Das Syndrom inadäquater ADH-Sekretion (Antidiuresesyndrom – SIADH-Syndrom, engl.: inappropriate antidiuretic hormone secretion (SIADH) ) ist die häufigste Ursache einer Hyponatriämie bei normalem Blutvolumen. Heute wird das Syndrom in das „Antidiurese-Syndrom“ eingeordnet, das auch die Fälle einbezieht, in denen eine Adiuretin-Überproduktion als Ursache nicht festgestellt werden kann.
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Entstehung
Das Antidiuresesyndrom ist gekennzeichnet durch eine hypoosmolare Hyponatriämie bei normalem Blutvolumen. Es ist durch einen Überschuss an freiem Wasser im Körper mit Hyperhydratation der Körperzellen und einer erhöhten Urinosmolalität gekennzeichnet, wobei eine Erkrankung der Nieren, Nebennieren oder Schilddrüse nicht zugrunde liegt. In etwa 90% findet sich eine Überproduktion von Adiuretin/Vasopressin als Ursache (SIADH-Syndrom); in etwa 10% ist solch eine Überproduktion nicht nachweisbar.
Beispiel Paraneoplasie: Viele Tumore haben eine begleitende Hyponatriämie. Sie ist vielfach durch eine paraneoplastische Überproduktion von Adiuretin bedingt. (Siehe hier.)
Beispiel Schwitzen: Adiuretin (Vasopressin) ist ein Hormon des Hypophysenhinterlappens, das unter physiologischen Bedingungen bei Eindickung des Bluts mit Hyperosmolarität ausgeschüttet wird, so beispielsweise bei Schwitzen und mangelndem Flüssigkeitsersatz. Diese „osmotische ADH-Sekretion“ führt über Wasserretention in den Sammelrohren der Nieren zu einer Blutverdünnung und damit zu einer Senkung der Osmolalität.
Ursachen
Die häufigsten Ursachen eines SIADH-Syndroms sind
- das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC),
- Paraneoplasien bei anderen Tumoren, 1
- Medikamente, z. B. Psychopharmaka, Chemotherapie,
- Erkrankungen des Gehirns, z. B. als Ursache einer Hyponatriämie beim Schlaganfall und anderen akuten Hirnaffektionen, 2 3
- Erkrankungen der Lunge (Beispiel: Lungentuberkulose) 4,
- Entzündungen im Körper (über die Interleukine IL-1ß und IL-6): bei Kindern kann eine Hyponatriämie als Indikator einer Entzündung angesehen werden 5,
- körperliche Anstrengung: z. B. erhöhte nichtosmotische Bildung von Arginin-Vasopressin bei Marathon-Läufern mit Hyponatriämie, vermittelt über IL-6 aus Muskulatur bei Rhabdomyolyse. 6
In seltenen Fällen liegt eine X-chromosomale familiäre Störung (Mutation de Vasopressin-2-Rezeptors) als Ursache des SIADH vor.
Symptomatik
Das Spektrum der Symptome reicht von “asymptomatisch” in leichten Fällen bis zu Zeichen einer Enzephalopathie (durch ödematöse Schwellung des Gehirns) mit Aufmerksamkeitsstörungen, Gangunsicherheit und Rhabdomyolyse. Die Schwere der Symptomatik hängt von der Ausprägung der Hyponatriämie und der Geschwindigkeit ihrer Entwicklung ab.
Diagnostik
Hyponatriämie: Leitend sind der Nachweis einer Hyponatriämie (Serum-Natrium ?130 mEq/L) und einer Urinkonzentration (spezifisches Gewicht ?1020, Natriumkonzentration im Urin > 20 mEq/L). Vasopressin ist in 90% erhöht. Eine Hypertriglyceridämie, die ebenfalls zu einer normoosmolaren Hyponatriämie führen kann, sollte ausgeschlossen werden.
Dehydratation: Klinisch fehlen Zeichen einer Dehydratation des Körpers. Es finden sich weder Ödeme, die eine Hypervolämie anzeigen würden, noch stehende Hautfalten, die eine Hypovolämie anzeigen. Es können Zeichen einer Enzephalopathie vorliegen.
Krebsdiagnostik: Bei der Diagnostik ist zu berücksichtigen, dass Krebs zu den häufigeren Ursachen einer Hyponatriämie gehört. Sie trat in einer Zusammenstellung bei 57 % der Fälle von Prostatakrebs, 57 % der Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs, 49 % der Fälle von Leberkrebs und 40 % der Fälle von Lungenkrebs auf. 7
Therapie
Bisher stützte sich die Behandlung des SIADH-Syndroms auf die Verabreichung von Salztabletten, Flüssigkeitsrestriktion und – bei mangelhaftem Erfolg zusätzlich Demeclocyclin (ein Tetracyclin-Antibiotikum, das die Empfindlichkeit der Tubuluszellen der Nieren gegenüber Vasopressin senkt).
Tolvaptan: Heute stellt das SIADH-Syndrom eine Indikation für die neuen Aquaretika dar. Tolvaptan beispielsweise kann die Hyponatriämie rasch ausgleichen. 8 9. Als Nebenwirkungen können trockener Mund, Durst und niedriger Blutdruck eintreten. 10 Die Dosierung sollte daher im Zweifel einschleichend und unter klinischer Überwachung erfolgen. Bei SCLC-Patienten mit SIADH-Syndrom reichen relativ niedrige Dosen an Tolvaptan, um den Natriumspiegel zu stabilisieren. 11
Verweise
Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)
Referenzen
- Endocr Oncol. 2022 Jul 11;2(1):R78-R89. doi: 10.1530/EO-22-0056[↩]
- Ann Indian Acad Neurol. 2014 Jan;17(1):55-7[↩]
- Intensive Care Med. 2008 Jan;34(1):125-31[↩]
- Pneumologie. 2013 Apr;67(4):219-22[↩]
- Korean J Pediatr. Dec 2013; 56(12): 519–522[↩]
- Am J Med. 2007 May;120(5):461.e11-7[↩]
- Eur J Cancer Care (Engl). 2015 Mar;24(2):224-31. DOI: 10.1111/ecc.12187[↩]
- Int Urol Nephrol. 2012 Jun;44(3):865-71[↩]
- J Clin Pharmacol. 2014 Dec;54(12):1362-7. DOI: 10.1002/jcph.342[↩]
- Endocr Pract. 2011 Jul-Aug;17(4):e97-100[↩]
- Transl Cancer Res. 2021 Mar;10(3):1229-1237. DOI: 10.21037/tcr-20-2123[↩]