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Allgemeines
Sedierung bedeutet medikamentöse Ruhigstellung. Sie wird bei belastenden medizinischen Eingriffen verwendet, bei denen eine Narkose nicht erforderlich ist. Bei einer Endoskopie (Spiegelung eines Hohlraums im Körper) hat eine Sedierung den Zweck, den Patienten soweit ruhig zu stellen, dass
- die Untersuchung ohne Störung durch Unruhe und damit auch sicherer durchgeführt werden kann,
- der Patient nicht durch einen psychogenen oder schmerzbedingten Erregungszustand in eine kritische Kreislauf- oder Stoffwechselsituation hinein gerät,
- der Patient in seinem Empfinden so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Um gegebenenfalls Schmerzen zu dämpfen wird die Sedierung oft mit einer Schmerzmittelapplikation kombiniert (Analgosedierung).
Der Patient sollte wissen, dass die Untersuchung bei einem geübten und rücksichtsvollen Untersucher weitaus weniger belastend ist, als oft angenommen wird. Eine Gastroskopie dauert oft nur 3-5 Minuten und eine Koloskopie nur 7-15 Minuten. Eine Sedierung oder Analgosedierung wird von manchen erfahrenen Endoskopikern daher nicht routinemäßig gegeben, aber immer angeboten. Der Wunsch des Patienten wird berücksichtigt.
Zu berücksichtigen sind Schwangerschaft, bekannte Medikamentenunverträglichkeiten, vorliegende Krankheiten, aktuelle Medikationen und besondere pathophysiologische Reaktionsweisen (z. B. vegetative Dystonie, Thromboseneigung sowie psychische, psychiatrische und neuromuskuläre Krankheiten und Fehlfunktionen). (1)Am J Gastroenterol. 2022 Oct 1;117(10S):33-38. DOI: 10.14309/ajg.0000000000001965
→ Patienteninfos siehe hier.
Wann sollte sediert werden?
Eine Sedierung oder Analgosedierung (Schmerzmittel plus Sedierungmittel) kann in jedem Fall sinnvoll sein, wenn
- der Patient empfindlich oder ängstlich ist,
- langwierige endoskopisch-interventionelle Eingriffe (z. B. eine Polypabtragung oder eine Gallengangsdarstellung) geplant sind,
- bei einer Koloskopie mit Darmfixierungen durch Verwachsungen gerechnet werden muss,
- bereits unangenehme Erfahrungen mit der Untersuchung gemacht wurden.
Wenn auf Wunsch des Patienten zunächst ohne Sedierung begonnen wird und sich eine Schwierigkeit erst während der Untersuchung herausstellt (beispielsweise eine starke Abknickung des Darms), dann kann die Untersuchung jederzeit unterbrochen und eine Analgosedierung mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln eingeleitet werden, um die schmerzhafte Stelle mit dem Endoskop passieren zu können.
Nach einer Sedierung muss der Patient zum “Ausschlafen” zunächst unter Überwachung bleiben. Entlassen werden kann er erst nach Überprüfung seiner Wachheit, am besten unter Begleitung einer anderen Person (Verwandter, Freund …).
Wenn ein Antidot (Gegenmittel, z. B. Anexate) gegeben wird, muss bedacht werden, dass es kürzer wirkt als das Sedativum (z. B. Midazolam), so dass nach kurzer Zeit eine Nachschlafphase eintreten kann. Die Überwachung sollte daher nicht zu früh beendet werden. Speziell nach Gabe von Anexate sollte der erzielte hellwache Aspekt nicht zu einer verfrühten Entlassung verleiten.
Medikamente zur Sedierung
In der Regel werden Kombination eines Sedativums / Anästhetikums und eines Analgetikums verwendet. Bewährte Kombinationen sind eine geringe Dosis von Midazolam zur vegetativen Dämpfung, Propofol zur Sedierung (nach Effekt dosiert) und Fentanyl oder Ketamin. (2)Saudi J Anaesth. 2022 Oct-Dec;16(4):423-429. doi: 10.4103/sja.sja_488_22 (3)J Clin Anesth. 2015 Jun;27(4):301-6. DOI: 10.1016/j.jclinane.2015.03.017 Wenn eine Einschränkung der Leberleistung (bzgl. Medikamentenstoffwechsel) vorliegt, führt die langsame Aufdosierung nach Effekt zu einer recht sicheren Analgosedierung. (4)Gastrointest Endosc. 2011 Jan;73(1):45-51, 51.e1. doi: 10.1016/j.gie.2010.09.025 (5)World J Gastrointest Endosc. 2021 Jul 16;13(7):210-220. DOI: 10.4253/wjge.v13.i7.210
Midazolam
Es ist ein Sedativum mit amnestischen Eigenschaften und mit kurzer Halbwertszeit (t 1/2 = 30 Minuten). Erholungszeit (bis zur Ansprechbarkeit) bis zu 1 Stunde. Für eine zusätzliche Analgesie wird meist Pethidin verwendet. Midazolam wirkt bei vielen Menschen auch retrograd amnestisch.
Propofol
Propofol ist ein kurz wirksames Anästhetikum (t 1/2 = 2-4 Minuten) ohne analgetische Eigenschaften, das in niedrigen Dosen als Sedativum benutzt werden kann. Erholungszeit 10 – 20 Minuten. Es bewirkt keine Nausea. Es muss kontinuierlich titriert werden, bei der Narkose durch Infusion (über einen Perfusor). Es senkt dosisabhängig den Blutdruck, erweitert die Gefäße und reduziert das Herzzeitvolumen. Es senkt auch die Atemtätigkeit. Es gibt kein Antidot. Unter erfahrener Überwachung und bei vorsichtiger Dosierung hat sich Propofol als ein sehr sicheres und gut steuerbares Medikament herausgestellt, das sich auch für flache Sedierungen eignet und in der Endoskopie zunehmend Verwendung findet. (6)Am J Gastroenterol 2005; 100: 1957-1963
Verabreichung: In den USA wird es oft von Pflegepersonal verabreicht, was sich als eine sichere Methode herausgestellt hat. (7)Am J Gastroenterol. 2004 Jan;99(1):52-6 (8)Gastrointest Endosc. 2007 Sep;66(3):443-9 In Indien hat sich eine vom Endoskopiker geleitete, vom Pflegepersonal verabreichte Sedierung mit Propofol bei einer ERCP als praktisch, effizient, zeitsparend und sicher erwiesen. (9)Prz Gastroenterol. 2021;16(4):324-329. doi: 10.5114/pg.2021.111764.
Gegenüber Midazolam waren in einer Studie unter Propofol etwas häufiger kardiopulmonale Ereignisse (Sauerstoffsättigung unter 90% bzw. systolischer RR unter 90 mm Hg bzw. Herzfrequenz unter 50/min) registriert worden (23,7 vs. 16%); alle waren gut beherrschbar, keines zwang zum Abbrechen der Untersuchung. (10)Endoscopy 2009; 41: 295-298 Bei Patienten, die eine paradoxe Reaktion auf Midazolam entwickelten, erwies sich Propofol als sicher und wirksam. (11)Clin Endosc. 2022 Mar;55(2):234-239. doi: 10.5946/ce.2021.126 Propofol ist laut einer Datenauswertung auch bei Kindern ein wirksames und sicheres Sedierungsmittel. (12)Clin Endosc. 2013 Jul;46(4):368-72. DOI: 10.5946/ce.2013.46.4.368
Bei Kindern wird zur Sedierung oft Propofol mit Ketamin kombiniert. (13)Pediatr Emerg Care. 2012 Dec;28(12):1391-5; quiz 1396-8. doi: 10.1097/PEC.0b013e318276fde2.
Fentanyl
Fentanyl ist ein stark wirksames Analgetikum und kein Sedativum, weshalb es oft mit Midazolam kombiniert wird. In der Dosis von 25 mcg (hochtitriert bis 50 mcg) führt es zu einer komfortablen Untersuchung für den Patienten und hat den Vorteil, praktisch keine Kreislaufprobleme (wie Blutdruck- und Pulsabfall) oder respiratorischen Komplikationen (wie Hypoxämie) hervorzurufen. (14)Surg Endosc. 2007 Sep;21(9):1631-6
Bei Erwachsenen hat die Kombination Propofol/Ketamin gegenüber Propofol/Fentanyl in einer Untersuchung eine bessere Bewertung bezüglich Effekt einer “conscious sedation” bei einer Koloskopie erhalten. (15)Anesth Pain Med. 2013 Summer;3(1):208-13. doi: 10.5812/aapm.9653.
Remimazolam
Remimazolam ist eine dem Midazolam verwandte Substanz (ein Benzodiazepin) mit rascher metabolischer Inaktivierung und Eliminationsrate. Es scheint sich wegen der guten Steuerbarkeit und niedrigen Nebenwirkungsrate als eine ideale Substanz zur kurzzeitigen intravenösen Sedierung und Anästhesie zu eignen. Größere Studien zum Einsatz in der Endoskopie sind erwartbar. (16)Korean J Anesthesiol. 2022 Aug;75(4):307-315. doi: 10.4097/kja.22297 Gegenüber Midazolam ermöglicht es eine Reduktion von Fentanyl als Analgetikum. (17)Endosc Int Open. 2022 Apr 14;10(4):E378-E385. doi: 10.1055/a-1743-1936.
Ketamin
Ketamin wird häufig bei Kindern zur Sedierung verwendet. Es hat den Vorteil, dass es neben einer intravenösen auch eine intranasale Applikationsart gibt. Eine Studienauswertung ergab in vier von sieben Studien zur intranasalen Anwendung eine überlegene Sedierung gegenüber Vergleichspräparaten und führte bei 148/175 (85 %) der Kinder (0 – 14 Jahre) zu einer angemessenen Sedierung. (18)PLoS One. 2017 Mar 20;12(3):e0173253. DOI: 10.1371/journal.pone.0173253
Indikationen zur Sedierung
Eine Sedierung bei der Gastroskopie (Ösophagogastroduodenoskopie, ÖGD) ist oft nicht erforderlich, wird aber gerne zur Beruhigung ängstlicher oder empfindlicher Patienten eingesetzt. Eine Sedierung bei therapeutischen Eingriffen im oberen Magendarmkanal ist indiziert, wenn besondere Reglosigkeit für interventionelle Eingriffe erforderlich ist, beispielsweise bei der Sklerosierung von Ösophagusvarizen, der Bougierung von Stenosen oder der Anlage einer PEG-Sonde zur enteralen Ernährung bei oraler Mangelabnahme.
Eine Sedierung bei der Koloskopie ist nicht immer erforderlich. Laut einer Studie ist sie in 95% nicht notwendig (19)Eckardt VF et al. Gastrointest Endosc 1999; 49: 560-565, wird aber vielfach gewünscht und wird als wohltuend empfunden. Sie kann erforderlich werden bei verwachsungsbedingten Schmerzen oder stark verschlungenem Verlauf des Kolons. Sie wird aber häufig auch wegen Ängstlichkeit und Unruhe der Patienten eingesetzt und kann stressbedingte Tachykardie und Hypertonie rasch normalisieren oder ihnen vorbeugen.
Eine Sedierung bei der ERCP ist erforderlich, um die notwendige Ruhe des Patienten zu gewährleisten.
Mögliche Komplikationen einer Sedierung
Kardiorespiratorische Komplikationen sind sehr selten (0,1 – 0,54% mit einer Mortalität von 0,03%). Zu beachten sind unter Sedierung die Atemtätigkeit (Hypoventilation?), vasovagale Reaktionen (durch Distension des Darmlumens wegen Luftinsufflation oder durch Zug am Mesenterium) mit Hypotension, Arrhythmien. Die Komplikationen sind medikamentenabhängig (je nach Sedativum, Analgetikum, Dosis), können jedoch auch durch untersuchungsbedingt ausgelöste vagale Reflexe mitgetriggert werden.
Qualitätssicherung
Eine Sedierung bei endoskopischen Untersuchungen erfordert eine Kenntnis der verwendeten Medikamente und eine ständige Aufmerksamkeit bezüglich möglicher Kreislaufreaktionen. Dazu werden Untersucher und Assistenzpersonal geschult. Ein Ausbildungscurriculum der europäischen gastroenterologischen Gesellschaften gewährleistet die Vermittlung von Sachkenntnis. Komplikationen werden registriert, gemeldet und analysiert. (20)Gastrointest Endosc Clin N Am. 2016 Jul;26(3):553-62. doi: 10.1016/j.giec.2016.02.008 (21)Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 2021 Mar;56(3):201-209. German. DOI: … Continue reading
Leitlinien zur Sedierung bei gastrointestinalen Endoskopien helfen, Komplikationen zu vermeiden. (22)Dig Endosc. 2021 Jan;33(1):21-53. DOI: 10.1111/den.13882 (23)Pediatrics. 2019 Jun;143(6):e20191000. doi: 10.1542/peds.2019-1000
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Verweise
Literatur