Pneumokokken-Impfung

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Allgemeines

Eine Pneumokokken-Impfung dient der Vorbeugung schwerwiegender Infektionen durch Streptococcus pneumoniae, einem Keim, der häufig im Nasenrachenraum anzutreffen ist. Bei Risikogruppen, insbesondere bei Säuglingen und älteren und abwehrgeschwächten Menschen, kann er lebensgefährliche Infektionen hervorrufen. Die zur Verfügung stehenden Impfstoffe (Vakzinen) erhöhen den Schutz durch Anregung der körpereigenen Bildung von Antikörpern. Dies ist von ganz besonderem Interesse, weil viele der Pneumokokken-Serotypen gegen Antibiotika unempfindlich (resistent) geworden sind und sich einer wirksamen Therapie entziehen.

Pneumokokkeninfektion

Pneumokokken sind Gram-positive Bakterien des Nasenrachenraums, die schwer verlaufende Infektionen hervorrufen können, wie Pharyngitis (Rachenentzündung), Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung) und Pneumonie (Lungenentzündung) (1)Lancet Infect Dis. 2004 Mar; 4(3):144-54. Speziell eine Lungenentzündung birgt das Risiko einer Invasion der Keime in die Blutbahn und damit in den gesamten Körper. Bei Säuglingen und Kleinkindern sowie bei älteren und abwehrgeschwächten Menschen kann dies zu einer Hirnhaut- und Gehirnentzündung (Meningoenzephalitis) und einer Sepsis führen mit rasch tödlichem Ausgang. Pneumokokken sind weltweit für etwa 11 % aller Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren verantwortlich (2)Lancet. 2009 Sep 12; 374(9693):893-902.

Die Behandlung ist häufig erfolglos, da viele Serotypen der Keime gegen Antibiotika (so gegen Penicillin und Cefotaxim) resistent geworden sind. Jährlich sollen laut Mitteilung des RKI (3)RKI: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen.html in Deutschland etwa 5000 Menschen an solch einer Komplikation sterben, weltweit schätzungsweise 1,6 Millionen (4)WHO: http://www.who.int/ith/diseases/pneumococcal/en/. Es wird damit gerechnet, dass mit zunehmendem Alter der Bevölkerung das Problem invasiver Pneumokokken-Infektionen zunimmt. Eine Impfung soll dem vorbeugen.

Indikationen

Eine Pneumokokken-Impfung wird von der STIKO des RKI (Robert-Koch-Institut) empfohlen für

  • Säuglinge ab 2 Monaten (3-mal: 2., 4. und 12. Monat),
  • Menschen ab 60 Jahren,
    • Menschen in Pflegeheimen (5)J Am Geriatr Soc. 2003 Nov; 51(11):1520-5,
  • Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören:
    • Menschen mit chronischen Krankheiten der Lungen oder des Herzens,
    • Menschen mit Zuckerkrankheit,
    • Menschen mit bestimmten neurologischen Erkrankungen (z. B. einer Störung der Zirkulation des Liquorwassers),
    • Menschen mit Immunschwäche (u. a. bei immunsuppressiver Therapie, bei HIV-Erkrankung: individuelle Beratung).

Die STIKO (ständige Impfkommission des RKI) empfiehlt eine Impfung nicht für gesunde Menschen zwischen 2 und 60 Jahren. Zum Impfkalender der STIKO (2017) siehe hier.

Impfstoffe

Die Impfstoffe (Vakzine) sind spezifisch für die verschiedenen Serotypen der Pneumokokken. Je mehr Serotypen mit einer Impfung abgedeckt werden, desto sicherer kann einer invasiven Infektion vorgebeugt werden.

Die Impfstoffe enthalten Oberflächenantigene (Polysaccharide) der verschiedenen Pneumokokkentypen (Serotypen).

  • Polysaccharid-Impfstoffe (PPSV) gibt es gegen 23 Serotypen. Sie werden für ältere Menschen und Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, verwendet. Die Impfung sollte mindestens alle 6 Jahre wiederholt werden. Die STIKO ist „zu dem Schluss gekommen, dass die Vorteile der Wiederholungsimpfung (Aufrechterhaltung des Schutzes gegen lebensbedrohliche Erkrankungen) die Nachteile (verstärkte Nebenwirkungen) überwiegen.“ (6)https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen.html. PPSV sind für Säuglinge nicht ausreichend immunogen. immunogen.
  • Konjugatimpfstoffe (PCV) sind immunogener als PPSV und werden für Säuglinge verwendet. Sie rufen eine stärkere Immunantwort hervor, aber ihr Spektrum ist eingeschränkter als das der PPSV. PCV7, das ursprünglich zur Verfügung stand, hatte nur gegen 7 Serotypen gewirkt; PCV10 ist bereits breiter wirksam (Synflorix®, bis zum Alter von 5 Jahren zugelassen). PCV13, Prevenar 13®, ist am gängigsten und für alle Altersgruppen zugelassen. Eine spätere Wiederholungsimpfung ist i. d. R. nicht erforderlich. Neue Impfstoffe mit breiterer Wirksamkeit sind in Entwicklung.

Wirksamkeit

Nach Einführung des Konjugatimpfstoffs sank laut einer NEJM-Studie die Rate invasiver Pneumokokkeninfektionen bei Kindern unter 2 Jahren von 70,3 auf 13,1 Fälle pro 100000 Kinder (Abnahme um 80%); bei Menschen über 65 Jahren von 16,4 auf 8,4 Fälle pro 100000 (Abnahme um fast 50%) (7). N Engl J Med. 2006 Apr 6;354(14):1455-63. Auch eine neuere Arbeit aus Spanien bestätigt die vorbeugende Wirkung bei einer PCV13-Impfung; die Inzidenz von invasiven Infektionen durch Keime, die durch den Impfstoff nicht abgedeckt wurden, blieb dagegen konstant (7)PLoS One. 2017 Apr 6;12(4):e0175224. doi: 10.1371/journal.pone.0175224.

Evolutionärer Druck durch Impfung

Offenbar besteht durch die Impfungen ein evolutionärer Druck auf die Pneumokokken. Diese Hypothese beruht auf verschiedenen Beobachtungen (Beispiele):

  • In Kanada sank nach Einführung der 13-valenten Vakzine (PCV13) der Prozentsatz der gegen sie empfindlichen Pneumokokken-Serotypen an den Gesamtserotypen von 55 % auf 31 %; dagegen stieg er bei den durch die Impfung nicht erfassten Serotypen entsprechend an, einige unter ihnen ganz besonders, speziell 22F (von 7 % auf 11 %) (8)PLoS One. 2017 May 22;12(5):e0178040. doi: 10.1371/journal.pone.0178040..
  • Die anfänglich zur Verfügung gestandene PCV7-Impfung (gegen 7 Serotypen) führte laut einer französischen Untersuchung zu einem deutlichen Abfall der invasiven Infektionen dieser Keimtypen, dagegen zu einer Zunahme der Infektionen aufgrund der nicht erfassten Serotypen, insbesondere von Typ 19A (9)Diagn Microbiol Infect Dis. 2009 Sep; 65(1):49-57..

Es ist zu beobachten, dass durch breite Impfaktionen in der Bevölkerung sich das Spektrum der Serotypen ändert. Offenbar beeinflussen sich die Serotypen der Pneumokokken gegenseitig in ihrer Ausbreitung bzw. ihrem Wachstum. Seit Einführung der Pneumokokkenimpfungen steigt die Häufigkeit von invasiven Infektionen mit Serotypen, gegen die die Impfung nicht wirkt. Die Entwicklung wird kritisch verfolgt (10)J Korean Med Sci. 2016 Jul;31(7):1082-8. doi: 10.3346/jkms.2016.31.7.1082. Epub 2016 Apr 27. (11)PLoS One. 2017 May 9;12(5):e0177113. doi: 10.1371/journal.pone.0177113. eCollection 2017..

Einfluss von Antibiotika

Antibiotika spielen beim Einfluss von Impfaktionen gegen Pneumokokken auf das Spektrum der verschiedenen Serotypen offenbar eine Rolle.

Eine französische Studie zeigt auf, dass der positive Impfeffekt durch eine zunehmende Restriktion von Antibiotika aufgebraucht wird: Die Fälle einer Pneumokokkenmeningitis fielen im Zeitraum von 2001 bis 2009, in dem eine nationale Kampagne zur Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs parallel zur Einführung einer PCV7-Impfung durchgeführt wurde, nicht ab, sondern eher zu (12)Sci Rep. 2015 Jun 11;5:11293. doi: 10.1038/srep11293. Vor 2003 waren die meisten durch Pneumokokken ausgelösten Meningitisfälle durch Penicillin-resistente Serotypen bedingt gewesen sowie durch Typen, die Penicillin resistent aber durch die Vakzine nicht erfasst wurden. Nach 2003 jedoch kam es zu einem Absinken der Vakzine-empfindlichen aber Penicillin-resistenten Typen und zu einem „dramatischen“ Anstieg der nicht von der Vakzine erfassten aber Penicillin-empfindlichen Typen. Insgesamt wurde eine etwa 70-prozentige Verminderung der Vakzine-empfindlichen Pneumokokken-Meningitiden beobachtet, die durch einen etwa 120-prozentigen Anstieg der nicht Vakzine-empfindlichen Meningitiden praktisch aufgewogen wurde (13)Sci Rep. 2015 Jun 11;5:11293. doi: 10.1038/srep11293.

Solche Beobachtungen führen dazu, dass nun ein evolutionärer Druck auf die Pneumokokken durch die Impfung postuliert wird. Dabei soll eine Rolle spielen, dass Infektiosität und Invasivität der Pneumokokken, die Penicillin-resistent sind, geringer sind als die empfindlicheren Stämme (14)Sci Rep. 2015 Jun 11;5:11293. doi: 10.1038/srep11293 (15)BMC Med. 2016 Dec 21;14(1):211. doi: 10.1186/s12916-016-0755-7. Der Anstieg der nicht von der Vakzine erfassten aber Penicillin-empfindlichen Typen bedeutet demnach einen Anstieg aggressiverer Stämme, und damit eine relative Zunahme des Meningitis-Risikos.

Verweise


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Literatur[+]