Die Lewy-Körper-Demenz (engl.: Lewy Body Dementia, LBD) ist eine besondere Form, die bei der Parkinson-Erkrankung häufig vorkommt („Parkinson’s disease dementia“). Nach der Alzheimer-Demenz ist sie die zweithäufigste Form einer neurodegenerativen Erkrankung des Gehirns. Die Erkrankung wird unterdiagnostiziert, da die Zahl der post-mortem-Nachweise deutlich höher als die Zahl der in-vivo-Diagnosen liegt.
Das Wichtigste verständlich
- Frühsymptome einer Lewy-Körper-Demenz (LBD) sollten auf die Möglichkeit einer Lewy-Körper-Demenz aufmerksam machen: Zeichen einer autonomen Dysfunktion (z. B. Schwindel – Orthostase-Probleme, Stuhlgangsprobleme, Harninkontinenz, Fetthaut – Seborrhö), Schlafstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, häufigere Stürze.
- Zunehmende Rigidität der Muskulatur: eine Verschlechterung der motorischen Funktionen steht anfangs oft stärker im Vordergrund als ein kognitiver Abbau.
- Eine Demenz kann sich erst später entwickeln und sich auch ohne besondere Zeichen einer Parkinsonkrankheit bemerkbar machen.
- Kognitive Defizite, insbesondere Störungen der Aufmerksamkeit werden gelegentlich früh erkennbar, aber oft lange nicht mit einer Demenz in Zusammenhang gebracht.
- Anfangs schwankender Verlauf: Die Symptome sind anfangs meistens schwankend und „von der Tagesform“ abhängig. 1
- Sicherung der Diagnose: Die Diagnose wird untermauert durch ein SPECT/PET, welches in verschiedenen Regionen des Gehirns Veränderungen nachweist.
- Die Behandlung hat Neuroleptika zu vermeiden: Sie können eine Verschlimmerung der Krankheit herbeiführen.
Alpha-Synuclein
Der Lewy-Körper-Demenz (LBD) liegt eine pathologische Ansammlung von atypischem alpha-Synuclein zugrunde. Normales alpha-Synuclein ist ein Protein von 140 Aminosäuren, das im Gen SNCA gene on 4q21 kodiert ist und die Ausschüttung von Überträgerstoffen im Gehirn beeinflusst: Es kommt zu einem Verlust von dopaminergen und acetylcholinergen Bahnen. Infolge des Verlusts von Dopaminzellen reagieren die Patienten sehr empfindlich auf Neuroleptika. Medikamente mit antidopaminerger und anticholinerger Wirkung können den Parkinsonismus irreversibel verschlimmern. Neuroleptika erhöhen das Risiko, ein neuroleptisches malignes Syndrom zu entwickeln und die Mortalität 2.
Größere Mengen befinden sich im Hippocampus, dem Thalamus und dem Kleinhirn. In den Zellen des Gehirns akkumuliert und wirkt es in den präsynaptischen Nervenendigungen. Abnormale α-Synuclein-Proteine sind phosphoryliert, verkürzt und nitriert. Sie aggregieren zu Fibrillen, lagern sich ab und führen zum Zelluntergang. Es resultieren Erkrankungen, die als α-Synukleinopathien zusammengefasst werden 1.
Die Rolle der α-Synuclein-Ablagerungen ist unklar. Bei einigen Personen, bei denen bei der Autopsie eine fortgeschrittene α-Synuclein-Pathologie festgestellt wurde, hatten sich zuvor keine Anzeichen einer Demenz feststellen lassen 3.
Unterschied zur Alzheimer-Demenz
Klinisch können sich die verschiedenen Demenzformen überlappen 4. Eine genetische Analyse zeigt jedoch Unterschiede. Die Mutationen in den Genen SNCA und LRRK2 werden für die Parkinson-Krankheit, Parkinson-Demenz oder Demenz mit Lewy-Körperchen verantwortlich gemacht. Dagegen gilt das APOE-ε4-Allel als ein starker Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit im Spätstadium 5 6.
Symptomatik
Klinisch findet sich eine fortschreitende Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten. Zunehmend können die üblichen sozialen oder beruflichen Aufgaben nicht mehr bewältigt werden.
Ein Verlust des Gedächtnisses steht anfangs nicht so im Vordergrund wie beider Alzheimer-Demenz. Häufig kommen visuelle Halluzinationen (von Menschen, Tieren …) hinzu.
Der REM-Schlaf ist häufig (in 76 %) gestört. Schon sehr frühzeitig werden heftige Bewegungen im Schlaf auffällig, welche als Prodromalsymptom (Symptom in einer Vorläuferphase) aufgefasst werden können; bis zu 90 % der Patienten mit solchen Symptomen entwickeln innerhalb von 15 Jahren eine Demenz. Zu den frühen Schlafstörungen gehören auch Schlaflosigkeit (37,9 %), Tagesschläfrigkeit (58,6 %), Syndrom der unruhigen Beine (3,4 %) und Albträume (10,3 %).
Zu den häufigsten Frühsymptomen einer LBD (in etwa 90 %) gehören ebenfalls eine Dysfunktion des autonomen Nervensystems, so eine orthostatische Hypotonie, Erbrechen, Schluckstörungen, Mundtrockenheit, Durchfall, Verstopfung, Harninkontinenz, Harnverhalt, erektile Dysfunktion, Gastroparese und Seborrhoe. Symptome einer autonomen Dysfunktion können bereits 5 Jahre vor der Diagnose einer Lewy-Körper-Demenz auftreten 1.
Schließlich sind sowohl die kognitiven als auch die motorischen Verhaltensgrundlagen zur sozialen Kommunikation und zur Bewältigung eines eigenständigen Lebens nicht mehr gegeben, sodass eine ständige Betreuung erforderlich wird (dazu siehe hier).
Diagnostik
Auf die LBD sollten die Frühsymptome aufmerksam machen: eine autonome Dysfunktion, Schlafstörungen inklusive Schlafapnoe, Tagesschläfrigkeit, Gedächtnisprobleme, motorische Einschränkungen, optische Halluzinationen und gehäufte Stürze.
Die LDG-Diagnose wird durch das FDG-PET (Positronen-Emissions-Tomographie mit Fluodesoxyglukose als Marker) gestützt: Die Aufnahme von FDG ist an den Stellen einer neuronalen Degeneration im Gehirn verringert. Bei Patienten mit LBD mit visuellen Halluzinationen findet sich ein deutlich reduzierter Stoffwechsel in den medialen Okzipitallappen zusammen mit einem Hypometabolismus in den vorderen Temporallappen, den orbitofrontalen Regionen und dem Nucleus caudatus. Dies unterscheidet die LBD von der Alzheimer-Demenz, bei welcher die Glukoseaufnahme im Okzipitallappen erhalten bleibt, während sie in der temporoparietalen Region abnimmt. Im PET sind weitere Unterschiede erkennbar, die zur LBD-Diagnose beitragen können 1.
Therapie
Zu den Grundlagen einer Demenzbehandlung siehe hier.
Neuroleptika, die ansonsten bei Halluzinationen, Aktivitätssteigerungen und psychotischen Symptomen angebracht wären, sind bei der Lewy-Körper-Demenz wegen eines Verschlechterungsrisikos zu vermeiden (siehe oben). Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Art der Demenz exakt zu bestimmen, bevor behandelt wird. 1.
Als Antipsychotika sind laut einer Literaturzusammenstellung Quetiapin, Clozapin, Risperidon und Pimavanserin (in den USA) die einzigen Antipsychotika, die sich derzeit (2023) als wirksam erwiesen haben 1.
Levodopa kann die motorischen Funktionen und das Zittern verbessern. Weitere Medikamente, die beim Morbus Parkinson günstige Effekte aufweisen, sind Amantadin, Rotigotin und Selegilin; diese sind bei der Lewy-Körper-Demenz wenig geprüft. Ein neues, noch unzureichend geprüftes Medikament ist Zonisamide. Symptome einer autonomen Dysfunktion werden rein symptomatisch behandelt. 1
Memantin (ein NMDA-Rezeptor-Antagonist) soll in einigen Fällen hinsichtlich einer Reduzierung von Halluzinationen mäßig wirksam und gut verträglich sein. Die Studien dazu sind widersprüchlich 1.
Cholinesterasehemmer, wie Donepezil und Rivastigmin, werden oft bei Symptomen wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Apathie, Depressionen, Feindseligkeit, Misstrauen oder ungewöhnlichen Gedankeninhalten eingesetzt, sind aber nicht ausreichend in großen Studien getestet. Galantamin wird als mögliche Alternative angesehen. 1
→ Mehr dazu siehe unter Parkinson-Krankheit.
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Verweise
Referenzen
- Dis Mon. 2023 May;69(5):101441. doi: 10.1016/j.disamonth.2022.101441[↩][↩][↩][↩][↩][↩][↩][↩][↩]
- Continuum (Minneap Minn) 2016, 22 (2 Dementia); 435-463[↩]
- Lancet 2015, 386; 1683-1697[↩]
- Folia Neuropathol, 51 (1) (2013), pp. 1-9[↩]
- JAMA Neurol, 70 (2) (2013), pp. 223-228[↩]
- Neurobiol Aging, 33 (3) (2012), p. 629, 10.1016/j.neurobiolaging.2011.10.014 e5-629.e18[↩]