Toll-like-Rezeptoren (TLRs) gehören zu den Mechanismen, mit denen das angeborene Immunsystem Krankheitserreger wie Pilze, Viren, Mykoplasmen und Bakterien erkennt, um sie eliminieren zu können. Sie spielen in der vordersten Front der Immunabwehr eine entscheidende Rolle. TLRs sind bereits früh in der Evolution entstanden und finden sich sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreich, was ihre zentrale Rolle bei der Abwehr von Infektionen komplexer Leberwesen unterstreicht. Ihre Struktur ist hochgradig konserviert geblieben.
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Toll-like-Rezeptoren (TLRs) dienen dem angeborenen Immunsystem zur Erkennung von schädigenden Substanzen und Partikeln und lösen Abwehrreaktionen aus. Sie gehören zu den Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) und sind die am besten untersuchten von ihnen.
TLRs sind Andockstellen für Fremdstoffe auf der Zelloberfläche und in Endosomen (Vesikel, die Fremdmaterial in die Zelle einverleiben). Die als fremd erkannten Muster werden als PAMPs (Pathogen Associated Molecular Patterns) zusammengefasst. Es sind organische Moleküle, wie Proteoglykane, Lipopolysaccharide, DNA und RNA. Wenn TLRs solche Muster erkennen, lösen sie im Inneren der Zelle eine Signalkaskade aus, die im Zellkern besondere Genen erreicht und ihre Aktivität beeinflusst. Über die Modulation der Genaktivität werden Entzündungsprozesse und Immunreaktionen ausgelöst. Bei einer TLR-Fehlfunktion können überschießende Entzündungsreaktionen zustande kommen. Sie spielen eine zentrale Rolle bei vielen chronischen, autoimmunen und neurodegenerativen Krankheiten. Seit ihre Bedeutung als Starter der Immunreaktionen klar geworden ist, werden Überlegungen verfolgt, sie als potenzielle Ziele für Medikamente einzusetzen. Dies ist ein interessantes und weites Forschungsfeld geworden. |
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Der Name
Der Name „Toll“ entstammt dem Ausruf der Überraschung der Nobelpreisträgerin C. Nüsslein-Volhard angesichts eines unerwarteten Befundes bei der Untersuchung der Entwicklung der Fruchtfliege („Das ist ja toll!“) 1. Die von ihr entdeckte Entwicklungsanomalie hing mit einem Verlust des Toll-Gens zusammen. 2
Verschiedene Varianten
Inzwischen sind beim Menschen und Versuchstieren mehr als 10 verschiedene Varianten der Toll-like-Rezeptoren (TLR1-TLR13) bekannt; sie alle haben eine identische leucinreiche terminale Endsequenz und vermitteln Abwehrreaktionen des Körpers. Je nach TLR-Typ werden verschiedene Erreger erkannt und unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Dazu gehören beispielsweise die Bildung von Interferonen und die Aktivierung von B- und T-Lymphozyten in Abwehrzellen.
Die von TLRs ausgehenden Signalwege
Jeder TLR-Typ ist Ausgangspunkt für spezielle Signalwege in Richtung besonderer Gene. Je nachdem, welche Gene moduliert werden, kommt es zu unterschiedlichen Reaktionen, insbesondere zu Immun- oder Entzündungsreaktionen. Die TLR-Signale (mit Ausnahme der von TLR3 ausgehenden) bedürfen der Vermittlung eines speziellen Faktors (Myeloid-Differenzierungsfaktor 88, MyD88). TLR3 befindet sich in Endosomen. Die ihm ausgehenden Signale bedürfen eines anderen Adaptermoleküls (das TIR-Domänen enthaltende adaptorinduzierende Interferon-β, TRIF: TRIF-abhängiger Signalweg). TLR4 ist der einzige TLR-Typ, der sowohl MyD88- als auch TRIF-abhängige Signalwege auslöst. 3
Am Ende der Signalkaskaden befinden sich Transkriptionsfaktoren, wie NF-kappaB, die die abgerufene genetische Information in mRNA übersetzen. Der Effekt ist dabei bei jedem Zelltyp unterschiedlich. 4 5
Lokalisation und Spezifitäten
Die TLRs 1, 2, 4, 5 und 6 befinden sich auf den Zellmembranen von Abwehrzellen (Monozyten, natürliche Killerzellen, Mastzellen, dendritischen myeloiden Zellen) und binden bakterielle Nukleinsäuren und Lipoproteine. TLR1-, TLR2- und TLR6-Rezeptoren erkennen hauptsächlich gramnegativen Bakterien (über ihre triacylierte Lipopeptide) und Mycoplasma spp. (über diacylierte Lipopeptide) erkennen. TLR2 erkennt das größte Spektrum von Liganden, so bakterielle Proteine (z. B. V-Antigen aus Yersinien), Hämagglutinine aus Pockenviren, Glykolipide, Glykopeptide und Lipoproteine von E. coli, B . burgdorferi und M. tuberculosis 6
TLR2 und TLR4 spielen eine wesentliche Rolle bei entzündlichen Erkrankungen. Im diesem Rahmen sind vielfältige Funktionen zu koordinieren, wie das Beispiel der bei Entzündungen stattfindenden Anregung einer Thrombozytenbildung. Sie geht in Megakaryozyten auf die TLR-Typen 2 und 4 zurück. 7 Im Herzen sind TLR-vermittelte Entzündungen am Umbau des Myokards beteiligt, wie sie bei einer hypertrophen Kardiomyopathie stattfindet. Eine Blockade von MyD88 vermindert die kardiale Entzündung. 8
Die TLRs 3, 7, 8, 9, 11 und 13 befinden sich intrazellulär und binden bakterielle und virale Nukleinsäuren, die in Endosomen eingeschlossen sind. Von dort aus lösen sie (über TIR, nicht über My88 wie an der Zellmembran) Signalwege aus, die an Genen eine Transkription (z.B. über NF-kappaB) auslösen. 9 10
Superfamilie
Die TLRs bilden zusammen mit den Interleukin-1-Rezeptoren eine Superfamilie („interleukin-1 receptor / toll-like receptor superfamily“), die durch eine gemeinsame Toll-IL-1-Rezeptor-Domaine (TIR) gekennzeichnet sind. Die TIRs werden unterteilt: Untergruppe 1 der TIR-Domainen sind Rezeptoren für Interleukine. Mitglieder der Untergruppe 2 interagieren direkt mit dem Erreger. Die der Untergruppe 3 sind im Cytosol gelöst und vermitteln die Signale der TIR-1 und TIR-2.
Funktionen von TLRs: Beispiele
- Im Darm setzt sich der Körper intensiv mit dem Mikrobiom auseinander. Wenn die Intensität und Dauer der Abwehrreaktion überschießend ist, so entsteht eine chronische Entzündung. 11 Die Abwehrreaktion wird durch Toll-like-Rezeptoren (TLRs) und den von ihnen abhängigen Signalweg unterhalten. Ein zu langes und überschießendes Signal in Richtung Entzündungsreaktion kann zustande kommen, wenn die negative Rückkopplung auf die TLRs, die aus dem Signalweg selbst kommt (durch die Serin/Threonin-Kinase M, IRAK-M), zu gering ausfällt oder fehlt. Damit kommt es zu einer inadäquaten Entzündungsreaktion der Darmschleimhaut, einer herabgesetzten Permeabilitätsbarriere und zu einem erhöhten Risiko eines Endotoxin–Schocks. 12 Bei der mikroskopischen Kolitis und der Colitis ulcerosa sind die überschießenden, vom Interleukin-1/Toll-like-Rezeptor ausgehenden Signalwege unterschiedlich. 13
- Im Gehirn lassen sich bei verschiedenen Erkrankungen geringfügige und anhaltende Entzündungsreaktionen der Mikroglia nachweisen, an denen Toll-like-Rezeptoren beteiligt sind, und die zu schweren Hirnfunktionsstörungen führen. TLRs sind damit auch als therapeutische Ansatzpunnkte in den Fokus gerückt. Zu den TLR-abhängigen neurodegenerativen Krankheiten gehören die Alzheimer-Demenz 14, die amyotrophe Lateralsklerose 15, die multiple Sklerose 16 und die Parkinson-Krankheit. 17
- Die an den Entzündungen beteiligten Zellen entstammen der Mikroglia; sie entsprechen den Makrophagen des übrigen Körpers und können auch Toll-like-Rezeptoren bilden, die infektiöse und andere pathogene Agentien erkennen und Entzündungsreaktionen auslösen. Zudem führen solche chronisch schwelenden Entzündungen zu einer Beeinträchtigung neuronaler Erneuerungen (Neurogenese). Umgekehrt verbessert ihre Blockade bei Erwachsenen die Neubildung von Neuronen (Neurogenese) im Hippocampus 18
- TLR 4-spezifische Antagonisten könnten schwelende Entzündungen im Gehirn durch Hemmung der Entzündungsmediatoren unterdrücken. Sie können jedoch auch die Myelinbildung beeinträchtigen. Es werden Medikamente gesucht, die diese unerwünschten Effekte nicht aufweisen. 19
- Im Herzen reduziert TLR3 die Replikation von Viren in Endosomen und damit eine Myokarditis. In Versuchstieren ohne TLR3 kommt es zu einer ungehinderten Virusvervielfältigung. 20
- In der Leber sind Toll-like-Rezeptoren (TLRs) neben der zyklische GMP-AMP-Synthase (cGAMP) (cGAS) die beiden wichtigsten „Pattern regognistion Rezeptoren (PRRs). Sie kommen in Hepatozyten und residenten angeborenen Immunzellen vor. Ihre Überaktivierung ist an der Entwicklung chronischer Lebererkrankungen, einschließlich der NAFLD beteiligt. Sie führt zur Freisetzung von Typ-I-Interferonen (IFN-I) und zur Reifung dendritischer Zellen (DCs). Die Förderung einer chronischen Infektion erhöht das Risiko von Leberkrebs (HCC). 21
Toll-like-Rezeptoren und Krebsentstehung
Chronische Entzündungen spielen eine Rolle bei der Krebsentstehung. Einerseits können TLRs in Tumorzellen zu einer tumorassoziierten und den Tumor fördernden Entzündung führen, andererseits kann eine TLR-Aktivierung von Abwehrzellen eine Antitumorwirkung entfalten. 22 23
Es wird angenommen, dass Toll-like-Rezeptoren ein potentieller Angriffspunkt für eine adjuvante Therapie solcher Tumore sein kann. 24 25 Allerdings sind Studien mit synthetischen Analoga am Menschen nicht immer positiv verlaufen, wie eine Phase-2-Studie von Erlotinib mit und ohne einen TLR9-Agonisten beim kleinzelligen Lungenkarzinom zeigt. 26
Resiquimod, ein TLR-Aktivator
Resiquimod (R848) ist ein Beispiel eines günstig wirkenden TLR-Liganden. Es bindet an TLR7 und 8 und aktiviert sie. Darüber lässt sich bei Versuchstieren die Behandlung von Lungenkrebs verbessern und die Lebenszeit verlängern. 27 Es lässt sich zur besseren Applikation in Liposomen verpacken. In Kombination mit Oxaliplatin (OXA) verbessert es bei Darmkrebs die Immunabwehr von Krebszellen in Mäusen zur Bekämpfung von peritonealen Metastasen. 28
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Verweise
Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)
Referenzen
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- Int J Mol Sci. 2023 Jan 5;24(2):1010. DOI: 10.3390/ijms24021010[↩]
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