Die Divertikulose ist eine Erkrankung des Dickdarms, die durch multiple kleine Aussackungen der Darmwand gekennzeichnet ist. Einzelne Divertikel können auch in anderen Darmabschnitten (z. B. im Magen) und in Hohlorganen auftreten, so in der Gallenblase und in der Harnblase. Ein Häufung wird praktisch nur im Dickdarm (Kolon) beobachtet.
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Häufigkeit
Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu: bei unter 40-Jährigen < 10 %, bei über 60-Jährigen 20 – 30 %, bei über 70-Jährigen > 40 %. Es befinden sich bis zu 95 % der Divertikel im Sigma. Etwa 80 % der Patienten bleiben zeitlebens beschwerdefrei.
Entstehung
Die Orte, an denen sich Darmaussackungen bilden (Prädilektionsstellen), sind die Durchtrittsstellen der Blutgefäße, die von außen kommen und innen die Darmschleimhaut versorgen (Durchtritt der Arteriae marginales durch die Lamina muscularis propria). Dort bilden sich bei hohem intraluminalem Druck (z. B. bei spastischem Kolon) Mukosaausstülpungen. Typischerweise sind diese Ausstülpungen nicht von der Darmmuskulatur begleitet; sie bestehen nur aus der inneren Schleimhaut und der äußeren Darmwand. Die Divertikel können sich daher nicht durch Muskelkontraktion entleeren. Stuhlanteile verbleiben lange Zeit in ihnen und führen zu Entzündungen (Divertikulitis). Die direkte Nachbarschaft zu den größeren Arterien (die durch die Darmwand ziehen) begründet die z. T. heftigen Divertikelblutungen, die bei einer Entzündung (Divertikulitis) auftreten können.
Der intraluminale Druck im Kolon ist ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Divertikeln. Er ist abhängig von der Füllung des Darms. Eine geringe Füllung mit folglich geringem Querdurchmesser des Darmabschnitts bedeutet einen größeren Wanddruck als bei einer guten Füllung mit größerem Durchmesser. Eine ballaststoffarme Kost, die zu einem reduzierten Darminhalt führt, begünstigt daher nach früherer Anschauung die Divertikelentstehung.
Diese Anschauung wurde jedoch in Frage gestellt. Eine Untersuchung zeigte, dass weder eine Verstopfung noch eine Kost mit geringem Ballaststoffanteil mit einem erhöhten Risiko einer Divertikelbildung assoziiert sind. (1)Clin Gastroenterol Hepatol. 2013 Dec;11(12):1622-7. doi: 10.1016/j.cgh.2013.06.033.
Risikofaktoren
Assoziationsstudien zeigen, dass Übergewicht (2)Clin Gastroenterol Hepatol. 2017 Sep 9. pii: S1542-3565(17)31066-2. doi: 10.1016/j.cgh.2017.09.005., Rauchen (3)Colorectal Dis. 2017 Jul;19(7):621-633. doi: 10.1111/codi.13748. und Alkohol (4)Hawaii J Med Public Health. 2017 Aug;76(8):211-219. zu einer Risikoerhöhung beitragen. In einer chinesischen Studie wird gezeigt, dass rotes Fleisch und eine rheumatoide Arthritis zum Risiko bei Männern beitragen, und fortgeschrittenes Alter, Rauchen und Hypertonie bei Frauen. (5)Sci Rep. 2018 Jan 9;8(1):138. doi: 10.1038/s41598-017-18517-1.
Das enterale Nervensystem als Verursacher
Es wird vermutet, dass eine erhöhte Produktion Mediatorstoffen der Darmwand, die eine muskuläre Spastik auslösen die wesentliche Ursache für Divertikel darstellen. Es wurde eine erhöhte Bildung von exzitatorischen Neurotransmittern in den enterochromaffinen Zellen, speziell von Serotonin und Acetylcholin gefunden. (6)Aliment Pharmacol Ther. 2011 Apr;33(7):789-800. doi: 10.1111/j.1365-2036.2011.04586.x. Damit tritt ein fehlfunktionierendes Nervengeflecht des Darmwand in den Vordergrund. Die Aktivität der enterischen Nervenzellen wird von der sie umgebenden Glia modifiziert. Sie soll einen entscheidenden Einfluss bei solchen funktionellen Störungen der Darmmotilität ausüben. (7)J Physiol. 2017 Jan 15;595(2):557-570. doi: 10.1113/JP271021.
Symptomatik
Eine Divertikulose braucht keine Beschwerden hervorzurufen. Manchmal finden sich jedoch Beschwerden wie bei einem spastischen Reizdarmsyndrom mit zeitweiligen Darmkrämpfen, vermehrten Blähungen und gelegentlich zu dünnem und dann wieder zu festem Stuhl. (Zu wechselnden Stühlen siehe hier.)
Nach abgelaufenen Divertikulitiden allerdings können Verwachsungsbeschwerden eintreten, die über die Phase der Entzündung hinaus zu Bauchschmerzen (oft abhängig von der Körperlage und der Darmfüllung) führen.
Komplikationen
Die Divertikulose verläuft vielfach lebenslang symptomlos. In einigen Fällen drohen jedoch wiederholte Komplikationen, die auch schwerwiegend verlaufen können: (8)Schweiz Rundsch Med Prax. 2007;96:153-7
- Perforation: Sie ist meist Folge einer Divertikelentzündung. Es entsteht eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) mit stärksten Bauchschmerzen und Abwehrspannung. Wenn die lokale Entzündung der Darmwand um das betreffende Divertikel jedoch lange genug verläuft, können sich zuvor bereits außen Verklebungen mit anderen Darmschlingen und dem Netz (Omentum) bilden, die die Stelle abdecken. Die Perforation geht in diesem Fall nicht in die freie Bauchhöhle, sondern bleibt als gedeckte Perforation lokal.
- Entzündung (Divertikulitis). Dazu siehe hier.
- Divertikelblutung: Sie ist häufig nur geringfügig, kann jedoch bei ständiger Sickerblutung zu einer Blutungsanämie führen. Bedrohlich ist eine große Blutung, die zu einer Hämatochezie führt. Sie ist oft endoskopisch schlecht lokalisierbar, da alle benachbarten Divertikel, ebenso wie das blutende Divertikel, voll von frischem Blut sind. Siehe auch unter Gastrointestinale Blutung.
Diagnostik
Bauchschmerzen im linken Unterbauch und Blut im oder am Stuhl sind häufige Indikationen für eine Diagnostik.
Endoskopie: Die Divertikulose ist oft ein Zufallsbefund bei einer Darmspiegelung (Koloskopie) aus anderen Gründen (z. B. Vorsorgekoloskopie). Bei Blutabgang mit dem Stuhl wird die Koloskopie gezielt zur Ursachensuche eingesetzt; Divertikel sind eine häufige Ursache. Oft kann eine Blutungsquelle endoskopisch in gleicher Sitzung verödet werden.
Radiologische Methoden: Röntgendarstellungen des Darms (z. B. Kolonkontrasteinlauf, CT-Kolonographie) sind in der Regel keine primären diagnostischen Maßnahmen, können aber die Aussagen über komplizierte Divertikel ergänzen.
Sonographie: Die Sonographie des Bauchs kann Divertikel nachweisen und bei einer Divertikulitis zur Verlaufskontrolle dienen.
Therapie
Bei der Divertikulose sollte für voluminösen, nicht zu festen Stuhl gesorgt werden (siehe Pathogenese). Wenn eine familiäre Veranlagung besteht, sollte durch eine solche Stuhlregulation frühzeitig besonders vorgebeugt werden. (9)J Fam Pract. 2006 Sep;55(9):813-5. Manchmal wird die Empfehlung gegeben, körnerhaltige Kost zu vermeiden und keine Obstkerne zu essen, die sich in Divertikeln verfangen könnten. Der prophylaktische Wert dieser Maßnahme zur Vermeidung einer Divertikulitis ist jedoch umstritten. Untersuchungen zeigen entgegen den theoretischen Vorstellungen, dass ein hoher Gehalt an Ballaststoffen keine vorbeugende Wirkung aufweist. (10)Gastroenterology. 2012 Feb;142(2):266-72.e1. doi: 10.1053/j.gastro.2011.10.035.
Verweise
Literatur