Sehstörungen

Sehstörungen (Verminderung des Visus) verschiedenen Schweregrades bis hin zur Erblindung können durch sehr unterschiedliche Ursachen zustande kommen. Sie können das gesamte Sehfeld oder nur einen Teil (Skotom) betreffen. Die Sehkraft kann graduell oder vollständig gemindert sein (Blindheit).

Organisch bedingte Sehstörungen

Organisch bedingte Sehstörungen können durch Erkrankungen des Auges, des Sehnerven oder des Gehirns hervorgerufen werden.

    • Augenkrankheiten, z. B.:
      • Hornhauttrübung durch Hornhautentzündung (Keratitis, z. B. bedingt durch ein Trauma oder eine Virusinfektion),
      • Trachom (Keratokonjunktivitits durch Chlamydia trachomatis, in Entwicklungsländern häufig)
      • Katarakt (Linsentrübung, langsame Entstehung),
      • Glaukom (Degeneration des Nervus opticus, beim Winkelblockglaukom rasche Visusabnahme und Augenschmerzen),
      • Makuladegeneration (Zerstörung des Netzhautareals des schärfsten Sehens),
      • Netzhautablösung (einseitig, Empfinden eines Rollos vor dem Auge),
      • Glaskörperblutung
      • Durchblutungsstörungen der Augen, z. B.:
        • diabetische Retinopathie (Durchblutungsstörung der Netzhaut bei Zuckerkrankheit),
        • hypertensive Retinopathie (Durchblutungsstörung der Netzhaut bei Bluthochdruck),
        • autoimmune Arteriitis, z. B. Arteriitis temporalis (Horton’sche Erkrankung) oder Morbus Wegener,
        • Amaurosis fugax (plötzliche vorübergehende Erblindung bei akuten Durchblutungsstörungen des Auges oder Gehirns),
        • Viskositätserhöhung des Bluts (Abnahme der Fließeigenschaft des Bluts z. B. bei Makroglobulinämie Waldenström),
        • Zentralarterien oder Zentralvenenverschluss (plötzlicher Visusverlust durch Unterbrechung der Durchblutung der Netzhaut und des Sehnerven),
  • Erkrankung des Sehnerven, z. B.
    • Optikusneuritis (Entzündung des Sehnerven): Sie ist häufig mit der multiplen Sklerose (MS) assoziiert, meist einseitig. Sie kann prinzipiell verschiedene Ursachen haben: autoimmune, demyelinisierende, granulomatöse, paraneoplastische Erkrankung. Sie kann rasch auftreten und dabei schmerzhafte Augenbewegungen hervorrufen 1,
    • Neuromyelitis-optica-Spektrum-Störung (NMOSD) und Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG)-IgG-Optikusneuritis: Sie verursachen einen schweren Sehverlust und sind häufiger bilateral.
    • Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON): Sie ist eine sehr seltene Form der Erblindung aufgrund einer Funktionsstörung der retinalen Ganglienzellen. Sie betrifft es alle Altersgruppen und Geschlechter; schneller und schwerer, bilateraler, schmerzloser Verlust des zentralen Sehvermögens. Therapieoption Idebenon (verbessert die Funktion der gestörten Mitochondrien) 2
  • Hypophysentumor: beidseitig schwere Einschränkung des Sehfelds (durch Fingerperimetrie leicht zu testen, bitemporale Hemianopsie: bei Geradeausblick kann die laterale rechte bzw. linke Gesichtshälfte durch das rechte bzw. linke Auge nicht wahrgenommen werden; die nasale Gesichtshälfte des jeweiligen Auges bleibt erkennbar) (zur Hypophyse siehe hier),
  • Erkrankung des Gehirns mit Einbeziehung der Sehbahn und der Sehrinde (zum Gehirn siehe hier),
    • Multiple Sklerose (oft fluktuierende Symptomatik): assoziiert eine Optikusneuritis, meist einseitig, schmerzhafter Sehverlust,
    • Schädelhirntrauma, Kontusion der Sehrinde: Visusverlust mit plötzlichem Beginn und nachweisbarem Trauma, bei Einseitigkeit der Verletzung: Hemianopsie (einseitiger Ausfall des Gesichtsfelds),
    • Apoplexie (Schlaganfall) mit Einbeziehung der Sehrinde (plötzlicher Visusverlust),
    • Migräne (dabei vorübergehende unterschiedliche Lichtphänomene, Schimmern, Blitze, Flimmerskotom)

Nichtorganische Ursachen

  • Psychogene Blindheit (hysterische Reaktion oder Simulation): Ein publizierter Fall einer jungen afrikanischen Frau mit traumatischen Erlebnissen in der Vorgeschichte zeigt, dass eine Haltung, die Perspektive des Patienten einer scheinbar organischen Erkrankung zu akzeptieren, eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Intervention sein kann. Die Behandlung zielte auf eine allmähliche Rückkehr zum normalen Funktionieren ab und war erfolgreich 3.
  • Nebenwirkungen von Medikamenten: Bekannt als Auslöser sind z. B. Glukokortikoide und Amiodaron. Aber auch andere Medikamente, wie Ondansetron (ein Antiemetikum) 4, Vincristin (ein Krebsmittel) 5 oder Infliximab 6 können infrage kommen. Häufig liegt der Erblindung eine medikamenteninduzierte Retinitis (Entzündung der Netzhaut) oder eine Optikusneuritis (Entzündung des Sehnerven) zugrunde. Für die Amiodarone-assoziierte Opticusneuropathie wurde zusammengestellt: mittlere Zeit bis zur Symptomatik etwa 9 Monate, schleichender Beginn, langsam fortschreitend; Besserung nach Absetzen möglich, bei 20 % aber weitere Verschlechterung 7.

Diagnostik

Die Diagnostik umfasst in den meisten Fällen eine vollständige ophthalmologische und neurologische Untersuchung. Dazu gehören die Gesichtsfeldperimetrie, Spiegelung des Augenhintergrundes, optische Kohärenztomographie (OCT), MRT, serologische Tests und ggf. eine Liquoranalyse.

In einigen Fällen schließt sich eine internistische Untersuchung an, die insbesondere nach einer Hypertonie, einem Diabetes mellitus, einer Autoimmunkrankheit (z. B. mit einer Arteriitis, Beispiel Arteriitis temporalis Horton oder einem Morbus Wegener) oder einer Makroglobulinämie Waldenstöm sucht. Auch gehört eine ausführliche Medikamentenanamnese hinzu.


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Verweise

Referenzen

  1. Continuum (Minneap Minn). 2019 Oct;25(5):1236-1264[]
  2. J Neuroophthalmol. 2020 Dec;40(4):558-565[]
  3. Ethiop J Health Sci. 2015 Jan;25(1):99-104[]
  4. Expert Opin Drug Saf. 2024 Aug;23(8):1017-1020[]
  5. Anticancer Res. 2014 Nov;34(11):6731-3[]
  6. BMJ Case Rep. 2020 Dec 22;13(12):e236041. doi: 10.1136/bcr-2020-236041[]
  7. Neuroophthalmology. 2016 Nov 18;41(2):55-58[]