Verzweigtkettige Aminosäuren

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Verzweigtkettige Aminosäuren (branched chain amino acids, BCAA) sind durch eine Verzweigung der Kohlenstoffkette charakterisiert. Sie können vom Körper nicht selbst synthetisiert werden und gehören daher zu den essenziellen Aminosäuren.

Im menschlichen Körper kommen folgende verzweigtkettige Aminosäuren vor:

  • Valin: in fast allen Nahrungsmitteln ausreichend vorhanden, besonders in Kuhmilch, Fleisch, Fisch.
  • Leucin: in fast allen Nahrungsmitteln ausreichend vorhanden, besonders in Mais, Kuhmilch, Eiern,
  • Isoleucin: in fast allen Nahrungsmitteln ausreichend vorhanden, besonders in Kuhmilch, Eiern.

Essenzielle Aminosäuren

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Verzweigtkettige Aminosäuren können (ähnlich wie Vitamine) vom Körper nicht selbst gebildet werden. Sie sind jedoch für den Eiweißaufbau, besonders für den Aufbau der Muskulatur, erforderlich. 1 2

Bei der Leberzirrhose mangelt es an ihnen, was bedeutende Folgen für den gesamten Stoffwechsel und die Leistungsfähigkeit des Körpers hat. Ihre Zufuhr verbessert den Muskelaufbau und hemmt den Muskelabbau.

Da verzweigtkettige Aminosäuren auch die Ammoniumentgiftung verbessern, wirken sie sich günstig auf die Hirnleistungsstörung (Enzephalopathie) aus, die bei der schweren Leberzirrhose häufig vorkommt. Es hat sich herausgestellt, dass ihre Zufuhr auch das bei der Leberzirrhose erhöhte Risiko für Leberkrebs senkt.

Verzweigtkettige Aminosäuren sind in hoher Konzentration in Milch vorhanden. Da sie die Insulinbildung stimulieren, können sie beim Prädiabetes zu einer Überlastung der Betazellen und einer frühzeigen Manifestation eines Typ-2-Diabetes führen.

Verzweigtkettige Aminosäuren und Adipositas

Verzweigtkettige Aminosäuren stimulieren die Insulinsekretion in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse und regulieren das Sättigungsgefühl. Eine Erhöhung der Konzentration von BCAA’s im Blut findet sich bei Adipositas und peripherer Insulinresistenz 3 4. Bei Menschen mit Prädiabetes kann ständiger Milchkonsum über die damit verbundene weitere Erhöhung der verzweigtkettigen Aminosäuren zu einer Überlastung der Inselzellen und damit zur frühen Manifestation eines Typ-2-Diabetes führen. Ihnen wird geraten, auf Milchkonsum zu verzichten (siehe hier).

Verzweigtkettige Aminosäuren und Leberkrankheiten

Verzweigtkettige Aminosäuren (BCAA) haben für die Ernährung von Menschen mit Lebererkrankungen eine große Bedeutung 5. Bei erniedrigtem BCAA-Spiegel übt eine orale BCAA-Supplementierung einen positiven Effekt auf die Eiweißsynthese, die Leberregeneration und die Ammoniumentgiftung aus.

  • Bei fortgeschrittener Leberzirrhose besteht eine Aminosäuredysbalance: aromatische Aminosäuren finden sich im Blut vermehrt, verzweigtkettige dagegen vermindert. Eine orale Langzeit-Supplementierung mit BCAA führt bei fortgeschrittener Zirrhose zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes und beugt einer fortschreitenden Verschlechterung der Leberfunktion vor 6.
    • Verzweigtkettige Aminosäuren verbessern die Ammoniumentgiftung und wirken sich damit günstig auf die chronische hepatische Enzephalopathie aus 7. Eine Supplementierung mit BCAA nach eine hepatischen Encephalopathie-Episode scheint jedoch wiederholte akute Episoden nicht verhindern zu können 8. Es wird vermutet, dass die Muskelmasse bei der Ammoniumentgiftung eine wichtige Rolle spielt 9. Um die Wirkung zu verbessern, wird empfohlen, gleichzeitig Alpha-Ketoglutarat zur Hemmung eines Glutaminabbaus in Enterozyten (Zellen der Darmschleimhaut) oder Phenylbutyrat zur Erhöhung der Glutaminausscheidung über die Nieren zu verabreichen 10.
    • Verzweigtkettige Aminosäuren verbessern die Verträglichkeit von Sorafenib in der Behandlung des hepatozellulären Karzinoms durch Erhöhung der hepatischen funktionalen Reserve 13 und erhöhen ebenso signifikant die Leberfunktion nach Radiofrequenzablation eines HCC in einer zirrhotischen Leber 14.
    • Niedrige BCAA-Werte bei Leberzirrhose bedeuten ein deutlich erhöhtes Leberkrebs-Risiko. Die Zufuhr verzweigtkettiger Aminosäuren senkt es deutlich und verlängert das Überleben 15.
  • Bei nicht-alkoholischer Fettleberhepatitis (NASH) scheinen verzweigtkettige Aminosäuren günstig zu wirken, wie Versuche an Ratten mit fettreicher Diät nahenahelegene vermindern die Fettablagerungen in der Leber und im mesenterialen Fettgewebe, verbessern die arterielle Durchblutung der Leber und senken den Pfortaderdruck16.

Verzweigtkettige Aminosäuren und Gehirn

  • Die Ahornsirupkrankheit ist eine angeborene Erkrankung mit einer Akkumulation verzweigtkettiger Aminosäuren und ihrer Alpha-Keto-Abbauprodukte im Gehirn mit neurologischen Auswirkungen. Ursache ist ein Mangel an Dehydrogenase für verzweigungskettige α-Ketoacid-Säuren (BCAA). Die Gedächtnisstörungen können im Tierversuch durch Zufuhr von BCAA simuliert werden. 17
  • Eine chronische Verabreichung von verzweigtkettigen Aminosäuren beeinträchtigt das räumliche Gedächtnis von Versuchstieren (Ratten). Eine Behandlung mit den Antioxidanzien N-Acetylcystein und Desferrioxamin bessert die durch BCAA ausgelöste Gedächtinisstörung 18.
  • In Ratten bewirkt eine hochenergetische Diät, die mit BCAA angereichert ist, einen signifikanten Abfall der Tryptophan-Konzentration und Serotonin im Gehirn. Es führte zu einem Angst-ähnlichen Verhalten. Es wird vermutet, dass starkes Übergewicht beim Menschen, das mit einer Erhöhung der BCAA assoziiert ist, über diesen Weg zu affektiven Störungen führt 19.

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Verweise

Referenzen

  1. Hum Mol Genet. 2014 Sep 15;23(R1):R1-8. doi: 10.1093/hmg/ddu123.[]
  2. Front Physiol. 2021 Jul 20;12:702826. doi: 10.3389/fphys.2021.702826[]
  3. J Nutr Sci Vitaminol (Tokyo). 2019;65(5):383-389. doi: 10.3177/jnsv.65.383[]
  4. Cell Metab. 2009 Apr; 9(4):311-26[]
  5. Nutrition. 2010 May;26(5):482-90[]
  6. Gastroenterology. 2003 Jun;124(7):1792-801[]
  7. Metab Brain Dis. 2013 Jun;28(2):221-5 []
  8. Am J Gastroenterol. 2011 Jun;106(6):1081-8[]
  9. Metab Brain Dis. 2013 Jun;28(2):217-20[]
  10. Nutrition. 2013 Oct;29(10):1186-91[]
  11. Hepatol Res. 2003 Mar; 25(3):312-318[]
  12. Hepatol Res. 2013 May;43(5):459-66[]
  13. Hepatol Res. 2014 Mar;44(3):302-12. doi: 10.1111/hepr.12125[]
  14. J Clin Gastroenterol. 2013 Apr;47(4):359-66[]
  15. Clin Gastroenterol Hepatol. 2013 Sep 10. pii: S1542-3565[]
  16. Appl Physiol Nutr Metab. 2013 Aug;38(8):836-4[]
  17. Mol Genet Metab. 2020 Mar;129(3):193-206. doi: 10.1016/j.ymgme.2020.01.006[]
  18. J Inherit Metab Dis. 2013 Sep;36(5):721-30. doi: 10.1007/s10545-012-9549-z[]
  19. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2013 Feb 15;304(4):E405-13. doi: 10.1152/ajpendo.00373.2012[]