Phytoöstrogene

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Phytoöstrogene sind organische Verbindungen pflanzlicher Herkunft mit einer östrogenartigen Wirkung auf den Menschen und auf Säugetiere. Die Hauptvertreter sind Isoflavinoide aus der Sojabohne und aus rotem Klee. Einige Beispiele von Phytoöstrogenen sind Kaempferol, Quercetin, Genistein und Resveratrol. Bei Tieren, die mit rotem Klee gefüttert werden, sinkt die Fortpflanzungsrate. Für den Menschen spielt wahrscheinlich Genistein aus Soja die Hauptrolle (s. u.).

Wirkungsmechanismen

Die Grundlage der östrogenartigen Bioaktivität der Phytoöstrogene ist ihre Bindung an Östrogenrezeptoren. Beteiligt sind zwei unterschiedliche intrazelluläre Rezeptoren, ERα und ERβ. Die Wirkorte der ERα-Expression sind die Gebärmutter und die Hypophyse, die der ERβ-Expression die Granulosazellen des Eierstocks. Dies sind damit die Organe, an denen auch Phytoöstrogene potenziell ihre Wirkungen entfalten, d. h. nicht nur an den weiblichen Sexualorganen, sondern auch am neuroendokrinen System, am Blutgefäßsystem, am Skelett und am Immunsystems sowohl von Männern als auch von Frauen. Phytoöstrogene beeinflussen darüber auch viele Krankheiten, Stoffwechselstörungen, Krebsarten, Osteoporose, und die Neigung zu Fettleibigkeit. 1 2

Wirkungen

Folgende Wirkungen der Phytoöstrogene werden beobachtet (Auswahl):

  • Knochenstabilisierung in der Menopause: Phytoöstrogene vermindern den Knochenabbau und erhöhen die Knochendichte. 3 4 Sie können daher zur Knochenstabilisierung in der Menopause beitragen (siehe auch hier).
  • Fieberkrämpfe bei Kindern: Es wird vermutet, dass Soja-Phytoöstrogene die Bereitschaft für Fieberkrämpfe bei Kindern erhöhen, wie bei autistischen Kindern festgestellt wurde. 5
  • Mammakarzinom: Soja, welches das Phytoöstrogen Genestein enthält, soll vor allem Frauen asiatischer Bevölkerung vor Brustkrebs schützen, nicht dagegen westlicher (siehe hier). Im Tierexperiment kann Ganistein jedoch die Hemmwirkung von Tamoxifen auf das Tumorwachstum Östrogenrezeptor-positiver Tumore zunichte machen. 6 Mehr dazu siehe hier.
  • Klimakterische Beschwerden: Klimakterische Beschwerden der Frau (wie Hitzewallungen) werden durch Phytoöstrogene offenbar wenig beeinflusst; eine Metaanalyse dazu ergab keine eindeutig positiven Ergebnisse. Allerdings scheint Genistein, ein Phytoöstrogen der Sojabohne und rotem Klee, eine günstige Wirkung zu entfalten; die Studienlage gilt jedoch noch nicht als ausreichend. 8 (Siehe auch hier.)
  • Blutgerinnung: Genistein erhöht bei der Ratte die Aktivität der Gene, die die Blutgerinnung als auch die Fibrinolyse beeinflussen. Damit können unter seiner Wirkung unerwünschte Effekte im Gerinnungssystem auftreten. 9 Gerinnungsabnormitäten auftraten. 10
  • Fertilität: Die Fertilität in Abhängigkeit von der Aufnahme von Isoflavonen mit östrogenartiger Wirkung wurde bei 7-Tages-Adventisten untersucht. Es zeigte sich ein Rückgang der Geburtsrate: eine hohe Aufnahme von über 40 mg/Tag bedeutete eine Reduktion der Geburtenrate von 3 % gegenüber einer geringeren Aufnahme (unter 10 mg/Tag). Isoflavone können sich daher wahrscheinlich auf die Fertilität auswirken. 11 Die männliche Fertilität wird möglicherweise ebenfalls durch Phytoöstrogene von Sojaprodukten negativ beeinflusst, sodass zur Vorsicht bei der Ernährung geraten wird. 12
  • Autismus: Umweltfaktoren können zur Manifestation eines Autismus beitragen. Als ein solcher Faktor gilt Säuglingsnahrung auf Sojabasis mit ihren Phytoöstrogenen. Sojahaltige Säuglingsnahrung ist in Assoziationsstudien bei autistischen Kindern mit einem erhöhten Auftreten von Krampfanfällen und einer Reihe von Autismus-typischen Verhaltensweisen verbunden 13. Dazu siehe hier. 14
  • Endometriose: Die Endometriose ist eine chronische entzündliche Erkrankung, bei der sich Endometriumgewebe außerhalb der Gebärmutter entwickelt und ausbreitet. Die Erkrankung ist hochgradig von Östrogenen abhängig. Die Zellen tragen deutlich höhere ERβ- und deutlich niedrigere ERα-Rezeptoren als normale Endometriumzellen des Uterus 15 16. Ein Ziel der Behandlung ist es, die Erregung der Rezeptoren durch Hormone zu unterdrücken. Daher sollte eine pflanzliche Ernährung, die reich an Phytoöstrogenen ist, kontraproduktiv sein. Allerdings hat eine phytoöstrogenhaltige Ernährung gleichzeitig eine antientzündliche und antioxidative Wirkung, die dem negativen Effekt entgegenwirkt. Daher ist noch nicht gesichert, welche Wirkungen in der Summe beim Menschen überwiegen 17. Inzwischen wurde nachgewiesen, dass Formononetin, ein besonderes Phytoöstrogen (z. B. aus dem Hülsenfrüchtler Milettia pinnata), die Progression der Endometriose hemmt 18.

Verweise

Referenzen

  1. Curr Top Dev Biol. 2017;125:109-146. doi: 10.1016/bs.ctdb.2016.12.005[]
  2. Phytother Res. 2023 Jul;37(7):3097-3120. doi: 10.1002/ptr.7861[]
  3. Asian Pac J Trop Med. 2012 Mar;5(3):243-8[]
  4. Gynecol Endocrinol. 2013 Aug;29(8):735-43[]
  5. PLoS One. 2014 Mar 12;9(3):e80488[]
  6. Inflammopharmacology. 2008 Oct;16(5):219-26[]
  7. BJU Int. 2014 May;113(5b):E119-30[]
  8. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Dec 10;12:CD001395. []
  9. Thromb Haemost. 2010 Dec;104(6):1250-7[]
  10. J Formos Med Assoc. 2013 Dec 18. pii: S0929-6646(13)00397-5[]
  11. Int J Womens Health. 2014 Apr 5;6:377-84[]
  12. Int J Androl. 2010 Apr;33(2):304-16[]
  13. PLoS One. 2013 doi: 10.1371/journal.pone.0080488.[]
  14. Autism Open Access. 2013 Nov 18;3:20727. doi: 10.4172/2165-7890.1000120[]
  15. Int J Mol Sci. 2020 Apr 17;21(8):2815. doi: 10.3390/ijms21082815[]
  16. Expert Opin Investig Drugs. 2022 Nov;31(11):1227-1238. doi: 10.1080/13543784.2022.2152325[]
  17. Nutrients. 2021 Jul 24;13(8):2532. doi: 10.3390/nu13082532[]
  18. Nutrients. 2023 Jun 30;15(13):3001. doi: 10.3390/nu15133001[]