Angioödem

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Als Angioödem wird eine Schwellung des lockeren Bindegewebes bezeichnet, die auf Kontakt mit einer exogenen Noxe oder einem Allergen zustande kommt. Sie ist durch eine erhöhte Permeabilität der Blutgefäße verursacht.

Pathophysiologie

Das akute Angioödem wird verursacht entweder durch eine IgE-vermittelte Mastzelldegranulation mit Ausschüttung von Mediatorstoffen, wie Histamin und Bradykinin) oder durch Aktivierung der Kallikrein-Kinin-Kaskade. Es kommt es zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und Exsudation von Flüssigkeit, was zu einer Schwellung des lockeren Bindegewebes der Unterhaut, der oberen Luftwege und anderer lockerer Gewebe führt. Die Symptomatik hängt von der Lokalisation der Schwellungen ab; sie kann auch innere Organe, beispielsweise den Magendarmtrakt betreffen. (1)World Allergy Organ J. 2008 Jun;1(6):103-13. doi: 10.1097/WOX.0b013e31817aecbe. (2)World Allergy Organ J. 2008 Jun;1(6):103-13)9

Nicht-IgE-vermitteltes Angioödem

Hierzu gehört das durch Röntgenkontrastmittel ausgelöste Angioödem. Es ähnelt einem allergisch ausgelösten Angioödem mit Degranulation von Mastzellen und Basophilen.

Das durch NSAR ausgelöste Angioödem wird im Wesentlichen durch Leukotriene vermittelt.

Bei einem chronischen Angioödem, das über 6 Wochen anhält, kann eine IgE-Erhöhung im Blut oft nicht nachgewiesen werden. In vielen Fällen handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit mit Autoantikörpern gegen IgE oder den IgE-Rezeptor. Es wurden auch Antikörper gegen C1-Estarase-Inhibitor gefunden.

Allergisches Angioödem

Wenn die Reaktion durch ein Allergen ausgelöst und IgE-vermittelt ist, stellt sie eine Form der Anaphylaxie dar. Als Allergene kommen vor allem Nahrungsmittel, Nahrungsmittelzusätze, Inhalationsallergene und Medikamente in Betracht.

Hereditäres Angioödem

Das seltene hereditäre Angioödem (Inzidenz 1:50000) ist durch einen C1-Esterase-Inhibitormangel verursacht und ist durch eine Bereitschaft zu rezidivierenden Angioödemen gekennzeichnet. Eine Mutation im SERPING1-Gen führt zu einer verminderten Konzentration von funktionellem C1-Inhibitor im Blut. Folge ist eine vermehrte Bildung von Bradykinin, welches zu einer vermehrten Permeabilität der Blutgefäße führt. (3)World Allergy Organ J. 2010 Sep;3(9 Suppl):S25-8 Die Symptomatik tritt in Attacken auf. Die Schwellungen sind von allergischen Schwellungen zu unterscheiden und sind nicht von Juckreiz begleitet.

Symptomatik

Das Angioödem macht sich durch eine nicht juckende Schwellung der Haut und lockerer Bindegewebe bemerkbar; manchmal ist es von einer geröteten und juckenden Quaddelbildung (Urtikaria) begleitet. Juckreiz gehört jedoch nicht zum Angioödem selbst hinzu. Betroffen sind meist Gesicht (Lippen, Mundhöhle, Periorbitalregion), Handrücken, Fußrücken, Genitalien oder obere Luftwege. Ein Angioödem des Mund-Rachenraums kann zu inspiratorischer Atemnot mit Stridor führen und stellt eine lebensgefährliche Komplikation dar. Ödematöse Wandverdickungen im Magendarmtrakt führen zu Übelkeit und (je nach Hauptlokalisation) weiteren Magendarmsymptomen verschiedenster Art.

Therapie

Zur Akutbehandlung kommen H1-Blocker (z. B. Diphenhydramin) infrage. Bei schweren Reaktionen, beispielsweise mit Mund-Rachenschwellung und Atemnot, können zusätzlich Adrenalin und Prednisolon indiziert sein.

Das auslösende Agens (z. B. ein Antibiotikum oder Nahrungsmittel) sollte entfernt und vermieden werden.

Behandlung des hereditären Angioödems

Zur Therapie des hereditären Angioödems mit genetischem Mangel an C1-Esterase-Inhibitor stehen heute das C1-Esteraseinhibitor-Konzentrat Berinert (4)Pediatr Allergy Immunol. 2012 Nov 22. doi: 10.1111/pai.12024., der Bradykinin-B(2)-Receptorantagonist Icatibant (5)Cole SW, Lundquist LM. Ann Pharmacother. 2012 Dec 18. [Epub ahead of print] und der Kallikrein-Inhibitor Ecallantide zur Verfügung. Sie sollten vor allem bei den lebensbedrohlichen Schwellungen der oberen Atemwege in die erste Wahl gezogen werden. (6)Am J Rhinol Allergy. 2011 Nov-Dec;25(6):379-82 (7)J Investig Allergol Clin Immunol. 2021 Feb;31(1):1-16

Durch die CRISP/Cas-Methode wurde jetzt eine ursächliche Behandlung entwickelt. Die In-vivo-Gen-Editing-Therapie NTLA-2002 zielt auf das für Kallikrein B1 (KLKB1) kodierende Gen. Sie bewirkte in einer Phase 1–2-Studie eine starke dauerhafte Senkung des Kallikreinspiegels im Blut und eine Reduktion der Ödemattacken pro Monat um 95%. (8)N Engl J Med. 2024 Feb 1;390(5):432-441. DOI: 10.1056/NEJMoa2309149


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Verweise

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