Allgemeines
Hypoxie bedeutet Sauerstoffmangel, genauer erniedrigter Sauerstoffpartialdruck im Körper. Die häufigste Ursache ist eine Gastaustauschstörung in den Lungen. Hypoxämie ist ein ähnlicher Begriff, der die Sauerstoffuntersättigung des Bluts beschreibt; sie ist definiert als PaO2 (Sauerstoffpartialdruck im Blut) unter 8 kPa. Der normale Sauerstoffpartialdruck liegt bei 100 mm Hg (13,3 kPa); die Normwerte liegen im Alter niedriger (bis 85 mm Hg). Zur Alterskorrektur wird überschlagsmäßig die Formel „120 minus Lebensalter (in mm Hg)“ verwendet.
Eine Sauerstoffuntersättigung im Rahmen einer körperlichen Anstrengung kann harmlos, im Rahmen einer akuten Krankheit schwerwiegend sein; sie kann in einem akuten respiratorischen Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome, ARDS) mit hoher Mortalität münden. 1
Eine Ischämie ist eine lokale hochgradige Sauerstoffuntersättigung, die durch eine Störung der lokalen Blutzirkulation zustande kommt.
Ursachen
Eine mangelhafte Sauerstoffsättigung kommt durch folgende Bedingungen zustande:
- Schwere körperliche Anstrengungen, Sport: eine schwere belastungsinduzierte Hypoxämie wird definiert als ein S(pO2) von < 89 % während des Trainings, trotz der Verwendung von zusätzlichem Sauerstoff mit bis zu 6 l/min definiert. 2
- Gasaustauschstörung in den Lungen
- Lungenkrankheiten: z. B. Pneumonie, chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD), Lungenemphysem, Lungenfibrose,
- Lungenstauung bei Linksherzinsuffizienz,
- Herzkrankheiten
- arteriovenöse Shunts z. B. bei Vorhofseptumdefekt oder nach Shuntumkehr bei Ventrikelseptumdefekt
- Neurologische Erkrankungen
„Hypoxia-inducible factor“ (HIF)
Bei Sauerstoffuntersättigung werden HIF (Hypoxie-induzierbarer Faktoren) gebildet. Bei der Erforschung der Ursache einer Bildung von Erythropoetin bei Sauerstoffmangel wurde erstmals ein solcher Faktor entdeckt. 3 Inzwischen weiß man, dass sie zu einer evolutionär hoch konservierten Proteinfamilie gehören und im Stoffwechsel an vielen Stellen eine Rolle spielen. Auch für die Immunreaktionen (regulatorische T-Zell-Funktion) ist HIF-2α unverzichtbar 4
Der Hypoxie-induzierbare Faktor 1 (HIF-1) ist ein DNA-bindendes Protein, das aus 4 Untereinheiten, (HIF-1α, HIF-2α und HIF-3α) and einer β-Untereinheit (HIF-1β) besteht. Er spielt eine allgemeine Rolle bei der durch Hypoxie ausgelösten Signaltransduktion und Transkriptionsregulation. Es gibt verschiedene Formen.
HIF-1 übt eine Reihe von Stoffwechseleffekten aus, wie die Umschaltung von oxidativer Phosphorylierung auf Glykolyse sowie von Glukose auf Glutamin als Hauptausgangsmolekül für die Fettsäuresynthese und eine erhöhte Glykogensynthese. HIF-1 wird in Krebszellen aktiviert und vermittelt dort über metabolische Eingriffe das Tumorwachstum und eine Therapieresistenz. 5 6 HIF-1α aktiviert die Erythropoietin (Epo)-Gentranskription unter Sauerstoffmangel. HIF-2α spielt eine Rolle in der Immunregulation und bei Tumoren; Hemmstoffe werden zur Behandlung beispielsweise des Nierenkarzinoms geprüft. HIF-3α (IPAS) hemmt die Transskription. 7
Da HIF das Tumorwachstum fördern kann, wird nach Ansatzpunkten in den Signalwegen geforscht, an denen therapeutisch eingegriffen werden kann. Inzwischen sind einige HIF-2-Hemmstoffe entwickelt worden 8. Beim klarzelligen Nierenzellkarzinom (clear cell renal cell carcinoma, ccRCC) wurde festgestellt, dass ein Antagonist von HIF-2 bei Patienten zu einem mehrmonatigen Wachstumsstopp führt. 9 Allerdings gibt es Resistenzentwicklungen, die zu überwinden sind. 10
Folgen einer Hypoxie
Die Folgen ergeben sich aus einer Sauerstoffunterversorgung der Organe des Körpers. Die meisten hypoxischen Zustände kommen durch vorübergehende körperliche Anstrengungen zustande, ganz besonders im Hochleistungssport, in dem es zu phasenweise anaerobem Stoffwechsel mit Laktatazidose (Milchsäureansammlung im Gewebe und im Blut) kommt.
Chronische intermittierende hypobare Hypoxie
Eine phasenweise Sauerstoffuntersättigung hat einen teilweise günstigen Einfluss auf den Körper, so dass sie therapeutisch eingesetzt werden kann. 11
- Dazu gehört beispielsweise ein neuroprotektiver Effekt bei stressinduzierten Depression bei Ratten 12 oder in experimentellen Schlaganfallmodellen 13.
- Die Knochenheilung wird gefördert, wobei HIF-1α über VEGF (ein Wachstumsfaktor) eine entscheidende Rolle spielt. 14
- Die Größe eines Herzinfarktes bei Ratten lässt sich durch eine intermittierende Sauerstoffuntersättigung verkleinern. 15
- Sie fördert die Senkung eines erhöhten Blutdrucks durch Stabilisierung des RAAS (Senkung des Angiotensin II).
Allerdings zeigen Tierversuche, dass die chronische intermittierende Sauerstoffuntersättigung auch negative Auswirkungen hat, wie auf das Fortpflanzungssystem weiblicher Ratten (unregelmäßiger Zyklus) 16.
Chronische Hypoxie
Von diesen akuten Grenzüberschreitungen der aeroben Stoffwechselkapazität abzugrenzen ist die pathologische (krankheitsbedingte) Hypoxämie, die oft länger anhält oder dauerhaft ist.
- Gehirn: Hirnleistungsinsuffizienz mit Orientierungs- und Denkstörungen, Schwindel, Ohrensausen, Flimmern vor den Augen,
- Herz: Herzrhythmusstörungen, Verschlechterung der Herzleistung (Herzinsuffizienz). Bei einer Koronarinsuffizienz kann ein Abfall des Sauerstoffpartialdrucks zu einem akuten Angina-pectoris-Anfall führen.
- Nieren: eine chronische Sauerstoffuntersättigung fördert eine tubulointerstitielle Fibrose (Vernarbung des Nierengewebes). 17
- Haut und Gewebe: Sauerstoffmangel (Hypoxie), wie er an Stellen einer Verletzung auftritt, fördert über den „hypoxia inducible factor-1“ (HIF-1) die Wundheilung und Narbenbildung. 18
- Solide Tumore: Rasch wachsende Tumore werden im Zentrum hypoxisch und bilden daher zu ihrer besseren Versorgung angiogenetische Faktoren. Hypoxie und zentrale Nekrosen sind Prädiktoren (Voraussageanzeiger) für einen schlechten klinischen Verlauf. Hypoxie verschlechtert die DNA-Reparaturfunktion 19 und die immunologische Abwehrfunktion. 20
Klinischer Befund
Klinisch erkennbar sind eine livide, zyanotische Lippen- und Hautverfärbung, eine beschleunigte Atmung und eine reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit und Kraftlosigkeit.
Diagnostik
Eine Sauerstoffuntersättigung des Bluts lässt sich durch eine Blutgasanalyse verifizieren. Eine Oximetrie über einen Ohrclip oder Fingerclip (zusammen mit einer Pulsmessung: Pulsoximetrie) reicht für klinische Fragestellungen und zur Überwachung von Patienten meist aus.
Therapie
Sauerstoffzufuhr über eine Nasensonde ist die wichtigste Erstmaßnahme im Notfall. Hinzu kommen die Maßnahmen zur Behandlung der Grundkrankheit.
Patienten mit einer chronischen Sauerstoffuntersättigung können von einer Langzeit-Sauerstofftherapie profitieren. Solche mit einer nur mäßigen Untersättigung profitieren dann davon, wenn zusätzlich eine sekundäre Polyzythämie oder eine Rechtsherzbelastung vorliegt. Ohne diese zusätzlichen Kriterien führt eine Langzeitbehandlung mit Sauerstoff nicht zu einer statistischen Lebensverlängerung. 21
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Verweise
Referenzen
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