Menkes-Syndrom

Das Menkes-Syndrom (Menkes disease, nach dem Neuropädiater John H. Menkes) ist eine sehr seltene neurologische Krankheit mit nur kurzem Überleben. Es gehört zu den rezessiv X-chromosomal vererbten neurodegenerativen Krankheiten. Überwiegend sind männliche Nachkommen betroffen. Heterozygote Frauen sind meist nur Carrier und bilden selten Symptome aus.


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Entstehung

Eine defekte Kupfer-Elimination aus den Körperzellen außer aus der Leber und dem Gehirn ist die entscheidende Ursache des Menkes-Syndroms. Schon im Dünndarm hat dies Konsequenzen: Die Zellen der Schleimhaut (Enterozyten) nehmen zwar Kupfer auf, können es aber nicht ans Blut abgeben.

Ursache ist eine Mutation des ATP7A-Gens. ATP7A ist eine ATPase, die Kupfer durch Zellmembranen transportiert und am Austransport von überschüssigem Kupfer aus Zellen entscheidend beteiligt ist. Die ATP7A-Mutation wirkt sich auf alle Zellen des Körpers inklusive auf das zentrale und periphere Nervensystem aus. (1)Nat Rev Neurol. 2011 Jan;7(1):15-29 Da in der Leber nicht ATP7A sondern ATP7B der wirksame Kupfertransporter ist, sind die Leberzellen von der zellulären Kupferspeicherung ausgenommen. Insofern unterscheidet sich das Menkes-Syndrom vom Morbus Wilson.

Im Gehirn, das normalerweise wegen der kupferhaltigen Enzyme relativ kupferreich ist, ist beim Menkes-Syndrom der Kupfer-Gehalt erniedrigt, was bisher nicht gut erklärbar war. Es wird jetzt angenommen, dass ATP7A an der normalen Kupfer-Verfügbarkeit im Gehirn beteiligt ist; Kupfer wird beim Menkes-Syndrom durch die Blut-Hirn-Schranke zurückgehalten. ATP7A scheint demnach eine Rolle bei der Kupferaufnahme in die Hirnzellen zu spielen. Zu den Folgen gehört beispielsweise eine Down-Regulation der Myelinisierung der Nerven. (2)Mol Genet Metab. 2005 Aug;85(4):291-300

Symptomatik

Schon in der Frühentwicklung entstehen eine Reihe von Symptomen.

  • Haare: Typisch ist anfangs spärliches und glanzloses, später krauses Haar (Kraushaarsyndrom, Menkes kinky hair syndrome).
  • Neurologische Symptome: Es entwickelt sich nach einigen Monaten eine Vielzahl von Störungen inklusive Myoklonien, Ataxie, einer unzureichenden Temperatur- und Zuckerregulation (oft Hypoglykämien), einer motorischen Schwäche (schlechte Rumpfstabilität) und Bewegungsarmut sowie eine mentalen Retardierung.
  • Weitere Symptome: Es können eine Reihe weiterer Anomalien beobachtet werden, wie trockene Haut, Osteoporose mit Frakturanfälligkeit, Trichterbrust und überstreckbare Gelenke.

Prognose

Die Krankheit führt in ihrer schwersten Ausprägung meist noch vor dem 3. Lebensjahr zum Tode. (3)Eur J Hum Genet. 2010 May;18(5):511-8 Eine schwache Ausprägung im Sinne eines „Optical-horn-Syndroms“ hat eine deutlich günstigere Prognose.

Laborwerte

  • Die Werte für Serum-Kupfer und Coeruloplasmin beim Säugling werden als normal (4)Clin Pediatr (Phila). 1984 Sep;23(9):514-6 oder niedrig (5)Cases J. 2008 Sep 18;1(1):158
  • Das freie Kupfer ist nicht wie beim Morbus Wilson erhöht, sondern eher erniedrigt.

Diagnostik

Verdacht: Kinder mit mentaler Retardierung, mangelnder Rumpfstabilität und Bindegewebsanomalie (Überstreckbarkeit von Gelenken), auffällig krausem Haar, sowie mit unerklärten Muskelzuckungen/-krämpfen (Myoklonien) sollten genetisch getestet werden.

Genetische Analyse: Die Diagnostik des Menkes-Syndroms beruht heute auf einer DNA-Analyse bei entsprechendem klinischem Verdacht. (6)Pediatr Int. 1999 Aug;41(4):423-9

Therapie

Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Im Tierversuch wurde durch ATP7A-Genzusatz im Plexus chorioideus eine Heilung erzielt. (7)Mol Ther. 2011 Dec;19(12):2114-23 Es wird berichtet, dass Kupferinjektionen (als Histidin-Komplex) bei einer Restaktivität der ATP7A zu einem deutlich verzögerten Verlauf führe. (8)Am J Med Genet. 1998 Mar 5;76(2):154-64

Eine Zuführung der mangelnden Enzyms in den Liquor (zerebrospinale Flüssigkeit) über einen Virus-Vektor hat in einem Menkes-Mausmodell zu einem um 50% verlängerten Überleben geführt. (9) 2018 Jul 9;10:165-178. doi: 10.1016/j.omtm.2018.07.002.

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

Literatur[+]