die Behandlung beschränkt sich auf eine Behandlung der verschiedenen Symptome wie Epilepsie, Autismus, sonstige Verhaltensauffälligkeiten und kognitive Störungen. Eine gezielte medikamentöse Beeinflussung der bei FXS gestörten Signalwege kann möglicherweise eine Besserung der Symptomatik bewirken. So liegt ein Augenmerk auf dem mTOR-Signalweg, dessen Beeinflussung zu einer Verbesserung der synaptischen Funktion im Gehirn führen könnte 16 17. Allerdings sind die gestörten Signalwege komplex miteinander verwoben, so dass die Problematik bisher noch nicht ausreichend gelöst ist 18.

Verweise

Referenzen

  1. Genes Brain Behav. 2012 Apr;11(3):332-41[][]
  2. Tang and Schuman, 2002[]
  3. Neurosci Biobehav Rev. 2016 Jun 23;68:563-574[]
  4. J Neurosci. 2010 Jan 13;30(2):694-702[]
  5. Am J Med Genet A. 2015 Sep;167A(9):2154-61[]
  6. Ann Hum Genet. 2012 Mar;76(2):178-91[]
  7. Am J Med Genet B Neuropsychiatr Genet. 2016 Jun 22. doi: 10.1002/ajmg.b.32470[][]
  8. Am J Hum Genet. 2001 Aug;69(2):351-60[][]
  9. Annu Rev Neurosci. 2012; 35():417-43[]
  10. J Intellect Disabil Res. 2016 Feb;60(2):167-78[]
  11. J Dev Behav Pediatr. 2006 Apr;27(2 Suppl):S137-44[]
  12. Hum Genet. 2012 Apr;131(4):581-9[]
  13. Hum Genet. 2010 Nov;128(5):539-48[]
  14. Curr Opin Investig Drugs. 2009 May; 10(5):463-73[]
  15. Expert Rev Mol Med. 2015 May 4;17:e7. doi: 10.1017/erm.2015.5.[]
  16. CNS Neurol Disord Drug Targets. 2016;15(5):533-43[]
  17. PLoS One. 2013 Apr 23;8(4):e62572. doi: 10.1371/journal.pone.0062572[]
  18. Expert Opin Ther Targets. 2015;19(10):1277-81[]