Lungenkarzinom – Falldarstellung

Veröffentlicht von

Symptomatik und Anamnese

Ein 56-jähriger Mann, adipös, Raucher, kommt wegen Husten und Gewichtsabnahme zum Arzt. Aus der Vorgeschichte erwähnenswert ist eine Bypassoperation bei koronarer Herzkrankheit, gefördert durch erhöhte Fettwerte, starkes Übergewicht und Nikotin. Die Verdachtsdiagnose: Lungenkarzinom.

Initialdiagnostik

Das Röntgen-Thorax-Übersichtsbild (pa) zeigt eine Raumforderung oberhalb des linken Hilus.

Röntgenbild des Thorax: flaue Verdichtung (hellerer Bezirk) in der linken Lunge neben dem Schatten des Herz-Gefäßbandes: bedarf genauerer Abklärung! Nebenbefundlich Cerclagen im Brustbein nach Bypass-Operation des Herzens bei koronarer Herzkrankheit (Risikofaktoren Übergewicht, Fettstoffwechselstörung und Rauchen)

Das Computertomogramm des Brustkorbs (Thorax) zeigt, dass die Raumforderung scharf abgegrenzt ist; sie steht in Verbindung mit dem Atemwegssystem (Bronchialsystem).

Computertomogramm des Thorax (coronarer Schnitt): Raumforderung im linken oberen Hilus der Lunge, Ummauerung eines Bronchus
Computertomogramm der Lungen (Querschnittsbild): solide Raumforderung im linken Hilus
Lungenkrebs: endobronchial einwachsender Tumor an der Carina. Bronchoskopie

Die Bronchoskopie (Spiegelung der Atemwege) zeigt einen in das Lumen der Atemwege vorwachsenden tumorösen Prozess, aus dem eine Gewebeprobe entnommen wird. Der Bronchus ist durch den Tumor fast vollständig verschlossen.

Im histologischen Schnitt lässt sich ein kleinzelliges Bronchialkarzinom (small-cell lung cancer, SCLC) sichern.

 

Metastasensuche

Es schließt sich eine Suche nach Tochtergeschwülsten (Metastasensuche) an.

Ultraschalluntersuchung der Leber: multiple dunklere (reflexärmere) Herde verschiedener Größe, hoch verdächtig auf Metastasen

Die  Sonographie der Leber lässt multiple Raumforderungen verschiedener Größe erkennen, die im Zusammenhang mit dem nachgewiesenen Primärtumor in der linken Lunge am ehesten als Lebermetastasen anzusehen sind.

In einer Knochenszintigraphie werden Knochenmetastasen entdeckt, im Computertomogramm des Gehirns (cerebrales CT, CCT) auch eine Hirnmetastase, die jedoch noch keine Symptome verursachen. Auf eine PET-Untersuchung und eine Histologie der Metastasen wird wegen mangelnder therapeutischer und prognostischer Konsequenz verzichtet. Es handelt sich damit um eine fortgeschrittene Erkrankung (extended disease) eines „Kleinzellers“ der Lunge mit schlechter Prognose.

Therapie

Nach Besprechung der Befunde und der Behandlungsmöglichkeiten und ihrer Erfolgschancen wird eine Therapie mit Cisplatin und Etoposid eingeleitet. Zudem wird eine Strahlentherapie des Gehirns begonnen.

Prognose

Das Lungenkarzinom hat im Stadium einer ausgedehnten Erkrankung („extended disease“) trotz häufig gutem initialen Ansprechen und Einbeziehung von Immuncheckpoint-Inhibitoren (PD1-Hemmer) eine immer noch eine schlechte Prognose (1)Thorac Cancer. 2022 Jun;13(12):1763-1771. DOI: 10.1111/1759-7714.14452. Das mittlere Überleben mit Hirnmetastasen lag in einer Studie bei 9 Monaten, das ohne Hirnmetastasen aber Metastasen anderswo bei 11 Monaten (2)Radiol Oncol. 2012 Mar;46(1):54-9. Das mittlere progressionsfreie Überleben (Zeitspanne ohne Fortschreiten der Erkrankung) unter Cisplatin/Irinotecan wie unter Cisplatin/Etoposid lag laut einer Studie bei 6 Monaten, das Gesamtüberleben bei 18,1 bzw. 15,8 Monaten (Unterschied wg. beschränkter Teilnehmerzahl nicht signifikant) (3)Thorac Cancer. 2015 Nov;6(6):785-91. (Siehe hier.)

Bewertung

Das Besondere an diesem Fall ist, dass es sich bei Rauchern, wie bei diesem Patienten, häufiger um ein nicht-kleinzelliges Karzinom (NSCLC, z. B. ein Adenokarzinom) der Lungen handelt, hier jedoch ein „Kleinzeller“ (small cell lung cancer, SCLC ) vorliegt. Dazu passt die frühe und ausgiebige Metastasierung in Leber, Knochen und Gehirn.

Bei der Diskussion einer Therapie muss wegen der schlechten Prognose immer besonders abgewogen werden, wie stark die Belastung des Patienten durch die anstrengende Therapie sein wird, welche Lebensverlängerung erwartbar ist, und wie groß der Gewinn einer Lebensqualität während der Zeit der gewonnen Monate sein kann. In jedem Fall scheint wegen der oft erreichbaren ersten Remission, die für 1/2 Jahr anhalten kann, eine erste Chemotherapie sinnvoll und wird in aller Regel empfohlen. Die Abwägung ist allerdings nach Eintreten eines Relapses deutlich schwieriger, da derzeit zwar eine Verlangsamung des Fortschreitens, jedoch eine nochmalige Remission nicht oder nicht so ohne weiteres erreichbar ist.

Die Einbeziehung von Biologika (Antikörpern z. B. gegen Wachstumsfaktoren) in die Therapie hat inzwischen die Therapieoptionen erweitert und kann eine Verbesserung der Lebenserwartung herbeiführen (siehe hier).


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Verweise

Literatur[+]