Erythropoetische Protoporphyrie

Veröffentlicht von

Die erythropoetische Protoporphyrie (EPP) ist eine autosomal dominant vererbbare Stoffwechselerkrankung mit erhöhter Produktion und Ausscheidung von Protoporphyrin. Die klinischen Symptome betreffen eine stark erhöhte Photosensitivität der Haut, die zu sonnenbrandähnlichen Hautreaktionen ohne Blasen und oft zudem zur Komplikation einer cholestatischen und fibrosierenden Lebererkankung bis hin zur Leberzirrhose führen. Der genetische Defekt betrifft die Hämsynthase oder Ferrochelatase (FECH), einem mitochondrialen Enzym der Hämsynthese. (1)Gastroenterol Hepatol (N Y). 2008 August; 4(8): 561–566

Epidemiologie und Praevalenz

Die erythropoetische Protoporphyrie (EPP) ist nächst der Porphyria cutanea tarda die häufigste Porphyrie. Ihre Prävalenz liegt zwischen 1:75000 und 1:200000.

Sie gilt als die häufigste Porphyrie im Kindesalter. Früher wurden Prävalenzen von 1:200000 bis 1:75000 agegeben. (2)J Pediatr. 2018 Nov;202:320-323.e2. doi: 10.1016/j.jpeds.2018.06.001 DOI:  … Continue reading Laut einer Untersuchungen aus Daten der UK-Biobank wird sie erheblich unterdiagnostiziert und liegt nach Auswertung der FECH-Varianten (s.u.) um 0,0059% (1:16,9). (3)Genet Med. 2021 Jan;23(1):140-148. doi: 10.1038/s41436-020-00951-8. Epub 2020 Sep 2. PMID: … Continue reading

Entstehung

Die erythropoetische Protoporphyrie ist eine autosomal rezessiv vererbbare Erkrankung des Porphyrinstoffwechsels. Sie beruht auf einen genetischen Defekt der Ferrochelatase (FECH, Häm-Synthase), dem Enzym, das den letzten Schritt bei der Bildung des Häm katalysiert. Der Gendefekt ist auf dem langen Arm von Chromosom 18 lokalisiert. Es sind etwa 120 Mutationen bekannt, am häufigsten c.315–48T>C. Die Aktivität des Enzyms ist in der Regel auf unter 30% erniedrigt. (4)J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2006 Jul;43 Suppl 1:S36-40 (5)Genet Med. 2021 Jan;23(1):140-148. doi: 10.1038/s41436-020-00951-8. Epub 2020 Sep 2. PMID: … Continue reading (6)Porphyrias Consortium of the NIH-Sponsored Rare Diseases Clinical Research Network. Erythropoietic … Continue reading

FECH ist für den Einbau des Eisens in das Protoporphyrin verantwortlich. Da Häm für die Bildung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) sowie für Cytochrome erforderlich ist, hat der Stoffwechseldefekt weittragende Auswirkungen.

Der Ferrochelatase-Defekt betrifft vor allem das Knochenmark. Er führt zu einer mitochondrialen Eisenakkumulation in Erythroblasten; sie ist nicht abhängig vom Eisenstatus des Körpers und bedarf keines Eisenoverloads als Voraussetzung, bedingt sie aber. (7)Eur J Clin Invest. 1993 Feb;23(2):130-8 Die mangelhafte Funktion der Ferrochelatase ist Ursache einer mangelhaften Häm-Bildung und trägt damit zu der mikrozytären Anämie der EPP bei. Das wegen mangelhafter Eisenutilisation überschüssige Protoporphyrin ist im Gegensatz zu anderen Porphyrinen fett- und nicht wasserlöslich, weshalb es durch die Leber über die Galle in den Darm und nicht über die Nieren ausgeschieden wird. Dies ist der Grund, weshalb bei der EPP ein erhöhtes Gallensteinrisiko besteht.

In etwa 2% der Fälle wird die erythropoetische Protoporphyrie durch eine erhöhte Bildung von Delta-Aminolävolinsäure (D-ALA) hervorgerufen; hierbei wird sie X-chromosomal vererbt („X-linked dominant protoporphyria“,XLDPP). (8)Am J Hum Genet. 2008;83:408–14. doi: 10.1016/j.ajhg.2008.08.003

Klinisches Bild

Meist manifestiert sich die erythropoetische Protoporphyrie schon früh in der Jugend, aber es werden auch späte Erkrankungen beschrieben. (9)Clin Exper Dermatol. 2006;31:668–670. doi: 10.1111/j.1365-2230.2006.02179.x

EPP und Hautschädigung

Durch Lichtexposition kommt es zu einer typischen sonnenbrandartigen Hautreaktion mit einem ödematösen Erythem, aber meist ohne Blasenbildung. Die Lichtreaktion der Haut kann je nach Intensität der Bestrahlung über Stunden oder Tage anhalten. Häufigere Episoden einer Lichtdermatose führen zu anhaltenden Hautveränderungen mit Hyperkeratose und wachsartigem Erscheinungsbild.

Das klinische Bild unterscheidet sich von dem der namensverwandten kongenitalen erythropoetischen Porphyrie (CEP), bei der Narbenbildungen im Gesicht und Händen, Hirsutismus sowie fluoreszierende Zähne klinisch diagnoseweisend sind. Auch bei anderen Porphyrieformen sind eher Blasen und Bullae sowie narbige Abheilungen und Areale einer Hyperpigmentation zu finden.

EPP und Leberschädigung

EPP-Patienten leiden in 5 % – 20 % der Fälle in variablem Ausmaß an einer chronischen Leberkrankheit mit Bildung einer Leberfibrose und – selten – einer Leberzirrhose. (10)World J Gastroenterol. 2010 September 28; 16(36): 4526–4531 Sie bilden in 10 – 20 % Gallensteine und neigen zur Gallenstein-Cholestase.

Ursache der Leberschädigung sowie der erhöhten Gallensteininzidenz ist vermutlich die Neigung des in Wasser unlöslichen Protoporphyrins zur Präzipitation in den Gallenkanälchen und den Gallenwegen. Die entstehende Cholestase verstärkt die Retention des Protoporphyrins und damit die klinische Symptomatik.

Die Leberschädigung wird durch erhöhte Cholestaseenzyme und Bilirubin sowie durch Erhöhung der Transaminasen angezeigt und durch eine Leberpunktion bestätigt.

Diagnostik

Hautveränderungen an lichtexponierten Stellen, ungeklärte Erhöhungen von Leberwerten sowie eine ungeklärte mikrozytäre Anämie sollten zur Porphyriediagnostik führen. Eine Lichtdermatose ohne Blasenbildung ist für die erythropoetische Protoporphyrie typisch, während andere Porphyrieformen eher zur Bläschenbildung neigen.

Im Blut lassen sich hohe Protoporphyrinkonzentrationen sowohl im Plasma als auch in Erythrozyten nachweisen. Im Fluoreszenzmikroskop fluoreszieren die Erythrozyten. Das Punktat einer Leberbiopsie fluoresziert ebenfalls. Eine Sicherung der Diagnose erfolgt heute gentechnisch durch Nachweis einer FECH-Gen-Mutation. Enge Familienangehörige sollten ggf. ebenfalls untersucht und genetisch beraten werden.

Therapie

Schutz vor Lichteinwirkung

Die Symptomatik der Protoporphyrie kann durch Einschränkung der Lichtexposition eingeschränkt werden. Der Schutz sollte sowohl sichtbares als auch langwelliges Licht berücksichtigen. Creme mit hohem Sonnenschutzfaktor sind weniger wirksam als physikalischer Sonnenschutz.

Hämatin und Bluttransfusionen

Die überschießende Bildung von Protoporphyrin soll durch Hämatin-Infusionen sowie durch Bluttransfusionen vermindert werden, da beide die Hämsynthese unterdrücken. Dies kann bei akuter Symptomatik wirken; wegen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen werden beide Methoden jedoch nicht als Dauertherapie empfohlen. (11)Orphanet J Rare Dis. 2009; 4: 19

Cholestyramin

Cholestyramin fördert die Ausscheidung von Protoporphyrin über Galle und Stuhl; als Dosis wurden in einer Studie 12 g täglich verabreicht. (12)Gastroenterology. 1988 Jan;94(1):177-81 In einem Fall mit schwerer Leberkrankheit wurde ein Erfolge erzielt: 6 Monate nach Therapie ging es ihm gut, er hatte keine Bauchschmerzen und keine Photosensitivität. (13)Korean J Hepatol. 2010 Mar;16(1):83-8

Lebertransplantation

Bei einer Lebererkrankung im Endstadium kommt die Lebertransplantation als Therapieoption in Betracht; Zentren berichten über eine erhöhte Rate an biliären Strikturen, sonst aber über ein gutes Langzeitüberleben. (14)J Inherit Metab Dis. 2011 Apr;34(2):539-45 Sie behebt die Auswirkungen der erythropoetische Protoporphyrie auf die Leber, nicht aber den Stoffwechseldefekt mit Überproduktion von Protoporphyrin und seine Auswirkungen auf die Haut. Um die Ursache zu behandeln wird eine anschließende Knochenmarktransplantation als Möglichkeit beschrieben J Hepatol. 2007 Jan;46(1):174-9. Eine gleichzeitige Splenektomie (operative Milzentfernung) scheint die Erfolgschancen zu erhöhen Pediatrics. 2006 Dec;118(6):e1896-9. Epub 2006 Oct 30. Auch im Mausmodell der erythropoetischen Protoporphyrie wird gezeigt, dass eine neonatale Knochenmarktransplantation eine Leberschädigung verhindert. (15)J Hepatol. 2011 Jul;55(1):162-70

Nicht wirksame Therapien

Beta-Karotin wurde lange Zeit zum Hautschutz verabreicht. Eine Studie belegt jedoch Wirkungslosigkeit. (16)Br J Dermatol. 1977 Dec;97(6):655-62

Urso-Therapie: Liegt eine Leberbeteiligung vor, so wurde vielfach Ursodesoxycholsäure (Urso) zur Verbesserung des Galleflusses verabreicht. Aber günstige Effekte scheinen nur Einzelbeobachtungen zu sein. (17)Am J Gastroenterol. 2001 Dec;96(12):3468-9 In Tiermodellen der Erkrankung hat Urso sowie auch Hämarginat keine Wirkung gezeigt. (18)Physiol Res. 2006;55 Suppl 2:S93-101


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Verweise

Literatur[+]