Therapie des Autismus

Autismus-Spektrum-Störungen (ASDs) sind Störungen im Empfinden und Verhalten, die bereits bei kleinen Kindern und sogar schon im Säuglingsalter nachweisbar sein können und das soziale Verhalten beeinträchtigen. Die Behandlung richtet sich hauptsächlich auf die Unterdrückung der Symptome.

Das Wichtigste verständlich

Die Therapie des Autismus (Autismus-Spektrum-Störungen, ASD) sollte so früh wie möglich einsetzen, um die Gehirnentwicklung und das Verhalten so günstig wie möglich zu beeinflussen.

Verhaltenstherapie: Die Behandlung autistischer Kinder ist je nach Ausprägung eine Herausforderung. Eine der Symptomatik angepasste Verhaltenstherapie steht bei jungen Kindern (unter 6 Jahren) im Zentrum. Eine Musiktherapie, in die sich die Betreuer fachlich einweisen lassen sollten, kann hilfreich sein. Je nach Stressbelastung der Betreuer ist eine Supervision angezeigt. Die Behandlung älterer Kinder und Jugendlicher ist von ständigem, fast drillartigem Training geprägt.

Medikamentöse Maßnahmen können bei schwereren Ausprägungen helfen, die soziale Eingliederung zu verbessern. Zu den Optionen, die individuell infrage kommen können, siehe unten.

Diätetische Maßnahmen: Sie sind Erfolg versprechend und inzwischen auch experimentell begründbar. Eine konsequente glutenfreie und kaseinfreie (milchfreie) sowie Mais-freie Kost vermag laut Studien die häufig assoziierten gastrointestinalen Symptome (Durchfälle) sowie auch die Verhaltensstörungen günstig zu beeinflussen. Nach heutigen Erkenntnissen spielt dabei eine Beeinflussung des Darmmikrobioms und der „gut-brain“-Achse (Beziehung zwischen Darm und Gehirn) eine tragende Rolle. Es sollte auf einen ausgeglichenen Vitamin-D-Spiegel geachtet werden (sehr häufig liegt ein Mangel vor).

Stuhltransplantation: Eine Veränderung der Darmmikrobiota durch Stuhltransplantation hat Studien zufolge eine günstige Auswirkung auf die Autismus-Symptomatik.

Tuberöse Sklerose: Autistische Störungen, die im Rahmen einer tuberösen Sklerose auftreten und die bei etwa der Hälfte der Betroffenen zu beobachten sind, reagieren in einigen Fällen günstig auf Everolimus.

Fragiles-X-Syndrom: Dieses Syndrom ist mit Autismus assoziiert. Bei ihm verbessert Brustmilchernährung die Chance, kein ASD zu entwickeln.

→ Zu Autismus-Spektrum-Störungen siehe hier.

Autismus

Autistische Menschen sind durch ein gestörtes Sozialverhalten und sich wiederholende (repetitive) Verhaltensweisen gekennzeichnet (siehe hier). Die Behandlung autistischer Störungen richtet sich auf eine Milderung der sozialen Einschränkungen durch Verhaltenstherapie als auch auf die Vorbeugung einer Verschlechterung.

Behandlungsindikation

Grundlegend für eine Behandlung ist die Einschätzung, ob die vorliegende Verhaltensstörung als eine nur leichte Abweichung vom Normalen, als Störung oder bereits als Krankheit anzusehen ist, die behandelt werden sollte.

  • In leichten Fällen (high functioning autism) mag eine Behandlungsbedürftigkeit in Frage gestellt werden. Hier kommen eventuell Veränderungen in der Ernährung und der Lebensführung in Betracht.
  • Eine Störung, die zu Schwierigkeiten im Sozialleben führt, kann zusätzlich eine Verhaltenstherapie und Training einzelner Fähigkeiten (z. B. Sprachtraining, Training sozialer Fähigkeiten) erfordern.
  • In schwereren Fällen mit Unfähigkeit zu einer sozialen Eingliederung und einer Lebensbewältigung sollte auf eine zusätzliche medikamentöse Therapie nicht verzichtet werden.

Auditives Training

Beim auditiven Training ist zu berücksichtigen, dass bei vielen ASD-Betroffenen eine Hyperakusis (verminderte Lautstärketoleranz) besteht. 1 Die Lebenszeitprävalenz einer Hyperakusis soll um 60 % liegen. 2

Laut einer Cochrane-Zusammenstellung von Studien (2022) führt Musiktherapie über längere Frist zu einer Verringerung des Schweregrads der Autismus-Symptome. Allerdings fehlen verlässliche Daten zu den einzelnen Altersgruppen und der Nachhaltigkeit. 3

Musiktherapie

Studien besagen, dass Musiktherapie die sozialen Fähigkeiten und die sprachliche Kommunikation autistischer Kinder zu stärken vermag. Voraussetzung ist eine gute Ausbildung der Musiktherapeuten im Hinblick auf den Autismus. 4 Musiktherapie war laut einer Cochrane-Zusammenstellung 5 einer „Placebo-Therapie“ überlegen bezüglich

  • soziale Interaktionen (auch außerhalb des Therapiekontextes),
  • sozial-emotionaler Austausch,
  • nonverbale kommunikative Fähigkeiten (nur während des Therapiekontextes),
  • verbale kommunikative Fähigkeiten,
  • Eigeninitiative.

Von den verbesserten sozial-kommunikativen Fähigkeiten profitierten speziell auch die Eltern-Kind-Beziehungen.

Gesungene Ansprache ist günstiger als gesprochene: Eine Beobachtungsstudie an 3 Kindern im Alter von 3 und 4 Jahren zeigte, dass gesungene Anweisungen zu einer gegenüber gesprochenen Anweisungen erhöhten Aufmerksamkeit, verbessertem Augenkontakt und vermehrten sozialen Gesten führte 6. Dies findet nach fMRI-Untersuchungen eine Entsprechung in einer vebesserten frontotemporalen Konnektivität im Gehirn 7.

Alltagsanforderungen

Autistische Menschen werden häufig durch Veränderungen ihrer Umwelt, ihres sozialen Feldes oder im Tagesablauf extrem verunsichert und reagieren mit Stress, Angst und Aufregung. Es gibt viele Ratschläge, autistischen Kindern solche Veränderungen und Ereignisse begreiflich zu machen und die Schrecken abzumildern. Es werden Geschichten und Bilder empfohlen, in denen ein ähnliches Ereignis in verständlicher Weise eingebettet ist, die immer wieder wiederholt werden. So kann solch ein Kind beispielsweise auch auf den absehbaren Tod einer Bezugsperson vorbereitet werden. Tipps sind auf Spezialseiten für betroffene Eltern im Internet erhältlich (beispielsweise hier).

Verhaltenstherapie

In vielen Fällen bessert eine Sprachtherapie die sprachlichen Fähigkeiten. Oft ist es notwendig, diffuse Interessen fokussieren zu lernen, oder zu lernen, bei Gesprächen in die Augen des Gegenüber zu blicken. Viele solcher Verhaltensregeln müssen einzeln geübt werden. Eine Cochrane-Zusammenstellung 2013 findet in der Literatur einige Evidenz für den positiven Einfluss eines durch die Eltern bewusst ausgeübten Trainings bezüglich solcher Defizite. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass Eltern dabei frühzeitig Unterstützung benötigen, speziell auch, um den eigenen Stress im Umgang mit dem autistischen Kind zu ertragen. 8 Eltern-Trainingsprogramme können dabei helfen. 9 Die Anstrengungen lohnen bei den meisten autistischen Kindern in jungem Alter (unter 6 Jahren); Studien berichteten über vielversprechende telemedizinisch und geschwistervermittelte Interventionen. 10 Die günstigen Ergebnisse unterstützen die Bedeutung einer frühen Diagnosestellung. 11

Die Behandlung über Verhaltenstraining älterer Kinder und Jugendlicher beinhaltet ständiges, fast drillartiges Training (fast wie eine „Dressur“), in das die Eltern und Geschwister eingebunden sind. Da Drill der Natur der Betroffenen widerspricht, lehnen einige diese Methode ab. So wird vielfach angestrebt, die Methoden individuell angemessen anzuwenden. Ein großes Ziel ist es, Betroffene von unkontrollierter Agression in ein Stadium hineinzubringen, in dem Bedürfnisse ausgedrückt werden können, und das später im Leben eine Heimunterkunft vermeiden hilft. Hilfestellung kann man über das Selbsthilfenetzwerk Autismus erhalten (siehe hier).

Diät

Die Ernährungsweise bestimmt wesentlich die Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom des Darms). Die einzelnen Bakterienstämme beeinflussen über Mediatorstoffe und Stoffwechselprodukte in unterschiedlicher weise den Körper und das Gehirn (Gut-Brain-Axis). Beim Autismus finden sich Veränderungen im Mikrobiom (Dysbiose: vermehrt Firmicutes). 12 Aus diesen Gedanken wird abgeleitet, dass eine Beeinflussung der Keimzusammensetzung (z. B. über eine Diät) einen günstigen Einfluss auf den Schweregrad autistischer Symptome haben kann. 13 Eine Meta-Auswertung von Studien besagt, dass eine adaptierte Diät einen signifikant positiven Effekt auf Ausprägung und Verlauf einer ASD hat. 14

Von einem besseren Verständnis der Zusammenhänge wird ein neuer Zugang zu Therapieoptionen erhofft.  15  Eine frühere Perspektivarbeit inaugurierte diätetische Maßnahmen, die bereits vorgeburtlich einsetzen sollten, um den Schweregrad autistischer Symptome des Kindes beeinflussen zu können. 16

Vitamine

Bereits während der Schwangerschaft sollte auf eine ausreichende Zufuhr aller Nährstoffe geachtet werden, die zu einer gesunden Entwicklung des Kindes beitragen; dazu gehören insbesondere eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen und Spurenelementen. Einige Vitamine spielen auch nach der Geburt für das Kind eine besondere Rolle, so bezüglich einer Autismus-Prophylaxe vor allen Folsäure und Vitamin D. Beide spielen bei der Gehirnentwicklung eine Rolle; speziell von Vitamin D wird eine positive Beeinflussung des Autismus erwartet. 17 Studien besagen, dass bei 95% der ASD-Patienten zwischen 3 und 18 Jahren einen Vitamin-D-Mangel aufweisen. 18 Eine Studienauswertung besagt, dass ein besserer Vitamin-D-Status mit einem geringeren Schweregrad des ASD verbunden ist. 19

Milch

Kasein aus Kuhmilch verschlechtert des Verlauf wahrscheinlich: Bei Milchtrinkern finden sich Casomorphine im Körper, die als exogene Opioid-Peptide wirken und mit Opioid- und Serotonin-Rezeptoren interagieren. Sie sollen die Entstehung von Synapsen beeinflussen. Bei Autismus-Kindern finden sich entsprechend dem Schweregrad der Symptomatik erhöhte Werte von Casomorphin-7 im Urin. Es wird die Hypothese vertreten, dass eine langzeitige Zufuhr von Casomorphinen aus Kuhmilch die Hirnentwicklung autistischer Kinder beeinflusst und zu einer Verschlechterung des Verlaufs beiträgt. 20 Speziell aus Milch stammende Opioidpeptide sollen potenzielle Faktoren sein, die zur Entwicklung eines Autismus beitragen. 21

Beim „Fragilen-X-Syndrom“ entwickelt sich im Lafe des Lebens häufig ein ASD. Das ASD-Risiko und die gastrointestinale Symptomatik wird durch Brustmilchernährung vermindert. 22  23

Omega-3-Fettsäuren

Omega-3-ungesättigte Fettsäuren (omega-3 polyunsaturated fatty acids (n-3 PUFA)) spielen offenbar eine große Rolle bei der vorgeburtlichen ASD-Prävention. Eine gute Quelle dieser Fettsäuren ist beispielsweise Fischöl. Mais dagegen enthält Omega-6-Fettsäuren und keine Omega-3-Fettsäuren und sollte daher vermieden werden. Bei Müttern autistischer Kinder wurde in einer Erhebung ihrer Ernährungsgewohnheiten während der Schwangerschaft festgestellt, dass eine verminderte Omega-3-Fettsäure-Zufuhr (nur bis 5%) mit einem signifikanten Anstieg von kindlichem Autismus verbunden war (relatives Risiko bis 2,42). 24 Aus diesen Befunden lässt sich ableiten, dass während der Schwangerschaft auf eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren geachtet werden sollte. Größere Studien sollten dies untermauern.

Gluten- und Casein-freie Diät

Immer wieder werden gluten- und kaseinfreie Diäten als günstig für den Verlauf der ASD beschrieben. Die Fallzahlen sind klein und nicht ausreichend, um eine allgemeine Empfehlung zu geben. 25  26 Beispiele:

  • Bereits 2004 wurde in einer Cochrane-Bewertung festgestellt, dass eine gluten- und kasein-freie Diät einen positiven Effekt auf autistische Symptome ausübt, wobei die kognitiven, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten weniger gut ansprachen. 27 Allerdings fehlten große Studien, was auch 2008 noch bemängelt wurde. 28
  • Eine skandinavisch-britische, randomisierte verblindete Studie an ASD-Kindern zeigte, dass eine gluten- und kasein-freie Diät nach verschiedenen Scores einen positiven Effekt bewirkte. 29 Am meisten profitierten Kinder im Alter zwischen 7 und 9 Jahren. 30
  • Eine Gluten- und Casein-freie Diät (GFCF) hat in einer kleinen Pilotstudie an 7 Kindern (mittleres Alter 9 Jahre) laut Angabe der Eltern auf standardisierten Fragebögen zu einer Verbesserung der Verhaltensmuster und gastrointestinaler Symptome geführt. 31

Pharmakotherapie

Eine sicher wirksame medikamentöse Therapie gibt es nicht. Einzelne Medikamente können jeweils in bestimmten Beziehungen nützlich sein und einzelne Symptome (je nach Ausprägung) mildern helfen. 32

  • Cholinergika: Cholinergika wirken durch Hemmung des Abbaus von Acetylcholin (Ach) in den synaptischen Spalten. Dadurch kommt es zu einer gesteigerten Wirkung in den Gehirnbereichen, in denen Ach als Überträger wirkt. So werden dadurch Aufmerksamkeit, Neugier und Gedächtnis beeinflusst. Untersuchungen mit Galantamin an autistischen Kindern haben ergeben, dass sich dadurch die Ablenkbarkeit, der soziale Rückzug, die Hyperaktivität und die sprachlichen Fähigkeiten verbesserten. 33 34
  • Glutamat-Antagonisten: Eine Hypothese besagt, dass beim Autismus hyperglutaminerge Bedingungen im Gehirn vorherrschen. Es findet sich eine zu hohe Aktivität des Neurotransmitters Glutamin, der in dieser überhöhten Konzentration toxisch wirkt.
    • Memantine hat entsprechend zu einer symptomatischen Verbesserung bezüglich Irritierbarkeit und Ablenkbarkeit, stereotypem Verhalten und Hyperaktivität geführt; aber größere aussagekräftige, doppelt verblindete Studien dazu fehlen. 35
    • Riluzol (Rilutek®) ist eine den Glutamat-Stoffwechsel modulierende Substanz. In einer Studie, in der es zusätzlich zu Risperidon verabreicht wurde, verbesserte es signifikant die Irritierbarkeit, den sozialen Rückzug, stereotype Verhaltensweisen und Hyperaktivität. Es bewirkte zudem eine Appetitsteigerung und Gewichtszunahme. 36
  • Sekretin: Durch Zufall wurde eine „dramatisch“ positive Wirkung von Sekretin, das während einer Endoskopie zur Steigerung der Pankreassekretion appliziert wurde, auf soziale, kognitive und kommunikative Fähigkeiten von Kindern mit Autismus festgestellt. 37 Später wurde der Effekt in Folgeuntersuchungen relativiert. 38 Weitere Untersuchungen legen nahe, dass Sekretin den Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn beeinflusst; nur diejenigen Kinder reagieren positiv, die nach Sekretin einen Anstieg von 6R-5,6,7,8-tetrahydro-L-biopterin (BH(4)) im Liquor aufweisen. 39
  • Opioid-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Naltrexon): Es wird angenommen, dass eine Hypersekretion von endogenen Opioiden in einigen Fällen zur Symptomatik von Kindern mit Autismus beiträgt. Insbesondere bei Neigung zur Selbstverletzung und bei Hyperaktivität vermag Naltrexon in einigen Fällen (um ca. 50%) zu einer Verbesserung führen. 40
  • Oxytocin: Der Neurotransmitter Oxytocin beeinflusst das soziale Verhalten (siehe hier). Es wird überwiegend von großzellulären Neuronen des Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis gebildet und zum Hypophysenhinterlappen sowie zu verschiedenen Hirnstrukturen des limbischen Systems, zum Mittelhirn und zum Okzipitalhirn transportiert. Im Blut wirkt es als Hormon, im Gehirn als Neutrotransmitter und Neuromodulator. Oxytocin fördert Vertrauen und soziale Interaktionen und vermag aggressives Verhalten abzubauen, wie an einem exemplarischen Fall mit Langzeit-Therapie über einen Oxytocin-Nasalspray gezeigt wurde. 41
    • Eine Studie, die das Sozialverhalten nach einer standardisierten Skala registrierte (Aberrant Behavior Checklist modified Social Withdrawal subscale, ABC-mSW), hat jedoch keinen Einfluss von Oxitocin-Nasenspray erkennen lassen. 42 Eine weitere Studie zeigt keine wesentliche Modulation von Empathie-bezogenen, mit fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) prüfbaren neuralen Effekten. 43
    • Bei Menschen mit Autismus wurde ein genetischer Zusammenhang mit Plasma-OT festgestellt, von dem einige mit bekannten Autismus-Risikogebieten assoziiert sind. Es gibt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Plasma-OT-Spiegeln und Genexpression und Epigenetik bei autistischen Menschen über mehrere Genwege hinweg. Dies mag zu dem Mangel an Sozialvertrauen beitragen. 44 Eine experimentelle tägliche intranasale OT-Verabreichung über 4 Wochen bei ASD-Mäusemodellen. Mit OXT behandelte Tiere verbrachten bereits nach zweiwöchiger Behandlung doppelt so viel Zeit mit dem Sozialpartner. 45
  • Bumethanid, bekannt als ein Diuretikum (Hemmung des Natrium-Kalium-Chlorid-Kotransportetrs), erhöht die Zeit des Augenkontakts und die Fähigkeit Emotionen zu erkennen. 46 47 In einer Studie wurde ein gewisser Effekt bezüglich repetitier Verhaltensweisen, nicht aber bezüglich sonstiger abartiger Verhaltensweisen gefunden. 48
  • N-Acetyl-Cystein (NAC) beeinflusst den Stoffwechsel von Glutathion (GSH), welches für das Redox-Gleichgewicht der Zellen und damit die Bewältigung von oxidativem Stress (auch von Nervenzellen) wesentlich ist. Eine NAC-Administration (bis 2700 mg pro Tag) verringerte in einer Studie signifikant die Ablenkbarkeit und das repetitive Verhalten der Studienteilnehmer mit Autismus. 49 NAC erhöht den positiven Effekt von Risperidon signifikant. 50 In einer späteren Studie wurden keine Effekte auf das Sozialverhalten festgestellt. 51 Im Tiermodell des Autismus allerdings wurde eine Abschwächung der sozialen Dysfunktion nachgewiesen. 52
  • Ubiquinon (CoQ10) spielt bei der mitochondrialen Zellatmung eine Rolle und vermindert den zellulären oxidativen Stress (auch von Nervenzellen). Die supplementäre Zufuhr von Ubiquinon (CoQ10-Total) verbesserte in einer Studie an 24 Kindern mit Autismus innerhalb von 3 Monaten die Kommunikation mit den Eltern (in 12%), die verbale Kommunikation (in 21%), das Spielen (in 42%), den Schlaf (in 34%) und das Essverhalten (in 17%). 53
  • Eine Cannabinoid-Behandlung des Autismus hat kein eindeutiges Ergebnis geliefert. 54 In einigen Studien wird jedoch über eine Verbesserung berichtet bezüglich Hyperaktivität, Anfällen von Selbstverstümmelung und Wut, Schlafstörungen, Angst, Unruhe, psychomotorische Erregung, Reizbarkeit, Aggressivität, Ausdauer und Depression. 55
  • Weitere in Testung befindliche Substanzen sind Arbaclofen, Trofinetid und andere. Ergebnisse müssen abgewartet werden. 56

Stuhltransplantation

Bei der Autismus-Spektrum-Krankheit ist das Mikrobiom des Darms gestört, was sich über Signalwege in einer Störung verschiedener Stoffwechselwege im Körper auswirkt (siehe hier). Daher sind nicht nur diätetische Eingriffe zur Veränderung der Mikrobiota untersucht, sondern auch Untersuchungen zur Wirkung einer Stuhltransplantation (fecal microbiota transplantation, FMT) durchgeführt worden. Eine Auswertung von 5 verlässlichen Studien besagt, dass FMT verschiedene Autismus-Symptome inkl. der Darmsymptome signifikant verbesserte. 57 58.

Aggressives Verhalten

Aggressives Verhalten, wie es bei Menschen mit ASD gelegentlich vorkommt, lässt sich durch Verhaltenstherapie meist nicht ausreichend wirksam beeinflussen. Ein Tiermodell dafür sind Mäuse mit einem genetischen Defekt in Neuroligin-3. Bei ihnen findet sich ebenfalls ein gesteigert aggressives Verhalten. Der Einsatz von Risperidon vermag es auf Wildtyp-Niveau zu reduzieren  59. Dies entspricht der klinischen Erfahrung, nach der atypische Antipsychotika, vor allem Risperidon und Aripiprazol, Aggressivität und Hyperaktivität bei Autismus-Kindern dämpfen können 60.

Vermehrte Erregbarkeit

Eine vermehrte Erregbarkeit gehört meist zum Autismus hinzu und ist ebenso oft durch Verhaltenstherapie nicht ausreichend beeinflussbar. Eine Studie belegt, dass die Kombination von Buspiron, einem Angst lösenden (anxiolytischen) psychotropen Pharmakon eigener Klasse, und Risperidon, das zur Behandlung der Hyperaktivität bei ADHS-Patienten verwendet wird, auf die Erregbarkeit von Autismus-Kindern einen günstigeren Effekt ausübt als Risperidon alleine 61.

Autismus bei tuberöser Sklerose

Die tuberöse Sklerose ist eine genetisch determinierte Erkrankung, bei der viele Organe des Körpers, so auch das Gehirn, involviert sein können. Epilepsie und Autismus gehören zu den Hauptsymptomen. Da inzwischen eine Überaktivierung des mTOR-Signalweges als Ursache herausgefunden werden konnte, boten sich Therapieversuche mit entsprechenden Hemmern (mTOR-Hemmer) an. Everolimus (ein mTOR-Hemmer) hat sich als ein wirksames Medikament herausgestellt, das in einzelnen dieser Fälle zu einer Besserung der autistischen Symptomatik führte 62. (Dazu siehe hier.)


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Verweise

Referenzen

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