Entstehung der Leberzirrhose

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Übersicht

Die Entstehung (Pathogenese) der Leberzirrhose (Narbenleber) ist komplex. Sie beruht auf einer Aktivierung von Narben-bildenden Zellen, wie sie bei jeder chronischen Entzündung aufritt. Sie bilden eine zunächst nur histologisch erkennbare, diskrete Netzbildung aus kollagenen Fasern. Durch Zunahme des Narbengeflechts verhärtet sich die Leber. Über das Zwischenstadium einer Leberfibrose entsteht allmählich das Vollbild der Leberzirrhose mit Auswirkungen auf die Leberfunktion und die Leberdurchblutung. Durch narbige Kontraktion kann die Leber schließlich kleiner werden, sodass im Endstadium eine narbige Schrumpfleber entstehen kann.

Leberzirrhose

Narbenbildung

Auch wenn es viele verschiedene Auslöser (siehe hier) gibt, so ist der Pathomechanismus der Bildung einer Narbenleber bei jeder zirrhotisch verlaufenden Leberkrankheit sehr ähnlich. Entscheidend ist eine apparente oder schwelende Entzündung.

Die Kollagenbildung beginnt mit einer Einwanderung von Immunzellen in die Leber, welche zur Apoptose von Leberzellen und zur Aktivierung von Ito-Zellen (hepatic stellate cells) anregen. Aus den Ito-Zellen gehen Myofibroblasten hervor, die Kollagenfibrillen absondern, welche sich im Bindegewebe zu Kollagenfasern, dem Grundmaterial von Narben, zusammenlagern. Durch Zunahme der Kollagenfasern und ihrer Vernetzung bildet sich über das Zwischenstadium einer Leberfibrose schließlich eine Leberzirrhose. Das nun deutlich verhärtete Organ beginnt sich durch Schrumpfung des Narbengewebes zu verkleinern.

Folgen der Vernarbung des Organs:

  • Verminderung der Leistungsfähigkeit der Leber bezüglich aller ihrer Funktionen (siehe hier). Folgen:
    • vermehrte Wassereinlagerungen als Ödeme und Aszites und
    • Blutgerinnungsstörungen.
  • Blutrückstau in der Pfortader und den zuführenden Blutgefäßen aus dem Darm und der Milz. Es entwickelt sich eine portale Hypertension. Deren Folgen sind
    • im Magendarmtrakt eine Verschlechterung der Resorption (auch von Medikamenten),
    • eine Milzvergrößerung (Splenomegalie) und
    • die Ausbildung von Umwegskreisläufen für das gestaute Blut, so z. B. zur linken Niere und zur Speiseröhre (den Ösophagusvenen) hin. Es entstehen Ösophagusvarizen mit der Gefahr einer Blutung.

Zusammenwirken verschiedener Zelltypen

Zu den beteiligten Zellen gehören eine Vielzahl von Zellen, die hochkomplex miteinander interagieren. Die Kenntnis der Interaktion der Zellen, die an der Narbenbildung in der Leber beteiligt sind, eröffnet perspektivisch neue Therapieoptionen. 1 Wichtige Zelltypen sind folgende:

Ito-Zellen (hepatic stellate cells, HSC, vitamin A-storing cells): Hepatische Sternzellen (HSCs) sind die wichtigsten ECM-produzierenden Zellen (ECM: extrazelluläre Matrix). In der gesunden Leber befinden sie sich im Disse-Raum (zwischen Endothel- und Leberzellen), wo sie sich in einem Ruhezustand befinden und Vitamin A speichern. Bei einem Defekt im Lebergewebe wandeln sie sich zu Myofibroblasten um und beginnen mit der Bildung von Alpha-Smooth-Muscle-Actin (α-SMA). Sie wandern dorthin, wo eine Gewebereparatur stattfinden soll und sezernieren große Mengen an ECM. Wenn der Defekt geheilt ist, zerstören sie sich geordnet durch Apoptose. Bei Menschen, die eine Leberzirrhose entwickeln, ist die Produktion von ECM übermäßig erhöht. 2

Makrophagen: Wesentlich für die Aktivierung der Kollagen produzierenden Zellen sind Kupffer-Zellen, die als residente hepatische Makrophagen auf interne und externe Reize hin Entzündungsmediatoren (proinflammatorische Zytokine) bilden. Hinzu kommen „herbeigerufene“ Makrophagen aus dem Blut. Sie sind daran beteiligt, dass eine überschießende Bildung von Kollagen in der extrazellulären Matrix (ECM) erfolgt. Die Interaktionen zwischen Makrophagen und ECM-Bildung (über Ito-Zellen und Myofibroblasten) ist komplex. Man hofft, im Geflecht von Signalwegen einen Zugang zu einer Reduktion der überschießenden ECM-Bildung zu finden. 3

Monozyten: Monozyten (speziell die Untergruppe inflammatorischer Ly6c+ (Gr1+)-Monocyten), die in die Leber einwandern, können sich in Gewebsmakrophagen umwandeln und sich an der Phagozytose von Fremdmaterial und von Zelldetritus und an entzündlichen Reaktionen beteiligen 4. Je nach Funktionszustand können sie laut Experimenten an Tiermodellen aber auch antiinflammatorisch wirken und Kollagenfasern wieder degradieren. 5  6

Monozyten aus der Milz: Spezielle Monozyten der Milz, die Milz-CX3CR1+-Monozyten wandern in die fibrotische Leber und beschleunigen die Leberfibrose über die Sekretion von Zytokinen. Klassische CX3CR1+-Monozyten der Milz haben sich als ein wichtiger Treiber der Leberfibrose über die Milz-Leber-Achse herausgestellt. Sie sind und potenzielle Ziele für neue Behandlungsoptionen. 7

→ Zur Leberfibrose siehe hier.

Spezielle Aspekte der Fibrosierung

Unordnung der Architektur: Durch kontinuierliches Zugrundegehen einzelner Hepatozyten kommt es sowohl zur chronischen Entzündung und Vernarbung und als auch zu Reparationsbemühungen der Leber. Dies führt zu einer Änderung der Leberarchitektur mit einer Störung der Gefäßversorgung der Leberläppchen und der Mikrozirkulation des Bluts im Lebergewebe.

Fettgewebshormone: Adipokine sind „Hormone“ des Fettgewebes wie Leptin, Adiponektin und Resistin. Ihre Fehlfunktion kann zur Fibroseentwicklung in der Leber beitragen, was bei der nicht-alkoholischen Fettleberhepatitis (NASH) eine entscheidende Rolle zu spielen scheint. 8

Leberinsuffizienz

Bei fortschreitendem Prozess lässt die Leber in ihren Stoffwechselfunktionen nach. Es kommt zur Leberinsuffizienz mit Verminderung der Bildung von Albumin und von Gerinnungsfaktoren; der Quickwert steigt, die Blutungsneigung nimmt zu. Auch vermag die Leber nicht mehr ausreichend Galle zu bilden, es kommt schließlich zur Gelbsucht.

→ Syntheseleistungsstörung der Leber

Blutstau vor der Leber

Durch die Verhärtung der Leber erhöht sich der Organwiderstand und es kommt zum Blutstau vor der Leber, der sich in den Magendarmtrakt und die Milz fortsetzt. Im Ultraschallbild des Oberbauchs findet man eine Erweiterung der Pfortader mit verlangsamtem Blutfluss. Der Pfortaderhochdruck (portale Hypertension) ist Ursache für Umwegskreisläufe um die Leber, so auch über die Magenvenen am Fundus zum Ösophagus hin. Sie erhöht das Risiko einer Ösophagusvarizenblutung.


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Verweise

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Referenzen

  1. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2023 Oct;20(10):633-646[]
  2. Exp Biol Med (Maywood). 2020 Jan;245(2):96-108[]
  3. Cell Biosci. 2022 Jul 27;12(1):117. DOI: 10.1186/s13578-022-00856-w[]
  4. Gastroenterology. 2005 Jan; 128(1):138-46[]
  5. Inflamm Allergy Drug Targets. 2009 Sep;8(4):307-18[]
  6. Fibrogenesis Tissue Repair. 2012 Jun 6;5 Suppl 1:S27[]
  7. Theranostics. 2024 Mar 3;14(5):2210-2231[]
  8. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2005; 9: 279-84[]