Die tuberöse Sklerose (TSC, Morbus Bourneville Pringle) (tuberös: vorwölbend; Sklerose: verhärtetes, narbiges Gewebe) ist eine genetisch bedingte Multiorgankrankheit. Sie macht sich durch Hautknötchen, ein erhöhtes Tumorrisiko, speziell das von Hamartomen in Herz, Gehirn und Nieren, und vielfältige neurologische Symptome, so vor allem durch epileptische Anfälle, bereits im Kindesalter bemerkbar. Wegen der Vielfalt der Erscheinungsformen wird vom „Tuberöse-Sklerose-Komplex“ gesprochen 1. Da oft neurologische und Hauterscheinungen im Vordergund stehen, wird die Erkrankung auch als „neurokutanes Syndrom“ eingeordnet 2.
Häufigkeit
Die tuberöse Sklerose ist nicht ganz selten. Die Inzidenz wird auf 1:6000 geschätzt 3.
Entstehung
Die TSC ist durch eine Überaktivität des mTOR-Signalweges bedingt 4, die meist durch eine de-novo-Mutation zustande kommt. In einigen Fällen (bis 20%) ist ein autosomal dominanter Erbgang nachweisbar. Zwei Gene (TSC1 auf Chromosom 9 und TSC2 auf Chromosom 16), die für Hamartin bzw. Tuberin kodieren, können durch Mutation zum Krankheitsbild führen. Die Produkte dieser Gene bilden einen gemeinsamen Komplex, der den Signalweg reguliert, in welchem mTOR (mammalian target of rapamycin) eine zentrale Bedeutung besitzt (PI3K-mTOR-Signalweg). Ist eines der beiden Gene durch Mutation verändert, so kommt es zu einer Veränderung dieses Komplexes, was wiederum eine Überaktivierung des PI3K-mTOR-Signalwegs zur Folge hat. Dies wirkt sich vielfältig aus, so vor allem in einer gestörten Zellproliferation und in einer gestörten synaptischen Plastizität der Neurone des Gehirns und des Nervensystems. So erklärt sich die Neigung zu epileptischen Anfällen und autistischem Verhalten. Die zugrunde liegende Überaktivität des mTOR-Signalweges bietet einen Ansatzpunkt für eine wirksame Therapie der Symptomatik und der assoziierten Tumore.
Klinik und Symptomatik
Die Auswirkungen der tuberösen Sklerose sind vielfältig 5 6.
- Fehlbildungen: Bei Säuglingen können bereits Hamartome (Tumore aus fehl entwickeltem embryonalen Gewebe) auffällig werden. In Kindheit und Jugend nehmen die typischen kleinknotigen Hautveränderungen zu; es handelt sich um sklerosierende Gefäßmissbildungen (Angiofibrome).
- Tumore: Es entwickeln sich zunehmend Tumore, wie renale und hepatische Angiomyolipome, eine Lymphangioleiomyomatose und multifokale mikronoduläre Pneumozytenhyperplasie (MMPH) der Lungen sowie subependymale Riesenzellastrozytome des Gehirns. Alle diese meist benignen Tumore verursachen verschiedenartige Symptome und können, wie vor allem häufig die Nieren- und die Lungenbeteiligung zum Tode führen. Auch die eher seltenen kardialen Rhabdomyome (muskuläre Geschwulste des Herzens) können durch Herzsymptome (Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz) eine schwere Lebensbeeinträchtigung verursachen.
- Neurologische und psychiatrische Auffälligkeiten: Praktisch alle Betroffenen sind neuropsychiatrisch auffällig. Es treten spastische Verkrampfungen und die für die tuberöse Sklerose typischen epileptischen Anfälle auf. Eine Epilepsie ist das häufigste Symptom, häufig mit dramatischem Ausgang. Sie tritt bei etwa 85 % der Patienten auf. Viele erleiden den ersten Anfall schon im ersten Lebensjahr, oft bereits vor dem 5. Lebensmonat. Eine invasive Überwachung wird daher vielfach für notwendig gehalten 7.
- Verhaltensstörungen: Etwa die Hälfte der Betroffenen ist intellektuell eingeschränkt und weist sprachliche Entwicklungsstörungen, Verhaltensstörungen und autistische Symptome auf. 4.
Therapie
Eine vorrangige Maßnahme betrifft oft eine Verhinderung oder rechtzeitige Behandlung dramatischer epileptischer Anfälle, die oft bereits in den ersten Lebensmonaten auftreten. Moderne Bildgebungsverfahren lassen oft die Bereitschaft für eine Epilepsie erkennen. Die sich entwickelnde Radiomik (eine Methode, die mit Algorithmen eine Datenauswertung aus radiologischen Bildern durchführt) hilft dabei, besonders Gefährdete zu erkennen 8.
Kindliche Spasmen können ein fokales Anfallsäquivalent sein. Vigabatrin wird als erste Behandlungsmaßnahme, bei unzureichendem Effekt Steroide und klassische Antiepileptika 9 als Behandlungsmaßnahme empfohlen. Vigabatrin kann auch bei Säuglingen mit fokalen Anfällen in Betracht gezogen werden. 10
Vigabatrin-Studie 2023: Eine vorbeugende Behandlung mit Vigabatrin auf der Grundlage epileptiformer EEG-Aktivität verbessert die neurokognitiven Ergebnisse von TSC-Kindern in einem Zeitraum von 24 Monaten nicht. Auch verzögert sie nicht das Auftreten von fokalen Anfällen oder verringert die Häufigkeit von medikamentenresistenten Epilepsien. Aber unter der Behandlung traten die Anfälle später auf, und die Häufigkeit kindlicher Spasmen war geringer. 11
Neurologische Symptome und Tumore, die im Rahmen der tuberösen Sklerose auftreten, sprechen, wie bisherige Erfahrungen zeigen, auf mTOR-Hemmer, wie Everolimus, an 12 13 14 15. Beobachtungen zeigen, dass sich unter Everolimus auch Verhaltensauffälligkeiten und autistische Symptome bessern 4. Auch Sirolimus scheint wirksam zu sein, wie sich am Rückgang von Angiomyolipomen und von sporadischen Lymphangioleiomyomatosen zeigte 16. Studien dazu müssen abgewartet werden.
Verweise
Referenzen
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